
Montag, 9. Oktober 2023
Der Porsche, der ein Jaguar und (fast) ein Mazda war - Porsche WSC-95 Spyder Test Daytona 1995 von Spark, 1:43
Es gibt Modellautos, die werden erst richtig interessant, wenn man sich mit der Geschichte des Vorbilds beschäftigt. Dazu gehört sicherlich der Porsche WSC-95 Spyder in seiner Daytona-Testversion, der kürzlich von Spark Models in 1:43 produziert wurde.
Es begann bereits 1989, aber nicht bei Porsche, sondern bei Jaguar, als der später in der Formel 1 berühmt gewordene Ross Brawn an einem Konzept für ein Auto nach dem ab 1991 gültigen Reglement für die WM der Sportprototypen arbeitete. Im Gegensatz zu den damals aktuellen Fahrzeugen mit Turbo- oder großvolumigen Triebwerken wollten die Verantwortlichen eine Wechselwirkung mit der Formel 1 erzielen, also wurden 3,5-Liter-Saugmotoren bevorzugt. Sie mussten kein Verbrauchslimit einhalten und die Autos durften 200 kg leichter sein. So entstand der Jaguar XJR-14 mit dem aus der Formel 1 bekannten Ford-Cosworth V8, mit dem sich die Truppe von „Major Tom“ Walkinshaw den Weltmeistertitel 1991 sicherte. Aber das war nur Teil 1 einer verrückten Geschichte.
Nachdem Jaguar sich, wie auch Mercedes, von der Sportwagen-WM verabschiedet hatte und gleichzeitig der 1991 in Le Mans erfolgreiche Wankelmotor für 1992 nicht mehr zugelassen war, suchte Mazda nach einem geeigneten Auto und fand es eben im XJR-14. Es entstanden für die Japaner allerdings neue Chassis, statt des Ford-V8 baute man einen Judd-V10 ein, und schon war der Mazda MXR-01 geboren. In der Sarthe sprang immerhin ein vierter Platz für den Jaguar/Mazda-Zwitter heraus, in der Teamwertung der WM gelang Rang 3 hinter Peugeot und Toyota. Nach dem Saisonende zog sich auch Mazda zurück.
Es dauerte bis Oktober 1994, als Porsche von den IMSA-Verantwortlichen erfuhr, dass auch Fahrzeuge mit Turbomotoren bei den Langstreckenklassikern in Daytona und Sebring teilnehmen durften. Unter größtem Zeitdruck beschloss man, einen neuen Rennwagen nach dem WSC-Reglement zu bauen. Dazu ergab sich eine Zusammenarbeit mit der amerikanischen TWR-Filiale in Indiana, die auf der Grundlage eines „alten“ Jaguar XJR-14-Chassis einen Spyder schuf, der mit einem Porsche-Sechszylinder-Boxer mit Doppelturbos motorisiert wurde, welcher im Prinzip aus dem 962 stammte. Man plante, mit zwei Autos in Daytona, Sebring und Le Mans anzutreten, dazu fanden bereits im Dezember 1994 erste Testfahrten in Charlotte/North Carolina statt. Beim Daytona-Vortest im Januar 1995 mit Bob Wollek und Mario Andretti stellte man fest, dass der neue Spyder noch zu langsam und schwer zu beherrschen war. Als dann die IMSA kalte Füße bekam und kurzfristig kleinere Restriktoren und mehr Gewicht für die Doppelturbo-Renner forderte, zog der Porsche-Vorstand das ganze Programm zurück und so blieb der WSC-95 vorerst ohne Renneinsatz und wurde bei Porsche eingemottet. Grund der Reglementsänderung war vor allem der Verdacht, dass der WSC-95 bewusst langsam unterwegs gewesen wäre, man glaubte nicht, dass es wirklich einen nicht konkurrenzfähigen Rennwagen aus Stuttgart geben könnte.
Damit war die Geschichte aber noch lange nicht zu Ende: Im Dezember 1995 überzeugte Reinhold Joest den neuen Motorsportchef von Porsche, Herbert Ampferer, dass ein Einsatz in Le Mans erfolgreich sein könnte. Porsche selbst war natürlich mit seinem GT-1-Projekt beschäftigt, fand aber genug Zeit, Joest etwas unter die Arme zu greifen, vor allem, was die Aerodynamik betraf. Wie es weiterging, dürfte hinlänglich bekannt sein, Joest Racing holte mit dem selben Auto 1996 und 1997 zwei Gesamtsiege bei den 24 Stunden von Le Mans. Und 1998 durften die beiden Spyder sogar noch einmal mitmachen, diesmal als offizielle Werkswagen unter der Bezeichnung Porsche LMP1-98. Trotz neuer Triebwerke und optimierter Karosserie blieben beide Renner glücklos und sahen das Ziel nicht. Bleibt eine kuriose Geschichte eines Chassis, das über sieben Jahre unter drei Markennamen an Rennen teilnahm und immerhin zwei Siege in Le Mans feiern durfte. Wer die Story noch ausführlicher lesen will (auf Englisch), dem sei die Website Stuttcars empfohlen. Ein Buch über den Porsche WSC95-01 gibt es auch, zum Beispiel beim Racingwebshop. Ich warte noch auf mein Exemplar.
Wie gesagt, entstanden die beiden WSC-95 Ende des Jahres in den USA. Alwin Springer als Boss von Porsche Motorsport North America sowie Tony Dowe, der General Manager von TWR in Indiana und Norbert Singer in Weissach waren die führenden Köpfe des Projekts. Insgesamt war wesentlich mehr zu tun, als man anfangs annahm. TWR sollte das Chassis liefern, Porsche den Antrieb und die Hinterachse sowie die offene Karosserie. Hauptproblem war das Getriebe, an dem ursprünglich die hintere Aufhängung angelenkt war. Das ursprüngliche Jaguar-Getriebe passte nicht zum Porsche-Triebwerk, das wiederum nicht mittragend war und keine Anlenkpunkte für die Aufhängung besaß. Letztlich ließ man neue Gehäuse gießen, die mit Porsche-Innereien bestückt wurden. Auch mussten neue Antriebswellen produziert werden. Nachdem alle Probleme gelöst waren, ging es zum Testen nach Charlotte, wo sich die Porsches als ziemlich unfahrbar erwiesen. Der Wechsel vom beim Jaguar vorhandenen Ground Effect zum vorgeschriebenen flachen Unterboden erwies sich als großes Problem. Die Zeit wurde zu knapp, deshalb gab es beim Vortest in Daytona keine Verbesserung. Der Porsche war instabil und 2 Sekunden pro Runde langsamer als die Konkurrenz, allen voran der Ferrari 333SP, so sehr sich Mario Andretti auch anstrengte. Als dann noch die vorher erwähnte Reglementsänderung kam, hatte man bei Porsche genug und zog die Nennungen zurück. Interessanterweise fuhr ein Kremer CK8 Spyder in Daytona zum Sieg, der technisch eigentlich ein alter 962 ohne Dach war! Und die Geschichte des WSC-95 ging dann weiter, wie oben beschrieben.
Erfreulich, dass man bei Spark immer wieder solche Testcars reproduziert, die in dieser Form nie an den Start gingen. Das Modell entspricht der üblichen (China)-Qualität, ist also perfekt lackiert und montiert. An der Front fallen die Karbonteile und die feinen Zusatzflügelchen links und rechts auf, die Scheinwerfer sind abgedeckt. Das Cockpit mit detailliertem Armaturenbrett und schönen Gurten erfreuen das Auge wie auch die feinen Kleinteile wie Tankverschlüsse, Notschalter und Heckflügelhalterungen. Die Räder sind gut, unter dem Heck sieht man das Getriebegehäuse. Die Beklebung ist vorbildgerecht dezent, die Porsche-Schriftzüge an den Flanken und auf der Fronthaube müssten meiner Ansicht zumindest bei der Startnummer 35 Blau sein, nicht Schwarz. Ansonsten alles perfekt, dieser Porsche WSC-95 ist wirklich eine interessante Ergänzung der Porsche-Sammlung wie auch ein wichtiger Teil der Reihe Jaguar – Mazda – Porsche – Joest, die man von Spark zusammenstellen kann, was heute allerdings besonders beim Jaguar ein teurer Spaß ist.
Porsche WSC-95 Tests Daytona 1995, Spark, Bestellnummer S9986, Auslieferung September 2023, keine Limitierung, Made in China.
Unser Fotomuster kommt von Supercars in München, vielen Dank für die Unterstützung.
Fotos und Text: Rudi Seidel