Montag, 28. Januar 2013

Wirtschaftswunder und Massenmobilität: Der VW Käfer „Ovali“ (1955) von AutoArt in 1:18

Neu war er 1955 nicht mehr, der Volkswagen. Und „Käfer“ war sein aus seiner Form abgeleiteter Spitzname, (noch) nicht aber die offizielle Typenbezeichnung. Als erstes und lange einziges Produkt aus Wolfsburg hieß er schlicht „Der Volkswagen“. Die gesamte Entwicklungsgeschichte von der Idee eines dank Massenproduktion für jedermann erschwinglichen Automobils nach dem Vorbild des Ford T-Modells über die Entwicklung des „KdF-Wagens“ durch Ferdinand Porsche im Dritten Reich bis zur Entstehung von „Volkswagen“ im britischen Sektor von Nachkriegs-Deutschland können wir hier nicht erzählen. 1955 war in der Entwicklungsgeschichte ohnehin kein Jahr bedeutsamer Veränderungen an dem erfolgreichen Wagen. Das Brezelfenster hatte schon zwei Jahre zuvor den Mittelsteg verloren und das Heckfenster somit schon länger die Ovalform unseres Modells. 1955 war vielmehr der ursprüngliche Traum eines für Otto Normalverdiener (zum Preis von 3.790 DM) erschwinglichen und mit 7,5 l Durchschnittsverbrauch sparsamen Autos durch das Wirtschaftswunder soweit Wirklichkeit geworden, dass im August des betreffenden Jahres der einmillionste Volkswagen vom Band lief. Wenn Premiumhersteller Autoart also für einen Modellmarkt, auf dem es alle Käfervarianten schon einmal gab, ausgerechnet den 55´er Käfer wählt, dann als Denkmal für ein Automobil, das durch seine Omnipräsenz im Straßenbild zum Symbol des deutschen Wirtschaftswunders und der modernen Massenmobilität geworden ist.

Autoart bietet diesen Käfer in 5 Farben an: Schwarz, Hellbeige, Stratossilber, Polarissilber und ... Pink – originell, aber für das Adenauer-Deutschland der fünfziger Jahre undenkbar und selbstverständlich von VW damals nicht als Farbvariante angeboten. Alle anderen Farben gab es jedoch wirklich (z.T. mit leicht anderen Farbbezeichnungen). Schwarz war dabei im Straßenbild sehr selten, das Hellbeige (bis Februar 1955, danach gab´s leicht andere Beigetöne wie Nilbeige), das Herr Hämel und ich unabhängig voneinander für unsere Sammlungen bestellt haben, mit Abstand am häufigsten. Die Lackierung wirkt auf den Fotos recht matt und glanzlos, spiegelt aber direkte Lichtquellen, die Herr Hämel professionell vermieden hat, in der Vitrinenwirklichkeit auf den vielen Rundungen des Käfers sehr reizvoll. Der Unilack ist, wie bei Autoart nicht anders zu erwarten, nahezu makellos aufgetragen – nur auf der Heckklappe entdecke ich bei meinem Modell eine unschöne Nase, wo sie nicht hingehört.

„Beim [hier von Autoart dargestellten] Exportmodell unterstreichen hochglänzende, korrosionsfeste Leichtmetall- und Chromteile als Stoßstangen, Hörner und als Zierleisten in der Gürtellinie, am Trittbrett, rund um die Fenster wie auch im Innern in sparsamer Verwendung die ästhetische Note“ (Zitat aus dem VW-Prospekt von 1956). Diese Akzente sind ganz hervorragend und filigran umgesetzt und werden bei den Festern sogar durch schwarze Dichtungsgummis ergänzt, statt diese bloß zu ersetzen. Auch die verchromten Auspuffrohre sind bis fast zum Endtopf tatsächlich innen hohl – sehr überzeugend. Am anderen Ende ist das Wolfsburger Wappen über dem Griff der Fronthaube sehr detailliert in Farbe und Chrom nachgebildet. Auf die Nachbildung solcher Hersteller-Heraldik verwendet Autoart bei allen Modellen eine bemerkenswerte Sorgfalt. Auch der Außenspiegel wirkt gefährlich filigran. Dasselbe gilt für die Scheibenwischer, die beim Exportmodell beim Abschalten eigentlich anders als hier dargestellt automatisch in Tiefstellung zurückgekehrt sein müssten, aber dann könnten wir nicht so schön bewundern, dass sich die Ausführung dieser Wischer auf CMC-Niveau bewegt.

Die Scheinwerfer vermitteln hervorragend Tiefe und bilden sogar die Glühlämpchen ab. Das für unsere Verhältnisse winzige Oval zeigt mit vorbildgerechter Konturierung, wie Schlusslicht und Bremslicht im Reflektor eingebettet sind. Blinker sucht man bei unserem Modell vorbildgetreu vergebens: Was noch heute „Fahrtrichtungsanzeiger“ im Amtsdeutsch heißt, war damals kein blinkendes Lämpchen, sondern ein so genannter „Winker“ in der B-Säule. Autoart deutet dies natürlich lediglich an, die Rillen um dieses Detail sind jedoch so tief, dass man sich nicht wundern würde, wenn dieses Ärmchen tatsächlich nach oben aus der B-Säule herausklappen würde, um Abbiegen oder Spurwechsel anzukündigen. Ähnliches gilt für die Lüftungsgitter, deren keines, weder unter der ovalen Heckscheibe über dem Motor, noch die verchromten kleinen Ovale vorne, tatsächlich durchbrochen ist, die aber die Illusion sogar bei der Helligkeit der Lackierung bzw. des Chroms erfolgreich vermitteln.

Im Innenraum wurden die genannten Winker, wie wir es heute noch für die Blinker gewöhnt sind, über den einzigen Hebel am weißen Bakelit-Lenkrad bedient. Dessen Griffkonturierung ist durch die Frontscheibe sehr schön sichtbar. Auf der Lenkradnabe ist der „wappengeschmückte Signalknopf“ des Exportmodells nachgebildet, allerdings im Vergleich zum Vorbild nicht glänzend. Das korrekt hinter dem Lenkrad platzierte und mit einem Chromring eingefasste „Zentralinstrument“ ist korrekt bis 120 km/h skaliert und passend mit einem Kilometerzähler versehen, Kontrollleuchten wie die für den Winker fehlen jedoch. Ansonsten ist im in Wagenfarbe lackierten Armaturenbrett alles an seinem Platz: Handschuhkasten, Kipp-Ascher, „geschmackvolles Ziergitter“ für den Einbau eines Lautsprechers und Einbauplatz für ein Radio. Links und rechts davon sind Zugschalter bzw. Zug-Drehschalter für Scheibenwischer, Beleuchtung und Choke und das Zündschloss ziemlich grob angedeutet; das (flache) Schloss unterscheidet sich nicht vom (herausstehenden) Zugknopf. Besser nachgebildet sind Schaltung, Pedale, Handbremse, der Hebel zum Umschalten auf die 5-Liter-Spritreserve, mit dem man noch mal 70 km schaffen sollte – Tankanzeige gab´s keine – sowie die vier Auslassöffnungen und der Drehknopf zur Regulierung der Warmluft, die sogar den Passagieren des Standardmodells einen damals nicht selbstverständlichen Luxus bot. Die Sitze haben eine eigentümliche Körnung in der Oberfläche, die samtig den Bezugsstoff simuliert. Der grau beflockte Teppich ist sogar zusätzlich mit schwarzen Gummimatten belegt. Der Fahrer hat eine an den Dachhimmel geklappte Sonnenblende und an den B-Säulen finden sich die Haltschlaufen mit Kleiderhaken. Die Türen mit den Fensterkurbeln, Verriegelungsgriffen, der Andeutung einer Türtasche fahrerseits und der Armlehne beifahrerseits sowie den Zierleisten fallen hinter diesem bescheidenen Luxus für Bürger der jungen Bundesrepublik satt in ein Magnetschloss, das die Türen davon abhält, sich selbst zu öffnen.

Herzstück des Volkswagens bleibt natürlich sein luftgekühlter Boxermotor mit dem unverwechselbaren Käferblubbersound. "Luft friert nicht, Luft kocht nicht über": Otto Normalverbraucher war es eine heimliche Genugtuung, dass sein Käfer dank Luftkühlung auf der Fahrt nach Bella Italia an viel teureren Autos vorbei, die reihenweise mit kochendem Kühlwasser liegenblieben, munter die Alpenpässe erklomm oder im Winter einfach losfuhr, womit Volkswagen natürlich auch gern Werbung machte. 30 PS leistete das Motörchen und erzeugte Beschleunigungswerte, mit denen man im heutigen Straßenverkehr ein schlimmeres Verkehrshindernis wäre als ein Traktor, auf die man aber damals stolz war. „Hohes Beschleunigungsvermögen!“ hieß es im Verkaufsprospekt: „Aus dem Stillstand heraus ist der VW schon in 7 sec auf 50 km/h, in 17 sec auf 75 km/h und hat nach 22 sec 80 km/h überschritten“. Die heute übliche Frage nach der Beschleunigung von 0 auf 100 wäre mit ca. 45 Sekunden zu beantworten, wurde aber damals gar nicht gestellt. Mit 110 km/h dauerhaft fahrbarer Höchstgeschwindigkeit konnte der VW für damalige Verkehrsverhältnisse als „absolut autobahnfest“ beworben werden. Die Nachbildung dieses Motors unter der Haube unseres Buckelporsche geht in Ordnung, wird aber detailversessenen Fans von Antriebsaggregaten und Schraubern sicher zu grob erscheinen, die Kabel, Leitungen und Keilriemen zu klobig, die Plastikgrate an Aggregaten zu unschön, die Anordnung nicht hundertprozentig. Kein CMC-Niveau hier, aber alles da.
Ein Blick unter die bucklige Fronthaube, die ein heute selbstverständliches Sichtfeld vor den Wagen ermöglichte, lohnt da schon eher: Ganz vorn das entnehmbare Ersatzrad, dem natürlich die herrlich nachgebildete Chromradkappe mit VW-Emblem fehlt, dafür aber zeigt, wie die Superballonreifen auf ihrer Stahlfelge mit 5 Radmuttern befestigt wurde; darunter die Kabel zu den Scheinwerfern; ganz hinten Platz für einen Koffer, den man nicht durch den Innenraum hinter die Rückbank wuchten wollte; und mittendrin über der Vorderachse der 40-Liter-Benzintank, zu dessen Betankung man die Fronthaube öffnen musste. Bei einem Verbrauch von 7,5 Litern auf 100 km versprach VW aber, dass man „von Hamburg bis Heidelberg ohne Tankstopp“ kommt, so dass wir die Haube wieder schließen können.

Alles in allem also ein sehr gelungenes Modell der Mobilitätsikone, dessen Detaillierung nostalgische Erinnerungen bei jenen zu wecken vermag, die sich für ihren Beitrag zum Aufstieg der BRD zu einer reisefreudigen Wohlstandsgesellschaft mit diesem Auto belohnen konnten, und ein würdiges Denkmal für das exportgetriebene bundesdeutsche Wirtschaftswunder und Massenmobilität made in Germany.

Fotos: Georg Hämel
Text: Karsten Weiß

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