Samstag, 11. August 2018

Micky Mouse aus Stuttgart - Porsche 645 Spyder von Autocult für Avenue 43, 1:43

Der Porsche 645 Spyder gehört zu den Rennautos, die sofort Assoziationen wecken. War da nicht Richard von Frankenbergs berühmter Sturz über die Avus-Steikurve? Wir haben die Geschichte dieses Einzelstücks recherchiert und zeigen das neue Modell aus der Autocult-Schmiede.

Mit dem seit 1953 eingesetzten 550 Spyder und seinen Derivaten war Porsche in seiner Klasse dank des Fuhrmann-Triebwerks mit seinem Königswellenantrieb absolut konkurrenzfähig, ab und zu gelang es sogar, die Großen zu ärgern, wie bei der Targa Florio 1956. Dennoch wollte man mehr erreichen und begann bereits Anfang dieses Jahres mit der Entwicklung eines Nachfolgers. Laut einem erhaltenen Originaldokument sollten zwei der neuen Spyder mit der Projektnummer 645 entstehen, warum es letzlich bei einem Einzelstück blieb, ist nicht mehr zu klären. Die Fahrgestellnummer war 550-0098, eingebaut wurde ein 1,5-Liter-Fuhrmann-Motor Typ 547/2 mit 135 PS, Motornummer 90107. Obwohl bereits im Februar der Auftrag zum Bau erfolgte, dauerte es fünf Monate bis zum ersten Einsatz am 21. Juli auf der Solitude. Entscheidende Entwicklungsziele waren bessere Aerodynamik und verringerte Stirnfläche sowie eine neue Hinterachse, die mit zwei asymmetrischen Dreieckslenkern, aber immer noch mit Torsionsstäben konstruiert war. Der Radstand betrug nur 2 Meter, die Spurweite wurde auf 1,15 Meter reduziert. Damit erreichte der 645 Spyder eine Höchstgeschwindigkeit von 260 km/h. Die Fahrwerksabstimmung war sehr schwierig, die neue Hinterradaufhängung wollte nicht so recht mit dem Rest harmonieren. Das Auto untersteuerte extrem, dann kam ein plötzlicher Übergang zum Übersteuern. Diese Unberechenbarkeit gab dem Porsche auch seinen Spitznamen, Richard von Frankenberg nannte ihn „Micky Mouse“, die nicht ganz richtige Schreibweise bestätigt von Frankenbergs Sohn Donald in der empfehlenswerten Biographie über seinen Vater.

Nach größeren Umbauarbeiten fand auf der Solitude am 21./22. Juli 1956 erstmals seit sechs Jahren wieder ein Autorennen statt, das für Sportwagen bis 1.500 ccm ausgeschrieben wurde. Bei den Serienautos waren zwölf Porsche vertreten, neben 11 550 Spyder ein einsamer 356 Speedster, während es bei den Prototypen zu einem Dreikampf zwischen Porsche, Borgward und den ostdeutschen AWE kommen sollte. Aus Stuttgart kamen zwei 550A-1500 RS für Hans Herrmann und den Grafen Trips, während Richard von Frankenberg erstmals mit der „Micky Mouse“ an den Start ging. Die Bremer Renner enttäuschten, die Werksporsche von Herrmann und von Trips gewannen in dieser Reihenfolge. Von Frankenberg kämpfte lange mit Edgar Barth auf AWE R3 um den dritten Platz, aber wegen nachlassender Bremsen und erhöhter Öltemperatur musste er den Ostdeutschen ziehen lassen. So ein AWE Stromliniensportwagen wäre übrigens auch noch ein tolles 1:43-Modell für das Autocult-Programm!

In Karl Ludvigsens Porsche-Bibel steht, dass der 645 dann auch noch beim Training für ein Sportwagenrennen am Nürburgring zu sehen war, dafür finden wir allerdings keine weitere Bestätigung. So kam als nächster Auftritt der Große Preis von Berlin am 16. September auf der Avus mit ihrer noch bis 1966 befahrenen Steilkurve. Unter anderem stand auch hier ein Lauf für Rennsportwagen bis 1.500 ccm auf dem Programm. Neben den AWE und dem wie in Stuttgart mit drei Werkswagen angetretenen Porsche-Team gab es internationale Bewerber, unter anderem Jack Brabham und Roy Salvadori auf Cooper-Climax, Joakim Bonnier auf Maserati sowie Louis Chiron auf Osca. Von Frankenberg erhoffte sich mit dem 645 Spyder Geschwindigkeitsvorteile auf der schnellen Piste, was sich auch beweisen sollte. Salvadori hatte den besten Start, aber nach einer Runde führten bereits die beiden Porsche in der Reihenfolge von Frankenberg - von Trips. Bereits in der dritten Runde nahm das Schicksal seinen Lauf, die „Micky Mouse“ machte ihrem Ruf alle Ehre und bog aus unerklärlichen Gründen im Scheitel der Steilkurve nach rechts ab. Nach der Entlaubung einer am Rand wachsenden Akazie überschlug sich der Porsche und von Frankenberg fiel kopfüber aus dem Cockpit, während das Auto im Fahrerlager aufprallte, Feuer fing und komplett ausbrannte. Die Löscharbeiten waren unglaublich schwer, da Porsche inzwischen einiges an Magnesium verbaut hatte. Der Porsche-Ingenieur Lörcher machte sich auf die Suche nach dem Piloten, den er fünf Minuten später bewusstlos, aber relativ unversehrt in einem Gebüsch fand. Trotzdem waren fünf Wochen Klinikaufenthalt angesagt, vor allem am Rücken entstanden erhebliche Schwellungen, die erst abklingen mussten. Die Geschichte des Projekts 645 war damit nach zwei Rennen beendet, Porsche entwickelte ab 1957 den 718, der ein Erfolgsmodell wurde.

Dem Modellhersteller bleiben bei einem nicht mehr existierenden Fahrzeug nur einige Fotos, um eine Miniatur zu konstruieren, zusätzlich ein paar Grundmaße wie Radstand und Spurweite. Ob Porsche damals komplette Pläne gezeichnet und archiviert hat? Im Falle der „Micky Mouse“ dürfte das Autocult-Team ein gutes Händchen bewiesen haben, die Abmessungen stimmen, der Gesamteindruck des kleinen und schmalen Spyders ebenfalls. Die auch beim Vorbild nicht so zahlreichen Details sind gut nachempfunden, vor allem die eigentümlichen Lüftungsöffnungen auf der Motorhaube. Das auch im Original karge Cockpit ist komplett, das relativ große Lenkrad mit seinen Federspeichen sehr filigran wirkend. Die Räder sind wohltuend schmal, am Unterboden finden sich ansonsten nur die Endrohre der Auspuffanlage. Die Startnummern entsprechen dem Auftritt in Berlin, wie auch die Karosseriedetails. Bei soviel Lob seine auch drei Kritikpunkte angebracht, Es stimmt zwar, dass der Porsche auf der Avus eine weiter umlaufende Windschutzscheibe besaß, aber auch die war schräg nach hinten angestellt und nicht so senkrecht wie bei unserem Fotomuster, bei dem leider die vordere linke Scheinwerferverglasung nicht sauber eingepasst wurde. Die Lackierung ist einfach zu schön und hochglänzend für ein solches Auto, auf den Originalfotos sieht das Finish eher matt und etwas wellig aus, was bei einem Rennauto-Einzelstück durchaus häufig war. Ein wenig Mut zur Häßlichkeit hätte dem Spyder vielleicht besser getan.

Trotzdem freuen wir uns darüber, dass wieder eine Lücke in der Porsche-Sammlung geschlossen werden kann und reihen die „Micky Mouse“ gerne in die Vitrine ein.

Unser Fotomuster kommt von Supercars aus München, vielen Dank für die Unterstützung.

Fotos und Text: Rudi Seidel

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