Montag, 10. Dezember 2018
Italienisch-Schweizerisches Einzelstück - Lotus Eleven Le Mans Coupé Ghia Aigle von Avenue 43, 1:43
Der 1956 präsentierte Lotus Mark Eleven war sicherlich ein Meilenstein in der Geschichte des englischen Renn- und Sportwagenherstellers. Ein filigraner Gitterrohrrahmen, De-Dion-Hinterachse, eine von Frank Costin unwiderstehlich gezeichnete, extrem flache, offene Sportwagenkarosserie in Verbindung mit Coventry Climax-Triebwerken von 750, 1100 oder 1500 ccm Hubraum waren eine grandiose Mixtur. Sowohl im Clubsport als auch bei Großereignissen wie in Le Mans erwarb der Mk XI seine Meriten, ein siebter Platz in der Sarthe gleich im Debutjahr spricht Bände. 1957 erreichte man bei Rekordversuchen in Monza mit einem 1100er einen Stundenschnitt von 225 km/h, nicht übel für ein so kleines Fahrzeug. Auch kommerziell war der Mk XI ein Erfolg, immerhin 270 Stück wurden in drei Jahren produziert.
Das Chassis mit der Nummer 237 erlebte eine ganz besondere Laufbahn. Im Oktober 1956 fertiggestellt, wurde es im Februar 1957 mittels eines VW Transporters nach Lugano in der italienischen Schweiz befördert, wo die Karosseriefirma Ghia S.A. Aigle vorübergehend ihre Zelte aufgeschlagen hatte. Diese 1948 in der Schweiz gegründete Firma besaß die Lizenz, italienische Designs zu übernehmen. Von 1955 bis 1958 war man in Lugano ansässig, danach ging es wieder nach Aigle in der Westschweiz zurück, wo das Unternehmen ab 1959 mit Lieferwagenumbauten und Unfallreparaturen bis 1988 existierte. Für das Design war ab 1951 Giovanni Michelotti und ab 1958 Pietro Frua zuständig. Der Lotus fiel also noch unter die Ägide Michelottis. Der Aufbau war ein rechter Schnellschuss, bereits im März 1957 präsentierte man das Auto auf dem Genfer Salon als reinen Spider mit Panoramascheibe. Im Sommer entstand ein Hardtop mit ganz feinen Dachstreben und viel (Plexi-)glas. So stellte man den Lotus unter der Bezeichnung „Le Mans Coupé“ nochmals 1958 in Genf aus, jetzt in der roten Lackierung mit dem breiten weißen Längsstreifen. Vorher und danach sind Teilnahmen bei Schweizer Bergrennen dokumentiert. Das Einzelstück wechselte im Anschluss einige Male den Besitzer und auch die Farbe, von der Schweiz ging es über die USA nach England, wo der Lotus heute noch existiert. Wer es ganz genau wissen will, dem sei die von Stefan Dierkes erstellte Website ghia-aigle.info empfohlen, dort findet sich der Werdegang des Autos bis ins kleinste Detail.
Auch in der Nebenlinie Avenue 43 entwickelt das Team um Thomas Roschmann Modelle hochinteressanter Vorbilder. Qualität, Preisniveau und Limitierung entsprechen der Autocult-Reihe, lediglich die Verpackung ist etwas einfacher und das Booklet spart man sich. Die Fertigungsqualität und die feine Detaillierung zeichnet auch den kleinen Lotus mit seinem italienischen Design aus, bewundernswert ist die Verarbeitung der stark gebogenen Fensterflächen. Zusammen mit dem knallroten Lack und dem breiten weißen Streifen sieht der Lotus spektakulär aus, die flache Front mit den in der Kühleröffnung integrierten Scheinwerfern und das Heck mit angedeuteten Flossen wirken dynamisch. Weitere gelungene Details finden sich in den Schriftzügen, den kleinen Speichenrädern sowie im Interieur. Alles wäre gut, wenn man auch noch die Maße des Originals berücksichtigt hätte. Der Radstand und die Länge stimmen, aber bei der Breite und der Spurweite ist man leider über das Ziel hinausgeschossen, das Lotus-Chassis war mit vorne 118 und hinten 119 cm sehr schmal, da ergeben sich gleich Abweichungen von über 4 mm am Modell. So sieht der Lotus zwar toll aus, vor allem nach modernem Schönheitsideal (breite Spur, Räder satt in den Kotflügeln), ist aber in dieser Hinsicht nicht vorbildgerecht. Wer damit leben kann, bekommt eine attraktive Sonderkarosserie aus der Schweiz für die Exotensammlung. Interessant wäre noch die Herkunft des englischen Nummernschildes am Modell. Vielleicht kann ein Leser das aufklären?
Unser Fotomuster kommt von Supercars in München, vielen Dank für die Unterstützung.
Fotos und Text: Rudi Seidel