Montag, 27. Mai 2024
Dekorative Renner aus der Frühzeit des Automobils - Fiat 801 Corsa und 802 Gran Premio von Officina 942, 1:43
Alessandro Sannia aus Turin ist ursprünglich als Automobilhistoriker und Buchautor bekannt geworden, sein Schwerpunkt liegt schon immer auf Fiat sowie italienischen Sonderkarosserien. Vor ein paar Jahren kam ihm die Idee, von seinen bevorzugten Objekten Modellautos zu fertigen, so entstand die Marke Officina 942, die inzwischen bereits eine große Anzahl von Miniaturen im Maßstab 1:76 anbietet, allesamt in einer einfachen Machart, die an Spielzeug aus den 30er bis 50er Jahre erinnern soll. Da Alessandro nie die Ideen ausgehen, zeigt er jetzt die ersten Modellautos in 1:43, dafür hat er sich zwei Rennwagen aus den 20er Jahren ausgesucht, wen wundert es, dass die Vorbilder wieder von Fiat aus Turin kommen.
Fiat war bereits in der Frühzeit des Automobils an Rennen interessiert und holte einige Erfolge, meist mit extrem großvolumigen Vierzylinder-Triebwerken von zehn bis 18 Litern Hubraum. Ein geplanter Einsatz beim 500-Meilen-Rennen von Indianapolis wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhindert. Das Indy-Projekt hatte man noch nicht aufgegeben, da das Reglement aber inzwischen den Hubraum auf drei Liter begrenzt hatte, sollte der junge Ingenieur Giulio Cesare Cappa ein völlig neues Triebwerk namens 401 konstruieren. Es blieb bei vier Zylindern, ansonsten wurden aber modernste Merkmale verwendet: Doppelzündung, desmodromische Steuerung der vier Ventile pro Zylinder über obenliegende Nockenwellen. So entwickelte der Dreiliter-Motor 112 PS bei 4.000 Umdrehungen/Minute. Das Fahrwerk war zeitgemäß primitiv mit zwei Starrachsen und vier Trommelbremsen, die Karosserie war ursprünglich mit einem aerodynamischen Spitzheck versehen. Nachdem der Trip in die USA gecancelt wurde, suchte man nach Einsatzmöglichkeiten und fand sie in der Heimat. Dazu wurde der Fiat 801 allerdings mit einem neuen Heck mit einem querstehenden, zylinderförmigen Tank sowie Platz für Ersatzräder versehen, um gegen die Eventualitäten der Straßenrennen besser gewappnet zu sein. Auch vordere Kotflügel wurden bei dieser als „Corsa“ bezeichneten Variante manchmal montiert. Nach zwei Einsätzen im Jahre 1921, unter anderem bei der Targa Florio, endete die Karriere des 801 ohne nennenswerten Erfolg.
Statt einer Weiterentwicklung des komplizierten 401-Motors entschied man sich für einen radikalen Neuanfang mit einem Achtzylinder-Triebwerk namens 402, ebenfalls mit obenliegenden Nockenwellen, aber nur zwei Ventilen und einer Zündkerze pro Zylinder. Mit 120 PS war er nicht viel stärker, und da für 1922 der Hubraum bei den Grand-Prix-Rennen auf zwei Liter gesenkt wurde, konnte der Rennwagen mit der Bezeichnung 802 nur beim Großen Preis von Italien im September 1921 starten, wo Louis Wagner Dritter wurde, während die Kollegen Bordino und Sivocci ausfielen. Eben dieser Bordino ließ einen der 802 nach Amerika schaffen und bestritt dort einige Veranstaltungen, während ein anderer mit Corsa-Karosserie unter Biagio Nazzaro bei der Targa Florio ausfiel und beim Rennen Parma-Poggio di Berceto immerhin an zweiter Stelle durchs Ziel ging. Zählbare Erfolge erzielte Fiat erst mit den weiteren Rennwagentypen, aber 1927 kam das abrupte Ende, die Firmenleitung traf den Entschluss, zugunsten der Serienautos auf den Motorsport zu verzichten.
In der sogenannten „Serie Rossa“ sind bei Officina 942 soeben zwei Fiat-Rennwagen aus den frühen 1920er Jahren erschienen, der 801 Corsa und der 802 Gran Premio. Natürlich sind das keine Modelle nach heutiger Machart, sondern sie sollen den Geist der Spielzeugautos der Vorkriegszeit wiedergeben. Aus lackiertem Metall, mit drehbaren Rädern mit Gummireifen und einigen nicht sehr filigranen Details haben diese Renner durchaus ihren Reiz. Dazu kommt eine nostalgisch anmutende Verpackung sowie ein kleines, sehr fundiertes Booklet mit historischen Anmerkungen und Fotos, leider nur in Italienisch. Viele Interessenten würden sicherlich gerne eine Fassung in Englisch bekommen.
Wie auch die Vorbilder haben beide Modelle das gleiche Chassis, statt Speichenrädern setzt Officina 942 auf aus Metall gedrehte Scheibenräder mit weißen, profillosen Reifen. Die Modelle selbst sind ebenfalls aus Metall mit einer nicht zu glatten, roten Lackierung und Kühlern in Messing mit schwarzen Kunststoffeinsätzen. Im Cockpit findet man lediglich ein sehr grobes Lenkrad und schwarz lackierte Sitze. Der Handbremshebel ist außen montiert, beim 801 kommt noch der Auspuff als einzelnes Bauteil dazu. Wie gesagt, darf man nicht unsere sonstigen Maßstäbe anlegen, aber die übrigens komplett in Italien hergestellten Miniaturen von Officina 942 haben ihren eigenen Charme und strahlen durch ihr Gewicht und ihre robuste Machart eine gewisse Wertigkeit aus.
Der Preis pro Modell beträgt 38,- Euro, Bezugsquellen sind z.B. Officina 942 selbst oder Carmodel in Italien.
Fotos und Text: Rudi Seidel