Mittwoch, 27. September 2017

Sie nannten ihn Hobel - Mercedes 300 SL W 194 011 Prototyp 1953 von Matrix Scale Models, 1:43

Wenn man an die berühmtesten Sportwagen aller Zeiten denkt, fällt einem sicherlich auch der Mercedes 300 SL ein. Viele Modellhersteller haben sich bereits an verschiedenen Versionen dieses Meilensteins versucht, Matrix gebührt die Ehre, das erste Serienmodell des Prototyps von 1953 zu präsentieren. Ansonsten kennen wir nur eine von TinWizard in Kleinstserie (60 Stück) produzierte Miniatur als Jahresmodell 2006 für den Mercedes Modellauto Club.

Nach der erfolgreichen Saison 1952, die durch Siege in Le Mans und bei der Carrera Panamericana gekrönt wurde, entschloss man sich spät im Jahr, den 300 SL für die kommende Saison weiterzuentwickeln. Rudolf Uhlenhaut, der verantwortliche Ingenieur, setzte ein Lastenheft auf, in dem er mehr Motorleistung, bessere Aerodynamik, niedrigeres Gewicht und ein besseres Fahrwerk mit optimierter Gewichtsverteilung als Voraussetzung für erhöhte Konkurrenzfähigkeit forderte. Um die Motorleistung zu erhöhen, begab man sich auf Neuland, eine mechanische Direkteinspritzung von Bosch brachte den gewünschten Effekt, 208 bis 214 PS wurden erreicht, die Le-Mans-Autos des Vorjahres mussten mit rund 165 PS auskommen. Die Karosserie wurde schmäler, niedriger und kürzer, die Verringerung der Stirnfläche und die kontrollierte Ableitung der Kühlluft unter dem Wagenboden und hinter den Vorderrädern brachten bei 250 km/h errechnete 28 PS Mehrleistung. Die Gewichtsreduzierung erfolgte durch Verkürzung des Chassis (Radstand 230 statt 240 cm), dünnere Plexiglasscheiben, Aluminium Für Getriebe und Tank sowie Karosserieteile aus Elektronblech. Zusammen mit einem Triebwerk mit Leichtmetall-Kurbelgehäuse kam man auf 965,5 kg, der Vorgänger wog noch 1095 kg. Viel Aufwand wurde ins Chassis gesteckt: Das Getriebe wurde zur Traktionsoptimierung vor die Hinterachse und die Batterie ganz nach hinten verlegt, dadurch verbesserte sich die Achslastverteilung vorne/hinten von 45,5/54,5 % auf 41,5/58,5 %. Vor allem die Hinterachsaufhängung wurde neu konzipiert, die alte Pendelachse genügte den Anforderungen nicht und wurde durch eine Eingelenkpendelachse mit Achshälften, die von den Antriebswellen getrennt waren, außerdem einepräzise Führung durch Schub- und Zugstreben. Die Räder wurden auf 16 Zoll vergrößert, zu Scheibenbremsen konnte man sich noch nicht durchringen. In Versuchsfahrten erreichte man mit dem „Elfer“, wie er nach seiner Fahrgestellnummer gerne genannt wurde, höchst zufriedenstellende Ergebnisse. Leider änderte sich die Planung bei Mercedes-Benz, man wollte sich voll auf den für 1954 geplanten Start in der Formel 1 konzentrieren, und so blieb dieser 300 SL ein Einzelstück, das aber für alle möglichen Testfahrten eingesetzt wurde und noch heute zum Museumsbestand zählt. Übrigens war das Auto kurzzeitig anthrazitfarben lackiert, wie ein zeitgenössisches Pressefoto dokumentiert, auf dem der Hobel zusammen mit dem W 194 von 1952, einem Serienflügeltürer und dem 300 SLR Uhlenhaut-Coupé abgelichtet ist. Heute ist er aber wieder silber. Der Serien-300 SL W 198 übernahm vom Prototyp übrigens nur den Einspritzmotor, das Fahrwerk baute auf dem des „normalen“ W 194 auf.

Formal ist der 53er recht eigenständig. Die Motorhaube weist schon auf das Serienmodell hin, der Kühlereinlass sitzt aber tiefer und idt kantiger. Überhaupt ist der Babyspeck der ersten SL weg, die größeren Räder und die Luftgitter an der Flanke tun ein übriges dazu. Die für den Serien-SL typischen Ausbuchtungen über den Radkästen fehlen noch völlig. Lediglich der Dachaufbau hat sich nicht mehr sehr geändert.

Auf den ersten Blick ist Matrix eine gute Reproduktion des W 194/11 gelungen. Als Vorbild diente der derzeitige Zustand, also mit größeren Kiemen an den Flanken und dem Auspuffendrohr im rechten Seitenschweller. Ehrlicherweise hätten wir uns die Ursprungsausführung gewünscht, aber damit kann man leben. Schade ist allerdings, dass Matrix wieder einmal der Neigung verfallen ist, das Modell unmaßstäblich zu breit und zu lang zu gestalten. Bei Spurweiten und Gesamtbreite macht das rund 3 mm und bei der Länge über 6 mm, das wirkt sich auf den Gesamteindruck sehr aus, da der Radstand maßstäblich ist, zudem dürften auch die Räder ein wenig schmäler sein. Die Detaillierung ist gewohnt fein, die Verarbeitung der vielen Kleinteile und der Scheiben sauber, schön auch das Interieur mit den karierten Sitzbezügen. Das Nachkriegskennzeichen am Heck ist gut gemeint, aber zur späten Version nicht passend. Auf einem mir vorliegenden Foto von Testfahrten am Hockenheimring 1953 trug der Hobel vorne ein schwarzes Kennzeichen, aber mit einer aanderen Nummer. Interessanterweise war das Auspuffendrohr bereits nach unten versetzt.

Bleibt als Fazit, dass Matrix es versäumt hat, uns ein perfektes Modell dieses interessanten Vorbilds zu präsentieren. Ist es denn wirklich so schwer, auf öffentlich zugängliche Daten zurückzugreifen, die in einigen Dokumentationen komplett gelistet sind. Für die gefragten 85 Euro würden wir uns mehr Genauigkeit wünschen.

Unser Fotomuster kommt von Supercars in München, vielen Dank für die Unterstützung.

Fotos und Text: Rudi Seidel

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