Freitag, 21. Mai 2021

Der DDR-Silberpfeil - EMW R3/55 von Autocult, 1:43

Auch in der sowjetischen Besatzungszone, der späteren DDR, gab es Enthusiasten, die mit viel Improvisationstalent Rennautos bauten und einsetzten. Mit staatlicher Unterstützung entstand 1950 unter eher dubiosen Umständen das DAMW (Deutsches Amt für Material- und Warenprüfung)-Rennkollektiv, wo Formel 2-Rennwagen auf Basis des BMW 328 entstanden. Aus organisatorischen Gründen wurde das Kollektiv 1953 von den Eisenacher Motorenwerken EMW übernommen, dort stellte man schnell fest, dass der Großteil des Materials unbrauchbar war und auch die geeigneten Mitarbeiter fehlten. So blieb nur die Neuentwicklung eines 1,5-Liter-Rennsportwagens, um den West-Boliden von Porsche, Borgward, Maserati und OSCA Paroli zu bieten. Das neue Triebwerk hatte nur noch die gleiche Zylinderzahl wie der 328-Motor, war aber mit zwei obenliegenden Nockenwellen und V-förmig angeordneten Ventilen modern konstruiert. Das Experiment mit sechs Motorradvergasern aus DDR-Fertigung wurde schnell aufgegeben, man nutzte bald drei Weber-Doppelvergaser, obwohl man grundsätzlich versuchte, ohne Material des Klassenfeindes auszukommen. Ein neues Chassis mit Einzelradaufhängung vorne und De Dion-Achse hinten sorgte für gute Fahreigenschaften, eine Zweikreis-Trommelbremsanlage für ausreichende Verzögerung, die Speichenräder wurden mit 5,00-16 vorne und 5,50-16 hinten bereift. Auffallend war die sehr schöne, stromlinienförmige Aluminiumkarosserie mit verkleideten Vorder- und Hinterrädern. Nach einer durchwachsenen Saison 1954 und erfolgreichen Weltrekordfahrten baute man für 1955 neue, in vielen Details verbesserte Autos, vor allem mit optimierten Bremsen. Die Motorleistung konnte man auf zuverlässige 135 PS für 530 Kg Gesamtgewicht steigern, so feierten die beiden Spitzenfahrer Edgar Barth und Arthur Rosenhammer einige Erfolge, vor allem den prestigeträchtigen Sieg über Porsche beim Eifelrennen am Nürburgring im Mai 1955 im Sportwagenlauf bis 1.500 ccm. Beim an gleicher Stelle ausgetragenen 500-Km-Rennen Ende August konnte Porsche zwar zurückschlagen, Richard von Frankenberg lag vor den EMW, musste sich aber hinter Jean Behra auf einem Maserati 150 S mit dem zweiten Platz begnügen. Auch beim Berliner Avus-Rennen im September zeigten die EMW hervorragende Leistungen, leider verhinderte ein kleiner Defekt den Sieg von Edgar Barth und von Frankenberg blieb auf dem Porsche Spyder knapp vorne. Bei den vier DDR-Meisterschaftsläufen in Dessau, Leipzig, Halle und auf dem Sachsenring waren Siege für die EMW selbstverständlich, allerdings wurde wegen zu kleiner Starterfelder kein Meister ausgerufen.

Für 1956 bekam das Team einen neuen Namen, EMW wurde durch AWE (= Automobilwerk Eisenach) ersetzt. Ansonsten änderte sich nicht viel, stetige Weiterentwicklung der Fahrzeuge und Einsätze bei DDR-Rennen, aber auch im Ausland wurden mit den bewährten Fahrern Barth und Rosenhammer sowie den Nachwuchstalenten Paul Thiel und Egon Binner Erfolge eingefahren. Sowohl beim Grand Prix von Paris als auch bei den 1.000 Km am Nürburgring und auf der Avus erreichten die AWE sehr gute Platzierungen, wenn auch Siege ausblieben. Leider war 1956 die letzte Saison für das Rennkollektiv, mehrere Gründe sprachen gegen eine Fortsetzung der Einsätze, unter anderem die Kosten, die Bindung von qualifizierten Ingenieuren, der fehlende Bezug zur Serienfertigung, die ja nur aus Zweitaktern bestand. Edgar Barth wechselte daraufhin nach Westdeutschland und wurde Werksfahrer bei Porsche.

Mit einem Modell des EMW R3/55 macht Autocult sicher vielen Sammlern große Freude, dieser sehr schnittige Rennsportwagen hat schon lange eine Reproduktion verdient. Die Form ist hervorragend getroffen und kommt durch die makellose, seidenmatt glänzende Alu-Oberfläche gut zur Geltung. Die wenigen notwendigen Details wurden beachtet, wie die an der rechten Seite herausragenden Auspuffrohre, das feine Gitter im Kühllufteinlass und vor allem das sehr schöne Cockpit. Von den Speichenrädern sieht man natürlich nicht viel, die Reifen sind vorne und hinten gleich breit, aber nicht überdimensioniert. Die Cockpitverglasung ist fein ausgeführt, die blauen Streifen auf den Kotflügeln sowie die Startnummern sind Decals , die bei unserem Fotomuster sauber platziert sind.

Welches historische Vorbild hat Autocult ausgewählt? Die Farbmarkierungen trugen die AWE nur 1956, die Startnummer 26 war oft für Edgar Barth vergeben, so auch beim 1.000 Km-Rennen am Nürburgring. Dort fuhr man allerdings ohne hintere Radabdeckungen, um schnellere Reifenwechsel an der Antriebsachse zu ermöglichen. Autocult postet auf seiner Facebookseite ein Foto und bezeichnet es als Dessau 1955. Bis auf die Startnummern, die voll schwarz sind, wäre dort das Vorbild unseres Modells zu finden. Meiner Meinung nach sollte das Bild aber vom letzten Einsatz des R3/55 im Jahre 1956 stammen. Mein Tipp lautet also: Edgar Barth, Sieger in Dessau 1956 mit der #26, dann wären nur die Nummern falsch, die sehen aus wie beim Museumsauto in Eisenach. Weitere Hinweise werden gerne entgegengenommen!

Die Freude am gelungenen Modell überwiegt für mich die Unsicherheit über die historische Korrektheit. Für eine Reproduktion des Museumsautos aus Eisenach ist die Oberfläche zu wenig poliert, für den Dessau-Sieger passen die Startnummern nicht. Am interessantesten wäre sicherlich ein Modell von den 1.000 Km Nürburgring gewesen, aber sei es, wie es sei, Autocults EMW bzw. AWE R3/55 ist ein schönes Modellauto. Wie üblich gibt es 333 Exemplare, der Preis liegt bei rund 90 Euro, ich denke, dass der interessierte Sammler nicht zu lange warten sollte.

Unser Fotomuster kommt von Supercars in München, vielen Dank für die Unterstützung.

Fotos: Rudi Seidel, Text: Rudi Seidel

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