Montag, 30. Mai 2022

Unglaubliche Vielfalt hervorragend präsentiert - Historische Spielzeugautos aus Österreich von Marco Annau

Unser südliches Nachbarland hat durchaus eine illustre Automobilgeschichte aufzuweisen.Vor allem in früheren Zeiten gehörten Marken wie Gräf & Stift, Austro Daimler oder Steyr zur Spitzenklasse in Europa, um nur einige zu nennen. Fragt man allerdings selbst Fachleute über Spielzeugautos aus Österreich, dürften die Antworten spärlich ausfallen. Gut, die Militärmodelle von ROCO waren auch bei uns bekannt, und im Prospekt sah man immer noch einige Plastikautos, die wie billige Plagiate von Siku, Märklin oder Corgi Toys aussahen. Ansonsten dürfte man eher in fragende Gesichter schauen.

Der Autor des jetzt vorliegenden Buchs zu diesem Thema erhielt als Achtjähriger ein kleines Plastikauto mit Blechboden mit der Beschriftung „IGRI – Made in Austria“, irgendwann begann er, Nachforschungen anzustellen, auf Flohmärkten und in Antiquitätengeschäften zu stöbern und so eine Sammlung aufzubauen. Über 40 Jahre später entstand der Wunsch, diese einzigartige Kollektion zu dokumentieren und auf diese Weise anderen Interessierten nahezubringen. Mit dem Verlag Brüder Hollinek fand Marco Annau jemanden, der an das Projekt glaubte und so kann der Leser jetzt an der Vielfalt österreichischer Spielzeugautos teilhaben.

Beginnt man, in Annaus Buch zu blättern, begibt man sich in ein Spielzeugwunderland. So produzierte die Reifenfirma Semperit in den 30er Jahren fünf verschiedene Modellautos aus Hartgummi, neben einem LKW, einer Feuerwehr und einem Rennwagen kann man einen Gräf & Stift sowie einen Steyr 220 erkennen. Kurios ist das Geschenk an die Besucherinnen des Balls der Stadt Wien 1907 (!), eine kleine Miniatur der Lohner-Porsche Feuerspritze als Parfum-Spender. Über Nachbildungen von Bussen und Trambahnen aus Metall oder Holz kommen wir zu den genannten IGRI-Autos, kleine Plastikmodelle mit Blechboden und teils Aufziehwerken, oft nach amerikanischen Vorbildern aus den 40er Jahren. Auch das Patent des Trolleybusses im Modell stammt aus Österreich, der Wiener Erfinder Karl Kreibich entwickelte die Technik, verkaufte sie aber später für damals 1.000 Schilling an die italienische Firma Rivarossi, nachdem der von ihm angebotene Minobus in der Nachkriegszeit kein Verkaufserfolg wurde. Die Vielzahl an Blechmodellen, Tretautos, Traktoren usw., die der Autor angesammelt hat, ist fast unglaublich. Ein ganz besonderes Gebiet sind meist kleine Miniaturen aus Holz, teils auch als Zubehör für die Modelleisenbahnen oder Lohner-Roller, sozusagen die österreichische Vespa, als Glücksbringer aus Blei gegossen. Modelleisenbahn-Spezialisten sagt sicherlich die Marke Kleinbahn etwas, auch dort produzierte man kleine Plastikautos. Eine große Rolle spielen die Beigaben zu Lebensmitteln wie zum Korona Ersatzkaffee, solche Groschenautos waren in Deutschland in den 50ern ebenfalls üblich. Der Autor zeigt dabei nicht nur österreichische Produkte, sondern auch im Ausland gefertigte für heimische Marken. Aus welcher Fabrik allerdings die H0-Modelle kamen, bleibt offen, neben einem Borgward 2400 Fließheck fallen zwei Steyr-Fiat-Modelle besonders auf, ein 1100 und ein 1400.

Mein absoluter Liebling ist ein Puch 500 von der Grazer Firma GOWI, ein recht detailliertes Plastikmodell im ungefähren Maßstab 1:20 und eine echte Rarität. Genauso schön ist ein VW Käfer, den sich die Wiener VW-Vertretung Liewers produzieren ließ. Kurios auch das Puch Moped, auf dem der damals durch die Zeitschrift Hör zu bekannt gewordene Igel Mecki in verschiedenen Varianten sitzt. Eine große Auswahl an „Zuckerlautos“, die genannten Produkte der Firma Roco, die auch in Deutschland vertriebenen Baufahrzeuge der Firma UMEX und vieles andere vervollständigen dieses Buch, besonders fiel mir noch ein Puch Haflinger als Plastikmodell auf, der als Basis für Packungen von Süßwaren, Ostereiern oder Sandformen diente, oder Formel 1-Renner der 60er Jahre als Werbemittel für die ÖVP, die österreichische Volkspartei.

Abgesehen davon, dass dieses Buch absolut professionell produziert wurde, macht das Blättern und Lesen darin einfach einen Riesenspaß! Text, Layout, Bildwiedergabe und Druck sind einwandfrei, der Preis ist für solch ein Nischenprodukt sehr fair. Wer sich für antikes Spielzeug interessiert, kommt an diesem Buch nicht vorbei.

Es lohnt sich übrigens, einen Blick auf die Seite des Verlags Brüder Hollinek zu werfen, man findet diverse sehr interessante Bücher zum Thema Automobilgeschichte, unter anderem eine Biographie des Autokonstrukteurs und Initiators des BMW 700, Wolfgang Denzel, ein Buch über den Colani GT, oder ein Werk über die Semperit- und Donau-Rallye. Deren Qualität kann ich allerdings nicht beurteilen, weil ich leider bisher keinen dieser Titel gelesen habe.

Autor: Marco Annau, Verlag Brüder Hollinek, 204 Seiten, ca. 450 Abbildungen, ISBN 978-3-85119-389-3, 38,- € + Versand, Bestellung über hollinek.at

Fotos und Rezension: Rudi Seidel

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