Mittwoch, 17. Mai 2023

Straßenfloh in Monte Carlo - Vignale Fiat 500 Gamine Rallye Méditerranée 1969 von Spark, 1:43

Zu den kuriosesten Teilnehmern einer internationalen Rallye gehört sicherlich die auf dem Fiat 500 basierende Vignale Gamine. Das Spark-Modell bietet den Anlass, sich mit dem kleinen Retro-“Sportwagen“ näher zu befassen.

Der 1913 geborene Alfredo Vignale gründete 1946 in Turin eine kleine Carrozzeria und machte sich aufgrund seines Könnens und seiner präzisen Arbeitsweise schnell einen Namen. Bald ergab sich eine enge Zusammenarbeit mit dem talentierten Designer Giovanni Michelotti, gemeinsam schufen die beiden grandiose Creationen auf Fahrgestellen aller italienischen Marken von Fiat bis Ferrari. Dazu kam die Produktion kompletter Fahrzeuge, allerdings wurde Mitte der 60er die Luft für Kleinserien und Sonderkarosserien dünner, einerseits fehlten die Basisautos, andererseits versorgte Fiat mit eigenen Coupés wie 850 und 124 den Markt für individuelle, sportliche Modelle. So blieb Vignale nur noch wenig Luft zum Atmen.

Da es zu dieser Zeit einen kleinen, durch den Excalibur von Brooks Stevens ausgelösten Boom für Autos im Retro-Look gab, folgte Alfredo Vignale Vorbildern wie dem Alfa Romeo Quattroruote GS Zagato oder dem Siata Spring, allerdings noch eine Nummer kleiner. Auf Basis des Fiat 500F entstand ein winziger Spider, der Anleihen beim Fiat Balilla von 1934 nahm. Virginio Viario, damals Chefdesigner bei Vignale, war für die Form verantwortlich. Natürlich war die nur rund drei Meter lange und mit Heckmotor versehene Gamine (= französisch für Göre) eher eine Karikatur des Vorkriegsautos, wie sich Alfredo Zanellato Vignale, der Neffe des Firmengründers, erinnert, war man vom Erfolg selbst nicht besonders überzeugt. Die Premiere fand am Pariser Salon im Herbst 1967 statt, später gab es auch noch ein passendes Hardtop. In Italien fand man kaum Interessenten für einen offenen Zweisitzer mit gerade einmal 18 PS, lediglich an der Côte d'Azur lief der Verkauf befriedigend, Monsieur Geminiani, der Besitzer der Firma GAM in Monte Carlo, rührte dafür die Werbetrommel. Durch seine Beziehungen wurde eine Gamine sogar als Pace Car beim Großen Preis in Monaco 1969 eingesetzt, man stelle sich heute Bernd Mayländer mit einem solchen Gefährt vor! Der Rallye-Einsatz, von dem noch die Rede sein wird, wurde natürlich auch von GAM gesponsert. Für die Firma Vignale war das Ende absehbar, als GAM in Konkurs ging, blieben Zahlungen für einige Autos aus. Alfredo Vignale verkaufte 1969 90 % der Firmenanteile an Alejandro De Tomaso, der dort die Produktion der Pantera installierte. Der Patron selbst starb im gleichen Jahr bei einem bis heute ungeklärten Autounfall.

Eine besondere Geschichte gibt es noch aus Deutschland zu erzählen: Der Otto Versand Hamburg startete 1968 mit dem Post Shop, der mit einem poppig gehaltenen Extrakatalog die Jugend ansprechen wollte. Und darin wurde neben diversen motorisierten Zweirädern auch die Vignale Gamine für 3.980,- DM angeboten, das waren nur rund 500,- DM mehr als für einen Fiat 500. Der Erfolg dürfte sehr übersichtlich ausgefallen sein, da die Fiat-Händler, die den Service hätten übernehmen sollen, wohl nicht gerade kooperativ waren.

Aber zurück zum Rallyeeinsatz: Da die Rallye Monte Carlo 1969 zur Europameisterschaft zählte, waren Fahrzeuge der Gruppe 4 nicht startberechtigt. Um dies zu umgehen, schufen die Veranstalter mit der Rallye Méditerrranée eine zweite Rallye, die gleichzeitig und auf den gleichen Strecken stattfand sowie sogar Prototypen den Start ermöglichte. Die Meldungen hielten sich in Grenzen, neben zwei Lancia Fulvia Coupés, zwei Renault Alpine, einem Saab 96 V4 und drei Matra 530 füllte GAM das Feld mit fünf speziellen Fiat-Derivaten auf. Neben einem Fiat 124 Eveline von Vignale, zwei Lombardi 850 Grand Prix sowie einem Moretti-Fiat 850 trat eben die Vignale-Fiat 500 Gamine an. Pilotiert wurde der Straßenfloh von den Monegassen René-Francois Dulbecco und Yves Le Graverend, wie alle anderen GAM-Bewerber sahen auch die beiden das Ziel nicht. Immerhin verfügte man wohl über etwas mehr Leistung als die 18 PS der Serie, ein Giannini-Logo und ein Schriftzug des gleichen Tuners am Heck deutet darauf hin, dort gab es bis zu 35 PS, allerdings nach SAE-Norm. Sieger der Méditerranée wurden übrigens Harry Kallström und Gunnar Häggbom auf Lancia, von den 13 Startern kamen nur drei ins Ziel. So blieb diese Rallye eine Eintagsfliege.

Die Vorbildauswahl von Spark ist für Überraschungen gut, immerhin hatte man schon vor Jahren eine Straßenversion der kleinen Gamine produziert. Für die Rallye-Variante war allerdings viel zusätzlicher Aufwand nötig, das hat man sehr gut gelöst. Das seitlich offene Hardtop sitzt präzise wie auch die Scheinwerferbatterie und die Schmutzfänger an der Hinterachse. Auf die Sportfelgen sind grob profilierte, etwas zu breite Reifen aufgezogen. Scheibenwischer, Fensterrahmen und Haubensicherungen sind feine Ätzteile, Lackierung und Decals sauber verarbeitet und originalgetreu. Das Cockpit ist vorbildgerecht spartanisch, schön das feine Lenkrad und die Andeutung eines Tripmasters am Armaturenbrett. Die kleine Gamine ist eine putzige und kuriose Bereicherung für die Rallye-Sammlung. Die auf den Fotos fehlende vordere rechte Haubensicherung fand sich übrigens in der Box und wurde schon wieder befestigt. Genau genommen ist die Sockelbeschriftung von Spark falsch, dort steht "Rallye Monte Carlo" statt Rallye Méditerranée, aber wen stört es wirklich?

Vignale Fiat 500 Gamine Rallye Méditerranée 1969, Spark, Bestellnummer S5648, Auslieferung April 2023, keine Limitierung, Made in Madagascar.

Unser Fotomuster kommt von Supercars in München, vielen Dank für die Unterstützung.

Fotos und Text: Rudi Seidel

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