Dienstag, 24. Juli 2018

Wirklich ein "Scale Model"? - Voisin C 28 Aerosport 1936 von Matrix Scale Models, 1:43 (??)

Gabriel Voisin gehörte sicherlich zu den schillerndsten Persönlichkeiten der Autoindustrie und seine Schöpfungen zu den extravagantesten, die je auf der Straße zu sehen waren. Wir nehmen den C28 Aerosport von Matrix zur Gelegenheit, uns etwas mit dieser Marke zu befassen.

Der am 5. Februar 1880 in Lyon geborene Gabriel Voisin baute bereits als 20-jähriger sein erstes Automobil, zusammen mit seinem Bruder Charles entdeckte er die Faszination des Flugzeugbaus. Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs hatte Avions Voisin schon über 10.000 Flugzeuge produziert. Charles erlebte den Aufstieg leider nicht, er war bereits 1912 bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Nach dem Krieg stürzte man sich wie viele andere Flugzeugwerke auf den Automobilbau. Für Voisin war natürlich nur die Spitzenklasse interessant, er versuchte seine Erfahrungen aus dem Flugzeugbau zu nutzen, dementsprechend verwendete er viel Leichtmetalle, ausserdem von Anfang an Vierradbremsen sowie schiebergesteuerte Motoren, die damals den Konstruktionen mit Ventilen vor allem in der Laufruhe weit überlegen waren. Es gab Vier- Sechs- und sogar kleinste Stückzahlen von Zwölfzylindern. Die Reichen und die Schönen entdeckten Voisin als standesgemäße Motorisierung, unter anderem gaben sich Josephine Baker, Rodolfo Valentino, Anatole France, Maurice Chevalier, der Baron Rothschild, aber auch der König von Jugoslawien und die Präsidenten von Frankreich und Argentinien die Klinke des Verkaufsraums an der Pariser Champs-Elysées in die Hand. Die Geschichte von Voisin fand allerdings kein gutes Ende, wie vielen Luxusmarken machten Wirtschafts- und politische Krisen das Geschäft kaputt, die Schiebermotoren hatten ihren Zenith überschritten, Mitte der 30er Jahre übernahm eine Finanzgruppe die Kapitalmehrheit. Statt des eigenen Triebwerks sollte nun ein amerikanischer Graham-Sechszylinder die Voisins antreiben, das wurde vom Publikum nicht angenommen. 1939 übernahm Voisin wieder die Mehrheit, stellte allerdings die Produktion auf Flugzeugmotoren um, damit waren die klasischen Autos Geschichte. Nach 1945 machte der Konstrukteur noch mit dem Kleinwagen Biscuter von sich reden, der trotz oder vielleicht gerade wegen seiner Primitivität in Spanien ein Erfolg wurde, aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Der hier vorgestellte C28 war der Höhepunkt der klassischen Sechszylinderreihe, die 1931 mit dem C23 startete, durch Erhöhung er Bohrung auf 80 mm kam man auf einen Gesamthubraum von 3,3 Liter mit 100 PS bei 4.000 1/min, je nach Aufbau waren bis zu 150 km/h möglich. Neben eher konventionellen Aufbauten gab es auch für Voisin typische Stromlinienkarosserien mit dem typischen, hydraulisch verschiebbaren Dach und einer pontonöhnliche Grundform, deren Front durch einen imposanten Kühler mit dem Vogel als Kühlerfigur dominiert wurde. Der Radstand betrug 3,00 m bei den sportlicheren Varianten, es gab auch noch ein langes Chassis mit 3,28 m. Von den ursprünglich gefertigten acht bis zehn Exemplaren existieren heute lediglich zwei Stück, ein Exemplar in französischblau und das hier präsentierte silberne Exemplar, dessen Aufbau allerdings erst 2006-2014 rekonstruiert wurde, nachdem vorher nach irreparablen Kriegsschäden eine Limousinenkarosserie, vermutlich eines Hispano-Suiza, auf das Fahrgestell gesetzt wurde. Das braune Leder der Innenausstattung kommt von Hermes, wie schon beim Original. Übrigens wurde der perfekt restaurierte Voisin im August 2016 von Sothebys in Pebble Beach zur Auktion gebracht, allerdings ohne Verkaufserfolg.

Wie von Matrix gewohnt, kommt das Modell in kleiner Auflage (199 Stück) in einer großen Vitrine zum Sammler und sieht auf den ersten Blick beeindruckend aus. Sowohl die Detaillierung als auch die Fertigungsqualität genügen höchsten Ansprüchen. Der Kühler mit dem stilisierten Adler als Kühlerfigur, die Nietenreihen am Schweller, Front und Heck, die ultrafeinen Chromstreifen an den Radläufen, der Dreifachscheibenwischer, das Interieur mit einer grandiosen Armaturentafel, ein schönes Detail ist noch der durch die Heckscheibe sichtbare Koffer hinter der Sitzbank. Dieser Voisin ist wirklich ein tolles Modell, aber beim Einparken in die Vitrine kommen Zweifel. Dass Matrix gerne die Breite der Fahrzeuge etwas überbetont, ist leider Fakt und trifft auch beim Aerosport zu, aber was mit den Abmessungen insgesamt passiert ist, kann wohl niemand vernünftig erklären. Ausgehend von einem Radstand des Originals von 3.000 mm kommt man bei Umrechnung der Modellmaße auf rund 1:39, bei der Breite sogar auf 1:37! Lediglich die hintere Spurweite passt ungefähr, was aber der Dicke der Radabdeckungen geschuldet ist. Mir ist es unverständlich, dass eine Marke, die die Maßstäblichkeit sogar im Namen trägt, so etwas produziert. Wir wissen ja, dass man nur nach Fotos arbeitet und keine Originale nachmisst, aber auch dann darf so etwas nicht passieren. Es ist jammerschade, dass solche Modelle auf den Markt kommen, dem Sammler bleibt eigentlich nur, sich vorab zu informieren, um dann, mit einem Meßschieber bewaffnet, den Modellhändler seines Vertrauens aufzusuchen.

Nach dem Hispano Suiza Break Franay vom gleichen Hersteller und dem Alfa Romeo 8c 2300 Viotti von Kess ist das schon das dritte Modell, das so daneben liegt, oder sollen wir anfangen, 1:39 zu sammeln?

Unser Fotomuster kommt von Supercars in München, vielen Dank für die Unterstützung.

Fotos und Text: Rudi Seidel

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