Donnerstag, 8. April 2021

Do it yourself - Bosley Mark I GT 1955 von Autocult, 1:43

Meine erste Begegnung mit dem Bosley war ein vor rund 20 Jahren erschienener Artikel im englischen Magazin Classic & Sports Cars. Schon damals fand ich sowohl das Auto als auch die Geschichte seiner Entstehung faszinierend. Um so größer ist die Freude, jetzt von Autocult ein Modell in 1:43 zu besitzen.

Richard W. Bosley wurde 1928 in Menton/Ohio geboren, wo er nach seinem High School-Abschluss mangels Alternativen im Gartenbaubetrieb des Vaters arbeitete. Sein natürliches Talent für Design konnte er damals nur mit dem Bau von Modellflugzeugen ausleben, aber als er eine Ausgabe von Road & Track in die Finger bekam und Fotos von italienischen Sportwagen sah, entstand der Wunsch, ihnen nachzueifern. Sein erster Trip nach Sebring im Jahre 1952, wo er den Ferrari-Importeur Luigi Chinetti mit der neuesten Kreation aus Maranello bewundern konnte, löste den Startschuss aus, Er las einige Artikel in Road & Track über „Sports Car Design“ und los ging's. Bosley baute einen Stahlrohrrahmen, die Vorderachse kam von einem 50er Ford, die Hinterachse von einem 48er Mercury, allerdings modifizierte er sie nach dem Muster des Jaguar C-Type. Das Triebwerk kam von Chrysler, deren Hemi-V8 war damals Stand der Dinge, dazu kam eine Vier-Vergaser-Anlage und eine spezielle Zündung. Das Trumm wog allerdings 450 kg, leistete aber auch gesunde 220 PS. Der Hemi wurde als Frontmittelmotor eingebaut, das Getriebe von Borg Warner war ursprünglich für LKWs konstruiert und wies einen langen fünften Gang auf. Die hydraulische Kupplung stammte ebenfalls aus dem LKW-Regal, diesmal von White. Die Trommelbremsen kamen von Lincoln. Eigentlich unglaublich, dass ein Autodidakt zu solchen Arbeiten in der Lage war, Bosley lernte erst beim Aufbau des GT das Schweißen und weitere Formen der Metallbearbeitung. Mit Hilfe von Katalogen und zahlreichen Besuchen von Schrottplätzen kamen langsam alle benötigten Teile zusammen. Da sein Schöpfer mit dem Fahrzeug weite Strecken, zum Beispiel nach Florida, ohne Stopp zurücklegen wollte, montierte er einen Tank mit 55 Gallonen (rund 208 Liter!) Volumen. Inwieweit durch dieses Gewicht die Fahreigenschaften beeinflusst wurden, wäre interessant zu wissen.

Die Karosserieform, die Bosley vorschwebte, hätte wohl außerhalb Italiens kein Mensch in Blech fertigen können. Aber inzwischen gab es ja bereits erste Gehversuche mit Kunststoffaufbauten, die er aus dem Flugzeugbau kannte. Mit Hilfe eines Spezialisten, der später auch die ersten Corvette-Karosserien verantwortete, Ohne jegliche Pläne oder Modelle schuf Bosley eine Urform, über die die endgültige Karosserie laminiert wurde. Die Windschutzscheibe kam von Ford, der Rest wurde aus Plexiglas geformt. Die Seitenfenster ließen sich herausnehmen, da Kurbelfenster nicht praktikabel waren. Die Liebe zum Detail zeigen speziell angefertigte Skalen für Tacho und Drehzahlmesser, die eigentlich aus einem Ford Polizeiwagen stammten. Das Lenkrad stammte von Nardi, Schalensitze und sogar Schwellerleisten mit Bosley-Logo ergänzten das sportliche Cockpit. Das selbst entworfene Logo stellte eine Reminiszenz an Touring dar, hier lautete es eben „Carrozzeria Bosley“ und das Wappentier war ein Pelikan, der von Bosleys Familie mütterlicherseits stammte. Die Halibrand-Räder waren in den USA Standard für Rennwagen.

Richard Bosley benötigte zweieinhalb Jahre und 9.000 $ zur Erfüllung seines Traums, dafür hätte er auch einen Ferrari haben können. Wenn man sich vorstellt, dass der GT größtenteils in einer einfachen Garage entstand, muss man sich über das Ergebnis noch mehr wundern. Natürlich sind italienische Einflüsse spürbar, aber die Form des Coupés ist eigenständig und faszinierend, in meinen Augen weckt sie Assoziationen zu einem sprungbereiten Raubtier. Die Alltagstauglichkeit war wohl gegeben, immerhin legte sein Erbauer 100.000 Meilen zurück, bevor er sein Coupé im Tausch gegen eine Corvette SR-2 an Dick Doane, einen Rennfahrer und GM-Händler gab. Aus diesem Fahrzeug entstand Bosleys zweites Auto, der Mk 2 bzw. Interstate, aber das ist wieder eine neue Geschichte, die ich aufgreife, falls Autocult auch davon ein Modell produziert.

Der Bosley Mark I ging dann durch mehrere Hände, bis der kalifornische Sammler Ron Kellog ihn aufspürte und nach zehn Jahren kaufen konnte. Nach einer Komplettrestaurierung holte das Coupé diverse Preise bei Concours d'Elegance unter anderem in Pebble Beach, inzwischen steht es im Petersen Automotive Museum in Los Angeles als leuchtendes Beispiel eines frühen All American Sportscar, der leider ein Einzelstück blieb.

Wer mehr über Richard W. Bosley, seine Projekte und sein Leben wissen will, dem empfehle ich Imagine auf der Seite americancoachbuilder.com, ein kleines Büchlein im pdf-Format mit unglaublichen Bildern vom Bau der Autos, aber auch von Rennfotos, die Bosley bei diversen Besuchen selbst aufgenommen hat.

Vor lauter Geschichten hätte ich fast das Modell vergessen, das hat es aber absolut nicht verdient. Selbst als kritischer Betrachter bin ich von Autocults Interpretation restlos begeistert. Grundform, Details, Fertigungsqualität, bei dem kleinen Bosley stimmt alles. Bewundernswert, wie schön die Scheiben eingepasst sind, die Räder sind maßstabsgerecht und nicht zu breit, der einzelne Zusatzscheinwerfer hinter dem feinen Kühlergitter fehlt nicht und auch die Bosley-Logos sind perfekt nachgebildet. Wie es kommt, dass vom Coupé Originalfotos mit zwei verschiedenen Kennzeichen existieren, ist unklar, aber sowohl die RR 4905 als auch die RR 4321, die der Bosley heute noch trägt, entsprechen dem Vorbild. Großes Lob an das Team von Autocult, sowohl die Vorbildauswahl als auch die Realisierung des Modells sind allererste Klasse!

Unser Fotomuster kommt von Supercars in München, vielen Dank für die Unterstützung.

Fotos und Text: Rudi Seidel

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