Donnerstag, 8. Oktober 2020
Wer zu spät kommt . . . - Shelby Cobra Daytona Supercoupé 65 von Matrix Scale Models, 1:43
Nachdem die GT-Weltmeisterschaft 1964 wieder an Ferrari ging, wollte Carroll Shelby im Folgejahr mit aller Macht gewinnen und ließ eine Cobra mit modernerem, schraubengefederten Fahrwerk und dem 7-Liter-V8 entwerfen und bauen. Der klassische Roadster hatte allerdings "die Aerodynamik eines Scheunentors", deshalb wurde der Aerodynamiker Pete Brock wieder mit der Entwicklung eines strömungsgünstigen Coupés betraut. Seine erste Schöpfung für Shelby, das Cobra Daytona Coupé, hatte sich ja als sehr vielversprechend erwiesen. Brock nahm alle Erkenntnisse aus diesem Entwurf und schuf ein extremes Rennauto, mit dem auf den langen Geraden von Le Mans mit den rund 500 PS des 427er Triebwerks rechnerisch 350 km/h möglich sein sollten. Doch dann kam alles irgendwie anders. Der große Konkurrent Ferrari hatte seine GTOs verkauft, der 275 GTB war noch nicht homologiert, so fehlte die Notwendigkeit, das Projekt zu beschleunigen. Dazu kam, dass Shelby American Racing intensiv in das Ford GT 40-Programm eingebunden wurde, um den Gesamtsieg in Le Mans zu ermöglichen. So blieb Pete Brock mit seiner Supercobra als Einzelkämpfer zurück, Shelby hatte keine freien Mitarbeiter und Ford kein Interesse an Konkurrenz im eigenen Hause. Er schuf dennoch zusammen mit seinem Assistenten Alex Kerr zuerst ein Modell im Maßstab 1:4 und fertigte Konstruktionszeichnungen an. Die britische Karosseriefirma Radford Coachbuilders hatte den Auftrag, die Innenausstattung für die Ford GT40 zu produzieren, sei es, als Kompensation oder Gefälligkeit, erklärte man sich bereit, den Aufbau der Supercobra anzufertigen. Leider war der Wille da, aber die Fähigkeiten fehlten. Als Shelby und Brock zur Kontrolle der Arbeiten nach England reisten, fanden sie ein im Bau befindliches Coupé vor, das mit den gelieferten Plänen wenig zu tun hatte, zum Beispiel war die Karosserie rund 20 cm breiter als geplant. Das gelieferte Chassis CSX 3027 wanderte also mit den falschen Aufbauteilen auf den Schrott, und ein neues Chassis CSX 3054 wurde angeliefert. Unter der Überwachung von Brock, der dafür drei Monate in England blieb, schritten die Arbeiten langsam fort, zu langsam für Le Mans 1965. Als dann auch noch bekannt wurde, dass ab 1966 keine Sonderkarosserien auf homologierten GT-Fahrzeugen zugelassen wurden, zog Shelby den GT-Homologationsantrag für die Cobra 427 zurück und das Supercobra-Projekt war gestorben. Das halbfertige Auto wurde bei Shelby eingelagert und machte einige Umzüge mit, bis es 1970 nach der Schließung von Shelby American versteigert wurde. Nach einigen Besitzerwechseln kaufte es Craig Sutherland, der es unter der Anleitung von Pete Brock erstmals komplettieren ließ, unter anderem mit einem 427-Renntriebwerk. Nach 17 Jahren bewegte sich also CSX 3054 erstmals aus eigener Kraft und trotz fehlender Feinabstimmung waren die Fahrer, die das Coupé bewegen durften, nicht unzufrieden. Aufgrund einer Wunschliste des Schöpfers Pete Brock ließ der nächste Besitzer George Stauffer das Auto überarbeiten und restaurieren, so wurde es schließlich 2007 für 1,32 Mio. $ versteigert.
Das Originalfahrzeug als schön zu bezeichnen, wäre sicherlich gewagt, und ob das Auto Erfolg gehabt hätte, konnte nie bewiesen werden. Dennoch ist das Modell reizvoll, wenn man ein Herz für kuriose Konzepte und Prototypen hat. Schön, dass Matrix Scale Models mit dieser Cobra eine gut gelungene Miniatur vorstellt. Maßstab und Proportionen stimmen, Lackierung und Beklebung sind nahezu perfekt, lediglich der Mittelstreifen unterhalb des Frontgrills sitzt beim Fotomuster etwas schief. Die großen, mit aerodynamischen Abdeckungen versehenen Scheinwerfer sind beeindruckend, aber auch die weiteren Details an der Karosserie und im Cockpit machen Freude. Räder und Bereifung passen, lediglich das Heck sitzt vielleicht etwas hoch. Bei meinem Muster habe ich nachträglich noch ca. 1 mm Bodenfreiheit durch Ausfeilen der Achshalterungen gewonnen, durch abschraubbare Bodenplatte wenig Aufwand mit gutem Effekt. Ein kleiner Kritikpunkt betrifft den Kühlluftauslass auf der Motorhaube, da sind beim Original Rohre usw. zu sehen, nicht nur ein lackierter Schacht. Aber das tut diesem gelungenen Modell eines extremen Rennautos kaum Abbruch. Dass man für ein Matrix-Modell etwas tiefer in die Tasche greifen muss, ist bekannt, aber wenn Vorbild und Reproduktion passen, kann man das schon einmal verschmerzen.
Unser Fotomuster kommt von Supercars in München, vielen Dank für die Unterstützung.
Fotos und Text: Rudi Seidel