Mittwoch, 25. Dezember 2019
Das Rennauto vom Schrottplatz - Mercedes-Benz 300 SLS Porter von Avenue 43, 1:43
In den 50er Jahren entstand in den USA eine unheimlich lebendige Sportwagenszene mit unzähligen Rennen auf Straßenkursen, Flugplätzen, aber auch existierenden permanenten Rennstrecken. Von aus Europa importierten Vorkriegsautos wie BMW 328, Alfa Romeo, oder Talbot Lago über neue Ferrari, Porsche, Maserati etc. bis hin zu amerikanischen, sogenannten Road Race Specials reichten die Startfelder, was zu hochinteressanten Rennen führte. Vor allem die spektakulären Eigen- bzw. Umbauten amerikanischer Garagisten stellten die Besonderheit dieser Rennen dar, oft wurden ältere europäische Sportwagen mit US-V8-Triebwerken bestückt, nach dem alten Grundsatz, dass viel Hubraum am besten durch noch mehr Hubraum zu ersetzen ist.
Im Vergleich dazu war der gerade von Avenue 43 als Modell präsentierte Mercedes Benz 300 SLS ein technischer Edelstein. Chuck Porter, der in Hollywood einen Karosseriebaubetrieb besaß und dessen Hobby Autorennen waren, entdeckte 1956 auf einem Schrottplatz einen schwer verunfallten 300 SL Flügeltürer und hatte die Idee, daraus einen richtigen Rennsportwagen zu erschaffen. Für 500 $ wechselte das Wrack den Besitzer, die Technik blieb zunächst unverändert, die total beschädigte Karosserie wurde durch eine offene Vollaluminiumhülle ersetzt, die an das Design der 1955 so erfolgreichen Mercedes 300 SLR angelehnt war. Der 300 SLS, wie Porter ihn nannte, war nicht das schnellste Rennauto in seiner Klasse, aber aufgrund recht braver Fahreigenschaften und hoher Zuverlässigkeit gelangen in den Jahren 1956 bis 1961 einige Erfolge, wobei sogar amerikanische Haudegen wie Bill Krause, Johnny Mantz oder Ken Miles am Steuer Platz nahmen. Das zweite "S" in der Typenbezeichnung steht übrigens nicht für "Special", sondern für "Scrapyard", also Schrottplatz, als Hinweis auf die Herkunft des Autos.
Nachdem die Leistung des Serientriebwerks nicht mehr ausreichend schien, wurde zuerst eine schärfere Nockenwelle und dann ein McCulloch-Kompressor montiert, später ging es dem Mercedes wie anderen europäischen Sportwagen, man pflanzte einfach einen Buick-V8 ein, was allerdings größere technische und auch optische Veränderungen benötigte. Zuletzt wurde sogar noch ein Chevrolet-V8 aus der Corvette montiert. Irgendwann verschwand der SLS von der Bildfläche, bis ihn 1999 Hans Kleissl von HK-Engineering, der absolute Spezialist für diese Autos, in den USA in einer Scheune ausfindig machte. Er überzeugte Klaus Lehr, einen Mercedes-Sammler, davon, dass man den Porter-Mercedes restaurieren sollte und so geschah es auch. 2002 zeigte sich der SLS in seiner ganzen Pracht in Laguna Seca zu den historischen Rennen, wo es auch zu einem Treffen mit den beiden Töchtern Porters kam, die sich glücklich zeigten, dass das Rennauto ihres Vaters wieder in altem Glanz erstrahlte. Seitdem durfte man das Einzelstück bei vielen Events bewundern, bis 2015 in Goodwood beim sogenannten Member's Meeting Jochen Mass als Gastpilot mit dem SLS einem Lister Jaguar ins Heck knallte. Die Schäden an beiden Autos waren immens, aber HK-Engineering wurde von Klaus Lehr erneut beauftragt, den SLS fachgerecht zu reparieren und so geschah es auch. Inzwischen kann man den Mercedes wieder bei der einen oder anderen Veranstaltung zu Gesicht bekommen.
Das Autocult-Team hat jetzt für die Nebenlinie Avenue 43 ein Modell des Porter-SLS produziert. Der Vergleich mit alten Dokumenten zeigt, dass man sich am Zustand von 1956 orientiert hat, als Chuck Porter an der Westküste der USA an einigen Rennen teilnahm. Dem entspricht auch das Cockpit mit dem weißen Zweispeichenlenkrad, aktuell besitzt der SLS ein Vierspeichenlenkrad wie die SLR von 1955. Die Zusatzscheinwerfer sowie die Luftauslässe ohne Zierleisten passen, wie auch die Räder, die Reifen sind allerdings wieder mal zu breit geraten. Ansonsten ist eine Beurteilung etwas schwierig, es gibt nicht so viele Originalfotos aus der Zeit, und nachdem der SLS oft modifiziert wurde, kann man nicht mit Sicherheit feststellen, was falsch oder richtig ist. Hatte der Mercedes ursprünglich nirgends einen sichtbaren Auspuff? Bei den V8-Umbauten gab es dann dicke Rohre an den Seiten. Die Fertigungs- und Lackqualität ist auf jeden Fall sehr gut, die wenigen Details sind gut reproduziert, wenn auch das Lenkrad und vor allem der Schaltknüppel zu dick sind. Die Rennscheibe und der einzelne Rückspiegel sind fein nachgebildet.
Für Freunde der amerikanischen Rennszene dieser Zeit ist der Porter-SLS eine schöne Bereicherung, neben Sportwagen wie den Scarabs aus der gleichen Epoche wirkt er vorbildgerecht wesentlich bulliger. Wenn man dann in Büchern wie Allan Girdlers "American Road Race Specials 1934-70" blättert, entstehen viele Ideen für weitere Modellautos für die Sammlung. Der Mercedes 300 SLS Porter besitzt übrigens sogar eine eigene Website: www.mercedes300sls-porter.de, die allerdings nicht auf dem aktuellsten Stand ist.
Unser Fotomuster kommt von Supercars in München, vielen Dank für die Unterstützung.
Fotos und Text: Rudi Seidel