Mittwoch, 8. Oktober 2014
Grandiose Geschichte - „bb - Rainer Buchmann - Innovation Design Emotion“ von Gerold Lingnau bei Heel
Rainer Buchmann und seine Tuningfirma bb wurden 1976 mit einem Paukenschlag bekannt: Der Porsche turbo targa mit den Polaroid-Farbstreifen zierte die Titelseiten der Motormagazine. Der bekannte Journalist Dr. Gerold Lingnau hat die schillernde Geschichte der Marke und ihres Gründers nacherzählt und ein sehr unterhaltsames Werk geschaffen.
Schon die Anfänge der Autokarriere Rainer Buchmanns verliefen ungewöhnlich. Über Käfer und Karmann kam er schnell weiter und bewies Geschick bei An- und Verkauf, so dass es zu immer besseren Fahrzeugen reichte. Bald versorgte er Freunde und Bekannte mit Autos, man schraubte zur „Freude“ von Eltern und Nachbarn auf dem Hof herum, und dadurch verdiente der Student Buchmann soviel Geld, dass er zum Porsche-Fahrer wurde. 1970 führte ein schwerer Unfall mit einem Kundenporsche zu einer längeren Krankengeschichte und 50.000,- DM Schmerzensgeld, das war der Auslöser zum Abbruch des Studiums und zur Gründung von bb. Im Hinterhof der Firma sammelten sich regelmäßig die tollsten Porsche, Mercedes und andere Edelfahrzeuge. Und dann kam der turbo targa: Porsche hatte dieses Modell nicht im Angebot, also baute sich Buchmann einen. Durch die Polaroid-Aktion bei der photokina 1976, sogar der damalige Bundespräsident Scheel nahm im bunten turbo targa Platz, wurde bb bekannt. Und dann ging es Schlag auf Schlag. Die Fertigstellung des CW 311, eines Projekts des bei Porsche beschäftigten Ingenieurs Eberhard Schulz mit Mercedes-Komponenten, brachte große Publicity, vor allem, weil Daimler Benz sogar die Verwendung des Sterns erlaubte. Aus dieser Sache ergab sich kurioserweise die Zusammenarbeit mit BMW für die Motorradstudie Futuro. Mit dem Chemie- und Pharmakonzern sowie Pigmenthersteller Merck wurden VW-Golf-Farbstudien entwickelt, Porsche 928 targa und Cabrio, VW Polo Vogue oder Mercedes Magic Top waren weitere Höhepunkte von bb. Aber Buchmann war immer auch für technische Innovationen gut: Elektronische Displays statt Instrumente, Multifunktionslenkräder, Fernbedienungen fürs Auto, Einparkhilfe mit Sensoren, alles Dinge, die bb lange vor der Serieneinführung der Autohersteller anbot. Ab und zu wurden für Kunden auch eher geschmacklose Umbauten durchgeführt, der Mercedes 600 mit „angeklebten“, freistehenden Kotflügeln gehörte sicherlich dazu, aber wer zahlt, schafft an . . .
Und im Vermarkten seiner Ideen und Produkte war Rainer Buchmann ein absoluter Profi: Events mit prominenten Gästen, Schauplätze wie die Champs Elysées, Fotoserien im Playboy oder bb-Autos als Filmstars in „Car Napping“ gehörten ebenso dazu wie spektakuläre Auftritte bei den Autosalons in Genf oder Frankfurt, die verteilten Pressemappen waren ebenfalls sehr aufwendig gestaltet, wie der Rezensent aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Mit Sponsoren wie Standox, Blaupunkt, Merck und anderen ließ es sich auch gut leben.
Mitte der 80er Jahre wurde es dann eng. Der Verfall des Dollars schränkte den Kundenkreis aus den USA und dem Nahen Osten ein und die erhoffte Zusammenarbeit mit VW im Bereich der innovativen Technik scheiterte am Widerstand der VW-Entwickler. Und so musste bb am 28. Februar 1986 Konkurs anmelden, der gleichzeitig stattfindende Genfer Salon sah den letzten Stand von bb.
Das Buch endet mit der Präsentation einiger heute noch in Liebhaberhand befindlicher bb-Kreationen und dem kleinen Neuanfang mit Hilfe eines alten Freundes aus Frankfurt. daraus entstand der bb moonracer, ein turbo targa im alten Stil des Polaroid-Porsche. So schließt sich der Kreis um einen der innovativsten Köpfe der Fahrzeugveredlung.
Man muss dieses Buch gelesen haben, die vielen Geschichten und Anekdoten versetzen in die Zeit der 70er und 80er, sind von Gerold Lingnau amüsant, aber auch fachlich kompetent beschrieben. Mag sein, dass die allgemeine Sicht sehr positiv ist, das Scheitern von bb wird nur kurz abgehandelt, und was Rainer Buchmann danach gemacht hat, bleibt im Dunklen, aber trotzdem überwiegt die Freude an den Texten. Das Layout und die Fotowiedergabe sind sehr gelungen, schön auch, dass wohl noch einige Fotos aus dem Privatarchiv von Rainer Buchmann vorhanden sind. Die Bilder von der Hinterhofwerkstatt mit Porsches, MB 600 usw. machen Spass, auch Originaldokumente wie der Brief des damaligen DB-Pressechefs Molter bezüglich des Sterns auf dem CW 311 sind spannend. Trotz des Preises von 39,90 Euro ein absolut empfehlenswertes Buch, wenn man sich für die Zeit der Veredler interessiert, deren Spitzenklasse bb damals verkörperte.
„bb - Rainer Buchmann - Innovation Design Emotion“ von Gerold Lingnau ist beim Heel Verlag erschienen, 208 Seiten, ca. 350 farbige und s/w-Abbildungen, ISBN 978-3-86852-938-8, 39,90 Euro.
Rezension: Rudi Seidel