Donnerstag, 26. September 2019
Maßgeschneidert - Lancia Aurelia B 52 Coupé Vignale 1952 von Avenue 43, 1:43
Mit der Aurelia präsentierte die italienische Traditionsmarke Lancia ihr erste Nachkriegskonstruktion, Mit einem V6-Triebwerk, Schräglenkerhinterachse mit Getriebe und Differential, Michelin-Stahlgürtelreifen sowie einer schlicht-eleganten viertürigen Karosserie ohne B-Säule betrat man technisch höchst aufwändiges Neuland. Noch berühmter als die Limousinen B10 und B12 wurden sicherlich die GT-Coupés der B20-Baureihe und die offenen Zweisitzer B24. Um die soll es aber nicht gehen, sondern um ein von Vignale nach Entwurf von Giovanni Michelotti gebautes Coupé. Neben den Serienfahrzeugen produzierten die Turiner kleine Stückzahlen verstärkter Chassis, auf denen die damals noch in ihrer Blütezeit befindlichen Carrozzieri ihre Schöpfungen aufbauen konnten. Ob Stabilimenti Farina, Ghia, Boneschi oder Pininfarina, um nur einige zu nennen, auf der fortschrittlichen Basis konnte man luxuriöse Fahrzeuge kreieren. Sogar einen in kleiner Stückzahl von Viotti gebauten Giardinetta, einen Kombi mit Holzelementen im Stile der amerikanischen Woodies, konnte man kaufen. Der 1,8-Liter V6 mit 56 PS war allerdings mit diesen Aufbauten nicht gerade übermotorisiert, deshalb ersetzte man ihn für die Bauserie B52 ab 1952 durch einen Zweiliter, der mit 70 PS den schwereren Sonderaufbauten besser gewachsen war. Diese Aurelias waren aber keine Sportwagen, sondern komfortable Gleiter.
Die Herausforderung, auf 2910 mm Radstand und schmalen Spurweiten von um 1300 mm ein Coupé zu zeichnen, hat Giovanni Michelotti mehrfach gesucht und durchaus elegante Lösungen gefunden. Auch wenn diese bei Vignale gebauten Autos sicherlich keine Meilensteine sind, kombinieren sie Zeitgeist mit handwerklichen Höchstleistungen. Während es Fotos von sieben verschiedenen Vignale-Coupés gibt, sind aktuell nur vier Fahrzeuge sicher, was daran liegen mag, dass Autos nach einem Salonauftritt verändert und umlackiert wurden. Das Vorbild des Avenue-43-Modells trägt jedenfalls die Fahrgestellnummer B52-1072 und gehört zur berühmten Lopresto-Collection in Italien. Unter Zwischengas findet sich ein empfehlenswerter Artikel über die Vignale-Aurelias mit vielen Originalfotos.
Mit der Reproduktion dieses nicht gerade simplen Vorbilds hat man sich eine schwierige Aufgabe gestellt. Dabei finde ich viel Licht, aber leider auch etwas Schatten: Die Grundform mit der langen Motorhaube, unter der sich der kleine V6 sicher etwas einsam fühlt, und dem zierlichen Dachaufbau ist sehr gut gelungen, bewundernswert die Vielzahl kleinster Details wie der vielen feinsten Schriftzüge, der Gestaltung der etwas zerklüfteten Front mit dem typischen Lancia-Grill sowie der Speichenräder mit nicht zu breiter Bereifung. Das Interieur zeigt durch die nicht zu großen, aber bei meinem Muster sauber verarbeiteten Scheiben viele Details. Die Zweifarbenlackierung ist sauber aufgebracht, allerdings scheint mir das grün im Vergleich zu Originalfotos recht dunkel. Kleine Schwächen zeigt meine Aurelia bei einer leicht verbogenen Strebe im nicht ganz senkrecht montierten Frontgrill, was man ehrlicherweise erst in der Großaufnahme richtig sieht. Während die Vorderachse die richtige Spurweite besitzt, hat der Monteur in China hinten wohl etwas zu wenig abgeschnitten, deshalb wackelt die Achse auch unter der Karosserie. Ich habe bisher nicht gewagt, eines der filigranen Räder abzuziehen, um hier nachzuarbeiten.
Was mich persönlich an dem Modell am meisten stört, ist die seitliche Zierleiste, die von der C-Säule gebogen und vorbildgerecht konturiert bis zum vorderen Ende der Tür reicht. Ab dann hat man sie mit einem flachen Fotoätzteil ergänzt. Nachdem dieses Teil auf den von Avenue 43 veröffentlichten Prototypfotos noch fehlte, sieht es für mich nach nachträglicher Fehlerbehebung mit geringstmöglichem Aufwand aus. Das wird diesem ansonsten schönen Modell nicht gerecht.
Ob der Sammler mit diesem Kompromiss leben will, muss er selbst entscheiden, bei mir wurde die Aurelia dennoch neben anderen Aurelia-Modellen in der Vitrine geparkt.
Unser Fotomuster kommt von Supercars in München, herzlichen Dank für die Unterstützung.
Fotos und Text: Rudi Seidel