Montag, 10. Juni 2019

Der Zeit weit voraus - Mercedes-Benz 150 Sportlimousine 1934 von Autocult, 1:43

Beim Thema „Mittelmotorsportwagen speziell für Rallyeeinsätze konzipiert“ kommt sicher bei den meisten Autofans der Lancia Stratos als erster Gedanke. Aber bereits 40 Jahre vorher gab es ein solches Fahrzeug, die Mercedes-Benz 150 Sportlimousine.

Bereits in den 20er Jahren führte die damals noch unabhängige Firma Benz Versuche und Renneinsätze mit Mittelmotorkonzepten durch, die verwendeten Autos wurden als Benz Tropfenrennwagen bekannt. Die damals Verantwortlichen Techniker Hans Nibel und Max Wagner bekleideten nach der Fusion mit Daimler führende Positionen im neuen Unternehmen und hatten deshalb die Möglichkeit, parallel zur Entwicklung der Grand-Prix-Silberpfeile das Mittelmotorkonzept weiterzuentwickeln. Da Mercedes-Benz im Februar 1934 den kleinen 130 mit Heckmotor präsentiert hatte, konnte man dieses Modell als Basis für eine sportliche Variante verwenden. Dazu wurde das Triebwerk auf 1,5 Liter gebracht, hängende statt stehender Ventile, Doppelvergaser usw. ergaben echte 55 statt 26 PS beim Basismodell. Da man nur zwei Sitze plante, wurde die Antriebseinheit umgedreht als Mittelmotor in den Zentralrohrrahmen eingebaut, was sich sehr positiv auf die Fahreigenschaften auswirkte. Das ganze wurde mit einer stromlinienförmigen Coupékarosserie ohne Heckfenster, aber mit vielen Lüftungsschlitzen im Bereich des Motors, eingekleidet. Lediglich sechs Stück der Sportlimousine wurden in Windeseile gebaut, um rechtzeitig für den ersten Einsatz bei der 2.000-Kilometer-Fahrt durch Deutschland bereit zu sein. Wie aus einem alten Gesprächsprotokoll zu entnehmen ist, gab es Bedenken wegen der Homologation, eigentlich verlangten die Sportgesetze eine Serie von 50 Stück in sechs Monaten. Aber Professor Fritz Nallinger, der die Auslegungsmöglichkeiten gut kannte, zerstreute die Befürchtungen, indem er darauf verwies, dass ja der 150 hauptsächlich aus Serienteilen bestand. Auch schon vor Enzo Ferraris GTO (Gran Turismo omologato) kannte man solche Tricks.

Das Konzept der 150 Sportlimousine war sicherlich seiner Zeit weit voraus, sportliche Erfolge wurden mit vier Goldmedaillen bei der Deutschlandfahrt und einer strafpunktfreien Zielankunft bei der Fernfahrt Lüttich-Rom-Lüttich erzielt. Einer der Fahrer bei den 2.000 km war übrigens der Rennmechaniker Herrmann Lang, der später einer der erfolgreichsten Silberpfeil-Piloten werden sollte. Kommerziell sollte der 150 kein Erfolg werden, die sechs Sportlimousinen wurden verschrottet, der 1935 auf gleicher Basis präsentierte Roadster war zu eng, zu teuer, und wohl auch einfach zu eigenartig. Bereits 1936 verschwand der Typ 150 aus dem Verkaufsprogramm. Von den wenigen (2-20) Exemplaren existiert wahrscheinlich nur noch eines in der Sammlung des Herstellers. Die Typenbezeichnung 150 H entspricht übrigens nicht der Nomenklatur des Herstellers, dort gab es nur beim Nachfolger des 130, dem 170, das H als Unterscheidungsmerkmal zum gleichzeitig produzierten 170 V mit Frontmotor.

Autocult bildet das Fahrzeug von Hans Joachim Bernet/Max Sailer von der Deutschlandfahrt 1934 mit der Startnummer 366 nach, einen der Goldmedaillengewinner, das gleiche Team war auch bei der Lüttich-Rom-Lüttich erfolgreich, dort trug die Sportlimousine die Startnummer 36. Es ist sicherlich immer schwierig, ein Modell eines nicht mehr existierenden Vorbilds zu produzieren, aber ich denke, Autocult hat seine Hausaufgaben ganz gut gelöst. Die Abmessungen stimmen, lediglich etwas hoch wirkt der kleine Mercedes, ein Eindruck, den auch die wenigen mir vorliegenden Fotos erwecken. Ob die seidenmattrote Lackierung stimmt, konnte ich nicht recherchieren, auf jeden Fall sieht sie gut aus. Schön, dass Thomas Roschmann, der Chef von Autocult, gleich Stellung nimmt: „Wir haben recherchiert und haben über MB-Fachleute/ Archiv und andere Archive die Auskunft bekommen, dass die Fahrzeuge in "zinnoberrot" gewesen sind, obwohl das ursprünglich nicht so eingeschätzt wurde. Wir haben auch Aufnahmen bekommen, die wir leider nicht veröffentlichen dürfen.“ Auch die Dachhöhe konnte man dadurch wohl genauer definieren. Die käferähnliche Gesamtform passt, vorne findet sich eine schöne Scheinwerferbatterie und zwei Boschhörner unterhalb der Stoßstange, am Heck hauptsächlich Lüftungsschlitze, der Schacht für den Rückblickspiegel und ein einzelnes Rücklicht. Winker, Türgriffe und Haubenverschlüsse sind einzeln eingesetzt, wie auch der feine, als Fotoätzteil etwas zweidimensionale Stern auf der Fronthaube und die allerdings bei unserem Muster nicht auf der Windschutzscheibe aufliegenden Wischer. Startnummern und Zulassungskennzeichen sind fein reproduziert, die Räder sehen vorbildgerecht aus. Der ziemlich enge, schlecht einsehbare Innenraum ist komplett nachgebildet mit einem schönen Armaturenbrett und sogar Griffen und Fensterkurbeln an den Türinnenseiten.

Insgesamt ist Autocult ein gutes Modell dieses interessanten, in die Zukunft weisenden Sportwagens gelungen.

Unser Fotomuster kommt von Supercars in München, vielen Dank für die Unterstützung.

Fotos und Text: Rudi Seidel

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