Sonntag, 6. Februar 2022

US-Design und deutsche Handwerkskunst - Cadillac "Die Valkyrie" Brooks Stevens/Spohn von Brausi, 1:43

Mit dem neuen Label Brausi realisiert Autopioneer-Gründer Thorsten Sabrautzky sozusagen etwas volkstümlicher gepreiste Modelle, die in 200er Serien in China gefertigt werden. Natürlich wählt er ebenfalls ganz exotische Vorbilder, um sie in 1:43 realisieren zu lassen.

Der von dem amerikanischen Designer Brooks Stevens entworfene und bei der Firma Spohn in Ravensburg verwirklichte „Die Valkyrie“ ist das zweite Modell von Brausi, man zeigt damit, welches Niveau man anstrebt. Es gibt sicherlich einfachere Vorbilder als dieses Design. Betrachten wir erst einmal die Entstehungsgeschichte dieses spektakulären Autos:

Brooks Stevens gehörte zu den großen amerikanischen Produktdesignern seiner Zeit, berühmt wurde er unter anderem durch das Logo der Brauerei Miller, den Evinrude Lark Außenbordmotor oder das Oscar Meyer Wienermobile, ein Werbefahrzeug mit einem überdimensionalen Hot Dog als Aufbau. Später arbeitete er unter anderem für Studebaker und erfand mit dem Excalibur, der dem Mercedes SSK nachempfunden war, gewissermaßen die Replica alter Autos mit moderner Technik. Nachdem er in den frühen 50ern bereits einige Einzelstücke für Freunde designt hatte, konfrontierte ihn sein französischer PR-Berater Guy Storr mit der Idee, ein Luxusauto mit amerikanischer Technik für Europa zu entwerfen. Als Geldgeber für das Projekt fand sich der US-Immobilientycoon Irwin Metzenbaum, der gleich von einer Kleinserie von 100 Stück träumte. Wie man an ein Chassis von Cadillac kam, ist nicht überliefert, möglicherweise stand man dort dem Projekt interessiert gegenüber. Jedenfalls diente ein 55' Series 60 mit 338 cm Radstand als Basis, als Antrieb fungierte der OHV-V8 mit 5425 ccm Hubraum, zwei Vierfachvergasern und rund 270 SAE-PS, die über eine Viergang-Hydra-Matic-Automatik auf die Hinterräder übertragen wurden.

Der große, leistungsfähige V8 inspirierte Stevens zur auffälligen Frontgestaltung seines Entwurfs. Ansonsten wirkten natürlich die schiere Länge und die extravagante Zweifarbenlackierung beeindruckend, wie auch die teilweise massiven Chromverzierungen. Der Ganzstahlaufbau wurde in Ravensburg am Bodensee von der renommierten Firma Herrmann Spohn OHG gefertigt. Dort hatte man sich vor dem Zweiten Weltkrieg hauptsächlich mit Karosserien für Maybach-Fahrzeuge einen hervorragenden Ruf erworben, nach 1945 lief das Geschäft allerdings nur noch mühsam und man hielt sich mit teils sehr hässlichen Umbauten alter US-Autos für die Soldaten der Besatzungsmacht über Wasser. So kam der Auftrag aus den USA gerade recht, hatte man ja auch die Hoffnung auf eine größere Stückzahl. Die Spohn-Mitarbeiter leisteten hervorragende Arbeit sowohl in der Verwirklichung des sehr ambitionierten Entwurfs, aber auch in der Qualität der Karosserie. Das viersitzige Auto wurde mit einem abnehmbaren Hardtop und einem zusätzlichen Notverdeck ausgestattet, während Armaturenbrett und Lenkrad von einem 53' Cadillac unverändert übernommen wurden, verwendete man für die Sitze Komponenten vom Mercedes-Benz 300. Designelemente wie die glatte Motorhaube fast auf der gleichen Höhe wie die Kotflügel oder die senkrechten Rücklichter fand man später an einigen Serienfahrzeugen wieder.

Eines der fertiggestellten Autos wurde dann zum Pariser Autosalon transportiert, der am 7. Oktober 1954 eröffnet wurde. Dort erregte der Cadillac „Die Valkyrie“, wie das Auto inzwischen bezeichnet wurde, soviel Aufsehen, dass sogar der damalige französische Präsident Coty es sich vorführen ließ. Nachdem der Salon beendet war, ging das Ausstellungsfahrzeug auf die Schiffsreise in die USA, wo auch das zweite gebaute Exemplar landete. Die Angabe mancher Quellen von sechs produzierten „Die Valkyrie“ erscheint mir falsch. Ebenso komme ich aufgrund meiner Recherchen zu der Ansicht, dass in Paris das zweite Fahrzeug, welches sich Stand 2018 in der Sammlung eines gewissen Leonard McGrady befand, ausgestellt wurde. Dieses hatte eine Motorhaube mit zwei Reihen Lüftungsschlitzen und war mit Speichenrädern des Cadillac Eldorado bestückt. In dem 2017 vom französischen Automobilhistoriker Fabien Sabatès herausgegebenen Buch „Les Automobiles au Salon de Paris“ finden sich Originalaufnahmen vom Stand, die eindeutig dieses Auto zeigen. Man sieht auch, dass das Armaturenbrett des Ausstellungsstücks anders aussah als das des Vorbilds unseres Modells, ebenso waren die Ledersitze zweifarbig Schwarz/Weiß, wie man auf einem Foto in der Motor Revue Winterausgabe 1954 erkennen kann. Demnach wäre das Auto, das später in den Besitz von Brooks Stevens überging, nicht das in Paris gezeigte. Ob der Designer das Auto kaufte oder von seinem Geldgeber Metzenbaum als Lohn für seine Arbeit bekam, bleibt offen. Sicher ist hingegen, dass die meisten der 37.000 Meilen auf dem Tacho von Stevens' Frau Alice zurückgelegt wurden. Nach dem Tod seines Schöpfers war der Cadillac eines der Ausstellungsstücke im Brooks Stevens Museum in Wisconsin. Im Jahre 1997 erwarb Joe Bortz, ein Sammler von GM Motorama Studien und Showcars aus den 50ern, das Auto und erhielt es im Originalzustand. Im September 2017 wurde es auf einer Auktion versteigert, anschließend aber von Hyman, einem renommierten Händler, für 395.000 $ angeboten und 2018 an einen bisher unbekannten Käufer verkauft.

Die Miniatur von Brausi sieht genauso extravagant und imposant aus wie ihr Vorbild. Über 13 cm Länge ist schon ein Gardemaß für einen PKW in 1:43 und mit der verchromten Schaufelschnauze, der ewig langen Motorhaube und der raffinierten Zweifarbenlackierung sowie den weiteren Chromelementen macht der Cadillac Die Valkyrie schon etwas her. Der kuriose Name leitet sich übrigens von der Wagner-Oper „Die Walküre“ ab, die ja zum Ring der Nibelungen gehört. Die Gesamtform ist sehr gut getroffen, das Frontensemble mit massivem Chrom, feinen Lüftungsgittern und dem V8-Logo beeindruckend, die Qualität der Fertigung und der Lackierung einwandfrei. Die Scheiben mit feinen fotogeätzten Rahmen zeugen davon, dass der Produzent viel Erfahrung mit der oftmals problematischen Verarbeitung dieser Elemente hat, allerdings dürfte unten innerhalb der Windschutzscheibe kein weiß lackierter Streifen zur Armaturentafel hin vorhanden sein. Das Interieur ist gut reproduziert, vor allem die sehr speziellen Türinnenverkleidungen wurden beachtet. Auffällig auch die Schriftzüge mit dem Namen des Autos auf den Türen sowie die Wappen seitlich an den Rückleuchten und auf den Radzierkappen. Diese wirken allerdings etwas plump, was vielleicht an der dicken Chromschicht liegt, dafür gibt es schöne Weißwandreifen, deren Querschnitt etwas höher sein dürfte. In der Seitenansicht fallen mir dann drei Fehler auf, erstens müsste die Zierleiste profiliert sein und am Türspalt unterbrochen werden, zweitens geht beim Original das Schwarz am Schweller gerundet in die Chromzierleiste über und drittens fehlt zwischen Hinterrad und Heck eine feine, horizontale Sicke. Beim Modell zeigen die Endrohre der Auspuffanlage nach unten, sollten aber, wie es zu dieser Zeit beliebt war, in den Ecken der Stoßstange münden.

Wenn man ganz genau hinschaut, fallen einige Ungenauigkeiten auf, dennoch gefällt mir der Cadillac Die Valkyrie gut, in der Vitrine hat man auf jeden Fall ein sehr ausgefallenes Beispiel der Kombination aus US-Design und deutscher Handwerkskunst. Preislich bewegt sich das Brausi-Modell mit 99,95 € auf dem Niveau anderer Resineproduzenten, für die gebotene Qualität und die 200er Auflage ein akzeptabler Preis. Und vielleicht schaut man bei der Entwicklung und Endabnahme der nächsten Modelle noch genauer hin, der Sammler kann sich schon auf zwei weitere Miniaturen von Brausi freuen, den Opel Super 6 Dörr & Schreck, ein Stromlinienfahrzeug von 1938, sowie einen weiteren besonderen Cadillac, den Elegant Special 1955 vom italienischen Karosserieschneider Motto.

Bestellen kann man das Modell bei Autopioneer, solange der Vorrat reicht.

Fotos und Text: Rudi Seidel

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