Donnerstag, 1. Oktober 2020

Denkmalschändung? - Mercedes 300 SL AMG 1974 von Masterpiece, 1:43

Als 1974 die erste Jahresausgabe der Motor Revue erschien, handelte die Titelgeschichte von einem einzigartigen Umbau eines Mercedes 300 SL. Bereits damals gab es Diskussionen, ob es richtig ist, eine solche Ikone der Automobilgeschichte so gravierend zu verändern. Allerdings war der 300 SL noch keine zwanzig Jahre alt, zu dieser Zeit waren eher die Vorkriegsfahrzeuge als historisch interessant anerkannt. Der Besitzer blieb damals unbekannt, inzwischen wissen wir, dass es Friedrich Karl Flick war, damals Großaktionär bei Daimler Benz.

Der Kundenwunsch lautete, das schnellste deutsche Auto zu besitzen, der Auftrag ging an die damals noch kleine und relativ unbekannte Firma AMG in Burgstall. Der Auftraggeber beschaffte einen Flügeltürer in ziemlich bedauernswertem Zustand aus Venezuela und lieferte das Wrack mit einer dicken Wunschliste bei AMG an. Das Pflichtenheft umfasste neben dem Wunsch nach viel mehr Leistung auch ein modernes Fahrwerk mit entsprechenden Scheibenbremsen, Automatik, komfortable Sitze, Servolenkung, Klimaanlage, heizbare Heckscheibe, moderne Armaturen, Stereoanlage und zum Fahrwerk passende Breitreifen. Der klobige Frontspoiler entstand auf Wunsch des Käufers, AMG hätte den so nicht haben wollen. Nachdem der 6,3-Liter V8 beim besten Willen nicht in den Motorraum passte, entschied man sich für den 4,5-Liter, der eine Leistungskur erhielt, die ihm zu 280 PS verhalf. Das war alles nicht einfach, Hans Werner Aufrecht von AMG erinnerte sich, dass alleine die Anpassung der Servolenkung drei Monate in Anspruch nahm. Die passenden Chrom-Molybdän-Rohre zur Umarbeitung des Rahmens fanden sich bei der Motorradfabrik Maico, nachdem ein anderer Lieferant eine Mindestabnahme von 1.000 Metern forderte. Dann sollten noch alle Chromteile geschwärzt werden, das entsprach dem Zeitgeist. Die Optik des alten 300 SL litt neben dem Frontspoiler vor allem unter den Kotflügelverbreiterungen, denen die typischen Brauen über den Radausschnitten zum Opfer fielen. Die knallrote Farbe und die fehlenden Stoßstangen taten ein übriges, dass der AMG-300 SL nach heutigen Begriffen eher halbstark daher kommt. Der heutige Besitzer scheint den Frontspoiler demontiert zu haben, dennoch bleibt dieser Gullwing ein kontrovers betrachtetes Einzelstück. AMG stellte damals übrigens 4.500 Arbeitsstunden in Rechnung, so dürfte der Mercedes den Gegenwert mehrere Ferraris repräsentiert haben.

Der Großhändler Ravensberger Handelskontor hat bei Autocult eine Miniatur dieses speziellen 300 SL in Auftrag gegeben, wie üblich wird es davon nur 333 Stück geben. Das Resinmodell ist wie gewohnt sauber verarbeitet, die Umbauten wurden im Großen und Ganzen sehr gut nachgebildet. Vor allem die Fuchs-Felgen mit den Breitreifen, die mattschwarzen Anbauteile, der schaufelförmige Frontspoiler entsprechen dem Vorbild. Ganz zufrieden bin ich allerdings nicht, bei manchen Details war man zu unaufmerksam. Bei Auslieferung besaß der Mercedes einen Doppelrohrauspuff und keinen stromlinienförmigen Außenspiegel. Die Grundform ist insgesamt ganz gut getroffen, allerdings sollte der Übergang von der Heckscheibe zum Kofferdeckel flacher verlaufen. Vor allem stört mich aber der zu große Durchmesser der Frontscheinwerfer, die von hinten gesehen über die Kotflügel hinausstehen. Das hätte man besser lösen können. So bleibt als Fazit, dass der Sammler ein nicht perfektes Modell eines kontrovers gesehenen Originals bekommt. Eigentlich schade, denn dieser frühe Supersportwagen von AMG hätte noch etwas mehr Liebe zum Detail verdient. Trotzdem können wir froh sein, dass sich ein Hersteller auch für solche Exoten interessiert. Der Sammler muss letztlich selbst entscheiden, ob ihm das Modell den Preis von rund 90 Euro wert ist.

Unser Fotomuster kommt von Supercars in München, vielen Dank für die Unterstützung.

Fotos und Text: Rudi Seidel

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