Sonntag, 27. Oktober 2024
Überraschend aufs Siegerpodest - Ferrari 275 GTB/C Le Mans 1965 von Tecnomodel, 1:43
Vom 1964 auf dem Pariser Autosalon präsentierten Ferrari 275 GTB wurde eine Rennversion abgeleitet, die als 275 GTB/C bzw. 275 GTB Competizione bezeichnet wurde. Durch dünnere Alubleche und Rahmenrohre sowie Plexiglasscheiben sparte man Gewicht. Der Motor wurde auf 290 PS gebracht und mit einer Trockensumpfschmierung versehen. Lediglich eine kleine zweistellige Zahl dieser Autos wurde gefertigt, von außen erkennt man sie an zusätzlichen Lüftungsschlitzen hinter der Hinterachse.
Dann gab es aber noch drei ganz spezielle 275 GTB/C, die mit einer stark modifizierten Karosserie gebaut wurden. Die Schnauze erinnerte stark an den Vorgänger 250 GTO, während das Heck wesentlich höher gezogen war als beim Serienmodell. Allerdings konzentrierte man sich in Maranello auf die Prototypen sowie den kleinen Dino, bei den GT's hielt man sich in der Saison 1965 zurück. Zwei der Fahrzeuge wurden nie in Rennen eingesetzt, während die Fahrgestellnummer 6885 sowohl bei der Targa Florio als auch am Nürburgring startete, allerdings in der Prototypenklasse. Eine Homologation wurde abgelehnt, da die Abweichungen zum Serienfahrzeug zu groß waren. Für Le Mans bot die FIA einen Kompromiss an: Wenn man statt der 870 kg Gewicht mit 980 kg antreten würde, könnte man in der GT-Klasse starten (Das Serienauto wog übrigens 1100 kg!). So wurde 6885GT gelb lackiert und von der belgischen Ecurie Francorchamps in der Sarthe an den Start gebracht.
Das Rennen 1965 war einer der ersten Höhepunkte der Ford-Ferrari-Wars. Die Amis kamen erstmals mit zwei ihrer 7-Liter-Monster an den Start, dazu noch vier GT 40. Ferrari setzte fünf Prototypen und fünf 275 LM dagegen. Bei den großen GT's bekam es der einzige Ferrari 275 GTB/C mit fünf Cobra Daytona zu tun. Am Ende kamen von der Armada nur ein Cobra Daytona und ein Ferrari Prototyp unter ferner liefen ins Ziel, und natürlich die drei privaten Ferraris, die den Dreifachsieg sicherten. Hinter den beiden LM vom North American Racing Team und P. Dumay schaffte es der einzige Ferrari GT tatsächlich aufs Siegerpodest und gewann seine Klasse. Die beiden Belgier Willy Mairesse und Jean Blaton (Beurlys) fuhren ein kluges Rennen und arbeiteten sich stetig nach vorne, natürlich profitierten sie von der hohen Ausfallquote. Langsam waren sie nicht gerade unterwegs, über 24 Stunden muss man einen Schnitt von über 190 km/h erst einmal schaffen. Bis auf Überhitzungsprobleme, die man mit einer brutalen Designmodifikation durch ein großes Loch in der Schnauze löste, lief der Ferrari problemlos.
Nach diesem Erfolg kam 6885GT zurück nach Maranello und wurde nach einer Überholung und Lackierung in Rot an Luigi Chinetti verkauft, der das Auto in den USA und bei den Nassau Speedweeks an den Start brachte. Nach dem Ende seiner Rennkarriere landete der 275 GTB/C bei Harley Cluxton und schließlich bei Preston Henn. Inzwischen wurde er wieder in seinen Le Mans-Zustand von 1965 versetzt und taucht bei hochkarätigen Veranstaltungen auf.
Von Tecnomodel sind bereits drei Varianten erschienen beziehungsweise angekündigt, neben dem roten Auto von den 1.000 km Nürburgring und einem späteren, ebenfalls roten Modell unter NART-Bewerbung eben der Drittplatzierte von Le Mans 1965, in meinen Augen die interessanteste Version. Natürlich ist der Ferrari noch ohne Loch in der Frontpartie nachgebildet, eine Finish Line-Variante wäre vielleicht reizvoll. Die Grundform ist meiner Meinung nach gut getroffen, die gelbe Lackierung ist perfekt aufgebracht und die Verarbeitung ist im Großen und Ganzen gut, wobei die an sich sehr feinen Scheibeneinsätze nicht überall völlig präzise sitzen. Die Scheibenrahmen sind übrigens aufgedruckt, was aber passabel aussieht. Die Räder gefallen mir eigentlich gut, feine Speichen, Scheibenbremsen dahinter und korrekte Zentralverschlüsse links und rechts sind erfreulich. Allerdings waren beim Original an der Vorderachse Competizione-Räder von Borrani montiert, deren äußere Speichen fast am Felgenhorn enden, das hat man bei Tecnomodel übersehen. Viele Details findet man an der Karosserie, Türgriffe, Startnummernbeleuchtungen, Tankdeckel oder Scheinwerfer mit Abdeckungen. Im Cockpit ist, soweit man es sehen kann, alles gut reproduziert. Ganz fehlerfrei ist aber auch dieses Modell nicht, leider neigt der Hersteller zu überflüssigen Ungenauigkeiten: Es fehlt das Ferrari-Logo auf der Schnauze, die Rahmen der Scheinwerferabdeckungen müssten natürlich Ösen für die Befestigung haben, der „Ecurie Francorchamps“-Schriftzug auf den vorderen Kotflügeln sitzt zu weit oben, die Scheibenwischer sind nicht ganz vorbildgerecht, das Schriftbild der Startnummern ist zu fein. Eigentlich schade, denn ansonsten ist der Ferrari 275 GTB/C von Tecnomodel ein recht attraktives Modell. Die lediglich 155 gefertigten Exemplare dürften trotz der erwähnten Fehler schnell vom Markt verschwunden sein.
Fotos und Text: Rudi Seidel