Sonntag, 15. November 2020

Letzte Chance genutzt - Mercedes-Benz 300 SLR Targa Florio 1955 von Spark, 1:43

Nach zwei Jahren Unterbrechung kehrte Mercedes-Benz zu den großen Sportwagenrennen zurück. Eigentlich hätte man bereits 1953 mit einer Weiterentwicklung des im Vorjahr überaus erfolgreichen 300 SL antreten wollen, dieses Projekt wurde aber vor allem wegen des großen Aufwands für die Teilnahme an der Formel 1 ad acta gelegt. Gleichwohl sah man die Möglichkeit, parallel einen siegfähigen Rennsportwagen zu entwickeln und damit war der 300 SLR (bzw. W 196-S in Anlehnung an den Formel 1) geboren.

Technisch waren beide Autos verwandt, aber nicht identisch. Für den Sportwagen konnte man den Hubraum auf 3 Liter vergrößern, bei der Formel 1 galten ja 2.500 ccm als Limit. Es blieb beim aus zwei Vierzylinderblöcken bestehenden Achtzylinder-Reihenmotor mit Mittelabtrieb und desmodromischer Ventilsteuerung, dem man für den Einsatz auf der Langstrecke noch einiges an Weiterentwicklung mitgab. So wurde die Zündfolge geändert und durch ein zusätzliches Rad in der Zahnradkaskade die gleiche Drehrichtung der Nockenwellen ermöglicht, was den Verschleiß verminderte und die Leistungscharakteristik verbesserte. Mit rund 300 PS war genügend Leistung vorhanden und für die Standfestigkeit sprach, dass es während der ganzen Saison keinen Motorschaden gab. Der Verbrauch lag übrigens bei rund 28 Liter / 100 km, der Tankinhalt je nach Einsatz 200 bis 260 Liter! Das Fahrwerk ähnelte ebenfalls dem Grand Prix-Renner, allerdings musste ein neuer Rahmen konstruiert werden, um den FIA-Bestimmungen für Innenraum, Türen und Sitzen zu genügen. Im Gegensatz zum großen Konkurrenten Jaguar setzte man noch Trommelbremsen ein, die prinzipiell unterlegen waren. Deshalb behalf man sich für schnelle Strecken wie Le Mans mit einer sogenannten Luftbremse, einem hydraulisch ausfahrbaren Blech hinter dem Cockpit.

Mercedes stieg erst im dritten Lauf in die Sportwagen-WM ein, die Läufe in Argentinien und Sebring kamen zu früh und passten nicht in den hauseigenen Terminkalender. Es folgte der Triumph von Moss/Jenkinson bei der Mille Miglia und die Tragödie von Le Mans. Durch die Absage der 1.000 km am Nürburgring sowie der Carrera Panamericana blieben nur noch die britische Tourist Trophy sowie die Targa Florio auf Sizilien übrig. Auf den Landstraßen des nordirischen Dundrod Circuit besetzten die drei angetretenen 300 SLR das komplette Siegerpodest, wieder war Stirling Moss Erster, diesmal gemeinsam mit John Fitch. Die Ausgangslage vor der Targa sah folgendermaßen aus: Mercedes musste gewinnen und Ferrari durfte nicht Zweiter werden. Aufgrund dieser Tatsache konnte Alfred Neubauer, der berühmte und beleibte Rennleiter der Stuttgarter, die Geschäftsführung von einem Einsatz überzeugen, es blieben ihm allerdings nur noch wenige Wochen Zeit für die Organisation und die Zusammenstellung der Teams. Mit Moss/Collins, Fangio/Kling und Titterington/Fitch fanden sich illustre Piloten, der ursprünglich vorgesehene Hans Herrmann musste leider absagen.

Das Rennen verlief zuerst nicht gut für die Deutschen, nachdem Stirling Moss seinen in Führung liegenden 300 SLR von der Straße warf und nur mit Mühe und der Unterstützung einiger Zuschauer wieder auf die Piste brachte, erstaunlich, wie fair sich die Sizilianer verhalten haben! Nach einigen Reparaturen übernahm der Neuling Peter Collins, der vorher noch nie einen Mercedes-Rennwagen gefahren hatte, und peitschte das Auto wieder in die Führungsposition, die die beiden nicht mehr abgaben. Die Entscheidung fiel letztlich, als der bisher Zweitplatzierte Eugenio Castelotti mit seinem Ferrari einen Reifenschaden erlitt und von Fangio überholt wurde, Damit war die WM zugunsten der Stuttgarter entschieden. Der 300 SLR bewies wieder seine Robustheit, wenn man sich Fotos von der Zieldurchfahrt anschaut, fragt man sich, wie dieser übel zugerichtete Rennwagen noch fahr-, geschweige denn siegfähig war.

Es gab übrigens insgesamt neun 300 SLR, sieben offene Rennsportwagen und zwei Coupés, die nie zum Einsatz kamen. Einer wurde in Le Mans zerstört, bis auf zwei, die im französischen Automobilmuseum in Mulhouse und im Deutschen Museum in München stehen, befinden sich alle anderen im Besitz von Daimler Benz. Am erfolgreichsten war die Fahrgestellnummer 004, das ist das Siegerfahrzeug von der Mille Miglia, der Tourist Trophy und der Targa Florio, damit sicherlich eines der wichtigsten Rennautos aller Zeiten. Tatsächlich wurden für jedes Rennen Umbauten vorgenommen: Bei der Mille Miglia als Zweisitzer mit breiter Frontscheibe, in Le Mans mit Luftbremse, bei der Targa als Einsitzer. Davon zeugt noch die Blechleiste hinter dem Cockpit, die eigentlich der vordere Abschluss dieser Luftbremse war. Für Sizilien wurden dann wegen der großen Steinschlaggefahr die Scheinwerfer durch Gitter gesichert, eine stabilere Windschutzscheibe sowie ein hochklappbarer Windabweiser aus Metall davor installiert. Stirling Moss bekam wieder sein bevorzugtes Dreispeichenlenkrad.

Spark erfreut den Sammler in unregelmäßigen Abständen mit Modellen der Siegfahrzeuge der Targa Florio, aktuell mit dem Mercedes 300 SLR mit der Startnummer 104. Die Fertigungsqualität ist überzeugend, der Gesamteindruck auf den ersten Blick ebenfalls. Etwas verwunderlich finde ich die relativ grob pigmentierte, ziemlich matte Lackierung, das kenne ich von diesem Hersteller besser. Die Startnummern sind vorbildgerecht, an der Front fallen die sehr gut reproduzierten, mit Klebeband fixierten Gitter für die Scheinwerfer auf. Die Riemen zur Sicherung der Motorhaube sind filigran, müssten aber parallel zur Fahrtrichtung laufen. Die feinen Speichenräder besitzen vorbildgerechte Zentralverschlüsse mit Stern, Windschutzscheibe, Rückspiegel sowie der Notwindabweiser sind stimmig. Auch das Cockpit ist prinzipiell gut nachgebildet, allerdings ist das Lenkrad vierspeichig und so montiert, dass niemand seine Beine zwischen Lenkrad und Sitz bringt. Der feine Blechstreifen als Überbleibsel der Luftbremse fehlt nicht, Nummernschild, Rückleuchten und die sehr feinen Chromteile (D-Schild, Stern und Typenbezeichnung) würden das Auge erfreuen, wenn nicht die Kopfstütze viel zu lange gezogen wäre und damit die Heckansicht stört, da sie mit dem 300 SLR-Schriftzug kollidiert. Dazu fehlen noch die kleinen Rückstrahler zwischen der Nummernschildbeleuchtung und den Rücklichtern, schade, dass man bei Spark nicht genauer arbeitet bzw. recherchiert, Fotos dazu sind für jeden zugänglich. Dass das Modell gut 2 mm zu kurz ist, soll erwähnt sein, fällt aber nicht zu stark ins Gewicht, wie auch die etwas zu breite Spur.

Ein Fazit fällt mir schwer, ein eigentlich schönes Modell hätte man ohne zusätzlichen Aufwand besser machen können. Sind meine Ansprüche zu hoch oder wird der Hersteller seinem mit vielen tollen Modellen selbst erreichten Niveau aktuell nicht immer gerecht? Entscheiden muss letztlich der Sammler, was allerdings bei der Tendenz zur notwendigen Vorbestellung nicht so einfach ist.

Unser Fotomuster kommt von Supercars in München, vielen Dank für die Unterstützung.

Fotos und Text: Rudi Seidel, ein sehr interessanter Artikel über dieses Auto und passende Modelle findet sich übrigens auf der Website von Hayo Herrmann: minerva-endurance.de

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