Sonntag, 15. Mai 2016

Maßanzug für Fiats Mittelklasse: Vignale Samantha 1967 von AutoCult, 1:43

Lange Zeit war es eine liebe Gewohnheit, dass die große Mutter Fiat den meist in Turin ansässigen Carrozziere die Komponenten ihres jeweils neuesten Produkts zur Verfügung stellte, daher präsentierten die Karosserieschneider parallel zum Serienmodell ihre Interpretationen. Auch bei Fiats Mittelklasselimousine 125 war es 1967 so. Von Bertone kam ein ziemlich eckiges viersitziges Coupé namens Executive, Fissore zeigte einen Kombi, Moretti, Savio und Scioneri befassten sich mit eher klassischen Coupés, während Zagato naturgemäß die sportliche Linie verfolgte. Und Vignale versuchte sich mit der Samantha, einem ebenfalls viersitzigen Coupé mit klassischem Fastback, aber sehr modischer Front mit Kühlereinlass unterhalb der Stoßstange und Klappscheinwerfern im Stile des Lamborghini Miura, wie sie später auch Porsche für seinen 928 verwendete. Das Design stammte von Virginio Vairo, der seit 1963 bei Vignale für das Design verantwortlich war, vorher stammten die meisten Schöpfungen dieser Firma von Giovanni Michelotti.

Bei genauerer Betrachtung dieser Einzelstücke oder Kleinserien auf Fiat-Basis findet man immer wieder Serienteile, die Samantha behielt zum Beispiel die Rücklichter des Fiat 125, während andere Coupés auch die quadratischen Doppelscheinwerfer verbauten, was beim Vignale Coupé eher unpassend wäre. Und überhaupt bediente man sich eifrig bei der Großserie, so finden sich die meisten Rücklichter, Türgriffe, Armaturen usw. bei Alfa Romeo-, Lancia- oder Fiat-Fahrzeugen wieder, eine Praxis, die selbst teuren Supersportwagen von ISO, De Tomaso oder Lamborghini nicht fremd war. Und die Türen hatte Vignale in gleicher Form für den Jensen Interceptor gebaut, da lag es nahe, sie in den Entwurf der Samantha zu integrieren. Ob die Legende stimmt, dass diese Türen ungenutzt im Werk herumlagen, kann ich nicht ganz glauben, aber auf jeden Fall hat man sich Entwicklungskosten gespart.

Zurück zur Samantha, das Coupé ist nicht häßlich, aber auch keine richtige Schönheit, es fehlt die Harmonie zwischen Front und Heck, und die Fiat-Basis führt zu einer gewissen Schmalspurigkeit und Hochbeinigkeit. Im Gegensatz zu vielen anderen präsentierten Studien auf Basis des Fiat 125 kam es bei der Samantha zumindest zu einer Kleinserienproduktion von ca. 100 Stück. Der Vertrieb war schwierig, Fiat selbst hatte kein Interesse und eine Verbindung zu einem zypriotischen Geschäftsmann namens Demetriou führte auch nur zu bescheidenen Erfolgen. Dieser wollte die Samantha in Großbritannien verkaufen und sogar dort produzieren, was nie stattfand. Immerhin druckte man Prospektblätter, in denen das Auto als "The most beautiful four-seater in the world" angepriesen wurde, Werbung halt . . .

Die Geschichte ging noch weiter, Frixos Demetriou, der ein Vermögen mit Spielbanken gemacht hatte, investierte ca. eine halbe Million Pfund in sein Autogeschäft und schaffte mehrere 100 verschiedene Vignale- und Lombardi-Fahrzeuge ins Vereinigte Königreich, die sich allerdings nur schleppend verkauften. Nach kurzfristig auftretenden Korrosionsproblemen, kein Wunder, wenn italienische Autos mit britischem Wetter konfrontiert werden, lief überhaupt nichts mehr. Um die immensen Einfuhrzölle zu umgehen, beschloss Demetriou, die restlichen Autos nach Zypern zu transportieren. Das ist letztlich der Grund dafür, dass auf der Mittelmeerinsel die eine oder andere Gamine oder Samantha auftauchte. Der arme Frixos endete übrigens tragisch in einem parkenden Vignale, als ein britischer Panzer ausser Kontrolle geriet und Auto und Fahrer plattmachte.

Preislich konnte die Samantha nicht gerade als Sonderangebot gelten, immerhin kostete sie fast das Doppelte der Fiat 125 Limousine. Die Technik war die gleiche, 1,6-Liter-DOHC-Vierzylinder mit 90 PS (als Special später auch mit 100 PS), hintere Starrachse mit Blattfedern, rundum Scheibenbremsen, für 1967 ganz ok. Dennoch bleibt Vignales Coupé ein spätes Produkt einer ganzen Branche, die viele Jahre ihr Geschäft mit individualisierten Großserienautos machte und so wohl nur in Italien lebensfähig war, bis die großen Hersteller selbst solche Lücken im Programm füllten. Fiat mit seinen eigenen Coupé- und Spider-Modellen war hierfür das Musterbeispiel.

Schön, dass AutoCult uns auch einige dieser italienischen Kleinserienprodukte anbietet. Die Samantha überzeugt durch genau wiedergegebene Form und Proportionen, die Lackierung in marrone metallic und die hellbraune Innenausstattung sind sehr zeitgemäß. Der Besitzer des in Bologna zugelassenen Coupés hat sich wohl einige Extras gegönnt, feine Beckengurte liegen auf den Vordersitzen, Talbot-Spiegel beidseits und rechteckige Nebelscheinwerfer unter der Stoßstange sind epochengerecht, hätten aber meines Erachtens nicht unbedingt sein müssen. Bei unserem Fotomuster steht das rechte der beiden Scheinwerfergehäuse auch noch etwas weit nach vorne. Ansonsten ist die Fertigungsqualität gewohnt hochwertig. Vor allem die Scheibenrahmen und die Fenstereinsätze sind perfekt verarbeitet, leider auch bei Modellen in dieser Preisklasse keine Selbstverständlichkeit. Schriftzüge, Logos und Leuchteinheiten sind extrem fein reproduziert, wie auch die Felgen und die Radkappen, lediglich die Reifen sind, wie so oft, etwas zu breit. Innen fehlt es an nichts, ein sehr hübsches Sportlenkrad und fein detaillierte Türverkleidungen sind die Höhepunkte.

Insgesamt ist AutoCults Vignale Samantha ein höchst erfreuliches Modell eines ungewöhnlichen Vorbilds, das ganz der Philosophie der noch jungen Marke entspricht. Wie gewohnt wird es nur 333 Stück des Coupés geben und der Sammler bekommt hohe Qualität für sein Geld. Mal sehen, welche Auswahl Thomas Roschmann in Zukunft aus dem unerschöpflichen Fundus an italienischen Fiat-Derivaten treffen wird. Wir sind gespannt!

Unser Besprechungsmuster kommt von Supercars in München, vielen Dank.

Fotos und Text: Rudi Seidel

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