Montag, 22. Juni 2020
Glückloser Einsatz - AC Cobra A98 Coupé Le Mans 1964 von Matrix Scale Models, 1:43
Über die Geschichte, wie aus dem kleinen englischen Sportwagen AC Ace die furchterregenden Shelby Cobras entstanden, wurde an anderer Stelle bereits viel erzählt, weniger bekannt dürfte sein, dass auch die Briten für Le Mans 1964 ein selbst entwickeltes Coupé an den Start bringen wollten, das parallel zu den amerikanischen Daytona Coupés eingesetzt werden sollte und die Typenbezeichnung A98 bekam.
Man verwendete ein Standard-Roadster-Chassis, für das der Designer Alan Turner eine langgestreckte, geduckte Coupélinie entwarf. Im Vergleich zu Pete Brocks Cobra Daytonas war der AC länger, niedriger und etwas breiter. Die Fahrerposition wurde weiter nach rechts geschoben, so konnte man dem Rahmenrohr ausweichen und den Sitz um 7,5 cm niedriger positionieren. Formal orientierte Turner sich eher am Ferrari GTO, auffallend allerdings die an den Mercedes 300 SL erinnernden Brauen über den Radläufen. Durch die Verwendung der breitestmöglichen Räder mit 7,5 Zoll vorne und 9,5 Zoll hinten saß der AC satt auf der Straße, die Goodyear-Reifen hatten folgende Dimension: vorne 26,5 x 8 -15, hinten 26,5 x 10,5 - 15. Als Triebwerk diente der klassische 289-V8 mit ca. 355 PS, das Viergang-Getriebe kam von Borg Warner.
Zu den damals noch stattfindenden Testtagen in Le Mans am 17./18. April 1964 kam der inzwischen straßenzugelassene AC noch unlackiert, der Fahrer Peter Bolton war nicht sonderlich zufrieden, es fehlte an Stabilität bei hohen Geschwindigkeiten, außerdem überhitzte die Cobra sehr schnell. Diese Erfahrungen führten zu einem großen Luftauslass in der Motorhaube und einem ebenfalls massiven Heckspoiler. Gut eine Woche vor Le Mans kam es dann zum Eklat in England: Die Boulevardpresse berichtete von nächtlichen Testfahrten auf dem Motorway M1. Durch eine Indiskretion wurde bekannt, dass Peter Bolton und sein Kollege Jack Sears mit über 185 mph, also fast 300 km/h über die nicht gesperrte Autobahn gebrettert waren. Angeblich wurde durch diese wilden Ritte die Diskussion um eine Geschwindigkeitsbegrenzung angeheizt. Egal, die Tests bewiesen jedenfalls, dass das AC Coupé aerodynamisch gelungen war, so konnte man zuversichtlich nach Frankreich aufbrechen.
Der Einsatz in Le Mans war leider weniger glücklich als im Vorjahr, als man mit einem Roadster mit Hardtop immerhin Platz 7 erreichte. Von Startplatz 13 gingen Sears/Bolton ins Rennen und führten in der ersten Stunde sogar einige Zeit die GT-Wertung an. Leider gab es bald Probleme mit der Benzinzufuhr, man stellte fest, dass Zeitungspapier im Tank war, der Verdacht auf Sabotage konnte nie wirklich geklärt werden. Leider kam es noch schlimmer, nach einem Tankstopp, der auf Anweisung des Reifenmannes von Goodyear ohne Wechsel der Räder durchgeführt wurde, platzte in der 77. Runde ein Hinterreifen und es kam zu einer Kollision mit dem Ferrari von Giancarlo Baghetti. Beide Autos wurden von der Piste geschleudert, während Baghetti unverletzt blieb und Peter Bolton mit einigen Blessuren ins Krankenhaus kam, überlebten drei junge Zuschauer, die sich in der Sperrzone befanden, den Unfall nicht. Das total zerstörte AC Coupé wurde zurück in die Fabrik nach Thames Ditton gebracht, wo das Wrack bis 1972 ruhte. Ein Liebhaber namens Barrie Baird erwarb die Trümmer und in 12 Jahren Arbeit wurde A98 restauriert und darf seitdem bei Events wie in Goodwood, Le Mans Classics etc. bewundert werden, auch der 2016 verstorbene Jack Sears konnte noch ein Wiedersehen mit seinem alten Rennauto feiern. Die Karosserie musste übrigens komplett neu aufgebaut werden, glücklicherweise hatte Maurice Gomm, der schon 1963 für die Blecharbeiten zuständig war, die Holzform aufbewahrt. Wer noch mehr wissen will, dem empfehle ich die Blogs primotipo.com, sowie drivetribe.com, dort findet man tolle Fotos, Dokumente und Kommentare des aktuellen Besitzers zur Historie von A98.
Wenn Matrix Scale Models ein für mich interessantes Modell ankündigt, läuten leider erst einmal die Alarmglocken, wie frei interpretiert man diesmal das Original? Beim Auspacken ist man erst einmal erleichtert, das A98 Coupé sieht gut aus, Lackierung und Verarbeitung sind auf hohem Niveau. Die Halibrand-Räder mit den allerdings dann doch um einiges zu breiten Goodyear-Reifen sind fein reproduziert, Kleinteile wie Scheinwerfer, Rücklichter, Startnummernbeleuchtungen sowie die Sidepipes schön nachgebildet. Vom Cockpit sieht man nicht allzuviel, aber neben einem feinen Lenkrad, einem Ersatzrad hinter den ziemlich unbequem aussehenden Schalensitzen und der Armaturentafel dürfte auch beim Vorbild nicht mehr zu sehen sein. Einige Dinge fallen beim Vergleich mit den Originalfotos schon auf: Die schwarze Grundfläche der Kennzeichen sollte etwas breiter sein und die Form der Hutze auf der Motorhaube ist nicht gut getroffen, weil vorne zu rundlich. Kontrollmessungen zeigen, dass Radstand und Gesamtlänge maßstäblich sind, mit der Breite ist das so eine Sache. Eigentlich basiert A98 ja auf einem Standardchassis, aber mit den montierten breitestmöglichen Rädern kommen einige Zentimeter dazu. Laut dem erwähnten Blog erreicht man eine Spurweite von 66 Zoll, das wären 1676 mm und in 1:43 entspräche das 39 mm. Davon ausgehend, dass dieser Wert von den Außenflanken der Reifen genommen wurde, liegt das Matrix-Modell richtig, an der Vorderachse sind es aber sicherlich einige Millimeter zu viel. Auch müsste A98 tiefer liegen, das Modell ist zu hochbeinig. Vor allem im Vergleich zu anderen Cobra-Modellen von Spark oder TSM wirkt das AC Coupé schon sehr wuchtig und hoch, man sollte vermeiden, es in der Vitrine direkt danebenzustellen.
Bleibt als Fazit festzustellen, dass man von Matrix wieder ein zwiespältig zu betrachtendes Modell bekommt. Was nützt die hohe Fertigungsqualität, wenn die Gesamtproportionen Zweifel hinterlassen? Für den satten Preis von 95 Euro würde man sich diese Diskussion gerne sparen. Aber wahrscheinlich müssen wir zufrieden sein, denn ein anderer Hersteller wird sich wohl nicht mehr an diesen Exoten wagen und die älteren Kits sind auch nicht das Maß der Dinge. Das AC Coupé darf trotz der erwähnten Kritik in meiner Vitrine parken und die Freude daran überwiegt.
Unser Fotomuster kommt von Supercars in München, vielen Dank für die Unterstützung.
Fotos und Text: Rudi Seidel