Sonntag, 31. Juli 2016
Die Rakete, die nicht zündete - Volvo 1800 GT Rocket 1968 von Premium X, 1:43
Die schwedische Marke Volvo war sicherlich in den 50er und 60er Jahren in erster Linie für robuste Alltagsautos bekannt, die vor allem in Skandinavien durchaus ansehnliche sportliche Erfolge bei Rallyes, aber auch auf Rundstrecken erlangten. Der Wunsch nach einem richtigen Sportwagen kam allerdings bald auf, der erste Versuch, ein P1900 genanntes Cabrio mit Kunststoffkarosserie, blieb eine kurze Episode, bereits 1957 war nach 67 Exemplaren Schluss, "Zu teuer und nicht dem Qualitätsstandard der Marke entsprechend" war das vernichtende Urteil des neuen Firmenchefs. Fast gleichzeitig fiel der Startschuss für ein neues Projekt mit den Komponenten der Amazon-Reihe, allerdings mit 245 statt 260 cm Radstand. Das Design stammte von Pelle Petterson, dessen Vater Helmer als Berater für Volvo maßgeblich an der Entwicklung des Buckel-Volvo PV444/544 beteiligt war. Pelle war später auch ein erfolgreicher Segelsportler (Bronze und Siber bei Olympia) und Bootskonstrukteur. Die ersten drei Prototypen entstanden übrigens bei Frua in Turin. Vor allem in den USA und in Großbritannien, wo es bis 1963 bei Jensen gefertigt wurde, aber auch in Europa verkaufte sich das P1800 genannte Coupé sehr gut, Kunden und Fachjournalisten sahen in dem Volvo einen idealen, kultivierten GT für zwei. Und dass Roger Moore als Privatdetektiv Simon Templar in der populären Fernsehserie "The Saint" einen weißen P1800 besaß, war nicht die schlechteste Werbung.
Wie bei Volvo häufig der Fall, blieb auch der P1800 bzw. ab 1963 1800S unter ständigen Verbesserungen lange im Programm, Fissore zeigte 1965 ein Einzelstück mit Schrägheck, das vielleicht den Anstoß für die Konstruktion eines Sportkombis gab. Man verfolgte zwei Entwürfe, den sogenannten Beach Car, aus dem der als Schneewittchensarg berühmte 1800 ES entstand, und den Jagdwagen, der später unter dem Namen Rocket bekannt wurde. Beide stammten aus der Volvo-Designabteilung unter der Leitung von Jan Wilsgaard. Die Firmenleitung konnte sich nicht entscheiden, daher ging der Auftrag zum Bau je eines Prototyps an Coggiola und an Frua, wo der Rocket entstand. Nachdem dieses Design dann doch als zu futuristisch empfunden wurde und der Aufwand für neue Presswerkzeuge wesentlich höher gewesen wäre, blieb der auch als Barrel (= Fass) bezeichnete Wagen ein Einzelstück, das heute noch im Museumsbestand von Volvo existiert. Die Entscheidung für den in Serie gegangenen 1800 ES war sicherlich nicht schlecht, immerhin wurden bis 1973 8077 Stück produziert. Und ob der Rocket mit seiner eher altmodischen Front zusammen mit dem kuriosen Heck vom Markt angenommen worden wäre, erscheint sehr fraglich.
In der Resinserie präsentiert uns Premium X interessante, oft extravagante Modellautos. Der Volvo Rocket ist da keine Ausnahme und die Miniatur macht große Freude. Die etwas eigenartige Form ist perfekt getroffen, die feine metallicblaue Lackierung und das rote Interieur sind vorbildgerecht. Die Scheibenrahmen und die Wischer sind Fotoätzteile, ansonsten findet man einiges an Chrom, schöne Scheinwerfer und passable Rücklichter. Die Räder sehen etwas einfach aus, entsprechen aber schon dem Original, auch der Kühlergrill dürfte etwas plastischer wirken, aber das ist Kritik auf hohem Niveau. Insgesamt hat Premium X wirklich gute Arbeit geleistet, noch dazu, wenn man bedenkt, dass diese Modelle in der 50-Euro-Preisklasse liegen. Wenn man ein Faible für Prototypen und Sonderkarosserien hat, sollte man sich diesen sehr speziellen Volvo nicht entgehen lassen!
Unser Fotomuster kommt von Supercars in München, vielen Dank dafür.
Fotos und Text: Rudi Seidel