Donnerstag, 21. Mai 2009
Zu dicke Lippe : Aston Martin V8 Coupé und Volante von Minichamps, 1:43
Aston Martin hatte erfolgreiche Jahre hinter sich. Gesamtsieg in Le Mans, weltweite Berühmtheit durch den Einsatz des DB5 in Filmen über einen britischen Agenten, recht ordentliche Verkaufszahlen - David Brown, der Inhaber der kleinen Manufaktur in Newport Pagnell, konnte zufrieden sein, Aber der Glanz begann langsam zu verblassen, Ende der sechziger Jahre war unübersehbar, dass die Produkte des Hauses technisch wie optisch nicht mehr "up-to-date" waren. Erneuerung tat not und Brown wollte Aston Martin nun auf ein neues, höheres Niveau von Leistung und Komfort bringen.
Dafür musste ein neuer Motor her, der den zuverlässigen, aber veralteten Reihensechszylinder ablösen sollte. Ein leistungsstarker, großvolumiger V8 sollte es sein und Aston Martins Motoreningenieur Tadek Marek konzipierte das neue Triebwerk für die kommende Generation der Aston Martin Sportcoupés. Leider zog sich die Entwicklung recht lange hin, so dass 1967 der neue DBS zunächst ohne den V8 vorgestellt wurde. Die von William Towns entworfene Karosserie gab die Linie für die nächsten Jahre vor, elegante Linien für ein superbes GT-Coupé mit höchstem Komfortanspruch. Leider war der alte Sechszylinder mit dem neuen Auto völlig überfordert, so dass die Fahrleistungen recht unbefriedigend ausfielen. Dies änderte sich erst 1970, als endlich der neue V8 zur Verfügung stand und der DBS nun auch die Leistungen bot, die man erwartet hatte. Zur Zeit seiner Vorstellung war der DBS V8 einer der schnellsten Seriensportwagen weltweit.
Leider war Aston Martin für David Brown in der Zwischenzeit zu einem Verlustgeschäft geworden, das auch der neue V8 nicht auffangen konnte. So verkaufte er die Firma 1972 an das Konsortium Company Developments, das direkt den Nachfolger des DBS V8 vorstellen konnte: den Aston Martin V8. Die äußeren Änderungen für das neue Auto fielen relativ dezent aus, in erster Linie war die Frontpartie komplett neu gezeichnet worden. Anstatt des Grilles über die gesamte Breite mit vier integrierten Scheinwerfern gab es nun einen schmaleren Grill und nur zwei Frontleuchten, die vertieft angeordnet waren. Mit diesem Design hatte William Towns die Basis für das Auto geschaffen, das nun für 17 Jahre das Fahrzeugprogramm von Aston Martin prägen sollte. Doch 1974 war zunächst wieder Schluss. Company Developments hatte sich finanziell übernommen, das Unternehmen war zahlungsunfähig.
Neue Geldgeber übernahmen Aston Martin 1975 und 1976 wurde die Produktion des V8 wieder aufgenommen. Neben der Vorstellung des radikalen Lagonda nahmen sich die neuen Besitzer auch den V8 vor und ließen ihn umfangreich überarbeiten. Das Ergebnis präsentierte man im Oktober 1978 auf der Birmingham Motor Show, in den Augen vieler Aston Martin-Enthusiasten die schönste Variante des V8. Im selben Jahr zeigte man auch erstmals die offene Version des V8, den Volante, der sich schnell zu einem großen Erfolg entwickeln sollte.
Als Modellauto waren die Aston Martin V8 bislang entweder als teure Kleinserienmodelle z.B. von SMTS oder als Resineminiaturen von Spark mit unbefriedigenden Proportionen zu bekommen. Minichamps versprach 2008 diese Lücke zu füllen und nach dem letztjährigen DBS hat man nun auch den V8 endlich als Diecast-Modell sowohl als Coupé als auch in offener Volante-Form in den Handel gebracht. Leider hat man aber die Gelegenheit verpasst, den ultimativen Aston Martin V8 in 1:43 auf die Räder zu stellen.
Schon bei den Messemustern in Nürnberg kam uns die Karosserieform irgendwie komisch vor und dieser Eindruck bleibt auch bei den ausgelieferten Serienmodellen bestehen. Irgendetwas stimmt nicht, aber was? Das Studium von Vorbildfotos bringt zunächst einmal zu Tage, dass Minichamps sich beim Coupé für die erwähnte Variante ab 1978 entschieden hat - den sogenannten "Oscar India" (= phonetisches Alphabet für "OI", das Kürzel für "October introduction"). Dies lässt sich leicht an der ansteigenden Karosserielinie am Heck erkennen, das eindeutige Merkmal der "Oscar India"-Variante. Die grundsätzliche Linie wirkt denn auch recht stimmig - daran kann das merkwürdige Bild also nicht liegen, Die stimmige Linie hat auch der Volante, den die Minichamps-Entwickler ebenso genau getroffen haben.
Im Vergleich mit Orginalfotos wird dann schnell klar, wo das Problem liegt: Die Frontstoßstange beider Modelle entspricht nicht den Vorbildern. Viel zu massiv ist dieses Detail ausgefallen und führt zu seltsamen Proportionen, da die Frontpartie viel zu lang wirkt. Was auch immer Minichamps hier gemacht hat - mit den Vorbildern hat es leider nur entfernt zu tun. Für neue Farbvarianten ist an die Adresse der Minichamps-Entwickler folgender Aufruf zu richten: Bitte, überarbeitet dieses Detail! Es ist jammerschade, dass zwei ansonsten gelungene Modelle durch diesen unnötigen Lapsus so entstellt werden - und wenn man schon dabei ist, kann man beim Coupé auch gleich den Chrombügel vor dem Kühlergrill entfernen. Ein solches Teil gab es zwar als Zubehör, aber nur die wenigsten Besitzer haben es verbaut (und das aus gutem Grund!). Stattdessen könnte man die sehr oft verbauten Nebelscheinwerfer vor dem Grill platzieren. Oh, und die US-typischen seitlichen Positionsleuchten am Heck kann man für diese Modelle in nicht-US-Spezifikation auch weglassen.
Abgesehen vom Stoßfänger-Problem hat man sehr gute Arbeit geleistet. Die Details stimmen, auch hier hat Minichamps die Scheibenrahmen verchromt, was dem edlen Erscheinungsbild der Modelle sehr gut tut. Sehr schön ist auch, dass man für beide Modelle sehr passende Farben gewählt hat. Englische Sportwagen mal nicht im ewigen "racing green" - prima! Die GKN-Alufelgen sind filigran nachgebildet und ausgezeichnet getroffen, sollten aber bei den von Minichamps angegebenen Vorbildbaujahren (1987) nicht an den Modellen zu finden sein, denn seit 1983 verbaute man standardmäßig BBS-Felgen im Kreuzspeichendesign.
Das Interieur des V8 bildet Minichamps sehr detailiert und aufwändig nach. Drucke und Decals imitieren die Holzauflagen an Armaturenbrett und Türen sowie die Instrumentierung. Man beachte auch die exakte Nachbildung der Mittelkosole inklusive Schalthebel und Radio. Beim Volante liegt das Interieur glücklicherweise ja gnadenlos offen und kann damit genau betrachtet und beurteilt werden. Durch die großen Fensterflächen kann aber auch das in Beigetönen gehaltene Interieur des Coupés gut gewürdigt werden, das sehr hervorragend zum edlen Erscheinungsbild des großen Coupés passt.
Zusammenfassend kann also gesagt werden: Grundsätzlich zwei gute Modelle, die aber durch einen völlig unverständlichen Detailfehler unnötig gehandicapt daherkommen. Da nuss nachgebessert werden, liebe Aachener! So wirken die Modelle seltsam unvollendet.
Unsere Fotomuster wurden uns freundlicherweise von Menzels Lokschuppen zur Verfügung gestellt. Wir bedanken uns herzlichst für die Unterstützung!
Text und Fotos: Georg Hämel