Donnerstag, 2. Juni 2016

Der "Fetzenflieger" - Otto Mathés VW-Porsche-Eigenbau-Rennwagen von Autocult, 1:43

Otto Mathé, geboren 1907 im Zillertal und aufgewachsen in Innsbruck, begann früh mit dem Sport auf Rädern, von Fahrradrennen ging es bald zu den motorisierten Zweirädern, bereits mit 19 wurde er Tiroler Bergmeister, spezialisierte sich aber zusehends auf Sandbahnrennen. Sein Talent als Mechaniker und Tüftler führten zur Konstruktion eigener Maschinen, mit denen er viele Erfolge feierte. 1934 dann der Bruch: Ein Rennunfall in Graz verursachte eine nicht operable Lähmung des rechten Arms, damit schien die Karriere beendet. Aber Mathé ließ sich nicht unterkriegen. Für seine zweite Leidenschaft, das Skifahren, entwickelte er eine völlig neuartige Sicherheitsbindung sowie den ersten Schnallenskistiefel, den er vor allem wegen seiner Behinderung benötigte, um nicht auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Ein Vermögen machte er mit Additiven für Schmier- und Kraftstoffe, die den Verschleiß mindern sollten und wohl größtenteils aus billigem Altöl entstanden. Die Rennerei ließ ihm keine Ruhe, nach einem Fiat Ballila Spider hatte er dann 1949 die Möglichkeit, einen der Berlin-Rom-VW Typ 60 zu kaufen. Auf Rechtslenkung umgebaut, konnte Mathé damit einige Erfolge erzielen. Der ihm eigene Fahrstil mit dem gelähmten rechten Arm war einzigartig, beim Schalten mit der linken Hand klemmte er das Lenkrad sozusagen mit dem Brustkorb ein, daher auch die eigenartige Haltung hinter dem Volant. Später kamen zum Fuhrpark noch zwei der 356 Gmünd-Leichtmetall-Coupés, aber das ist eine andere Geschichte . . .

Das spektakulärste Fahrzeug im Besitz des Tirolers war sicherlich der Fetzenflieger oder die Blechbüchse, wie der Besitzer sein Unikat bezeichnete. Aus diversen VW- und Porsche-Teilen entstand auch aus Resten eines verunfallten Typ 60 ein Monoposto, der in erster Linie für Eis- und Sandbahnrennen geeignet sein sollte, aber mit Hilfe von Kotflügeln und Scheinwerfern auch zum Sportwagen umgebaut werden konnte. Ein simpler Leiterrahmen, die VW-Vorderachse mit Torsionsstäben, der Tank in der Mitte und umgedreht eingebaute Motor-Getriebeeinheit, zuerst ein normales Porsche-Triebwerk, (ab 1955 eine Carrera-Maschine) sowie die unveränderte Hinterradaufhängung von VW, das war es in groben Zügen. Der Fahrer saß aus bekannten Gründen weit vorne dicht am Lenkrad auf einem Sitz aus Metallgestell und Gummibändern, die Karosserie war eher rudimentär. Eine rollerähnliche Windschutzscheibe und ein in die Frontpartie integrierter Drehzahlmesser dienten dem Komfort und der Information des Piloten. Die Vergaser und Luftfilter standen keck links und rechts aus der Motorhaube heraus, für die Sandbahn spannte man meist eine Stoffplane über die Öffnung, um den gröbsten Dreck abzuhalten. Mit 395 kg und 130 PS war einiges möglich und vor allem Drifts, die auf Eis und Sand wichtigste Fahrweise, waren mit dem ausbalancierten, mit niedrigem Schwerpunkt gesegneten Fetzenflieger optimal zu gestalten. 1952 gebaut, erfolgte der erste Sieg 1953 bei einem Sandbahnrennen in Wien, der letzte Erfolg datierte vom Eisrennen auf dem Zeller See 1959 gegen illustre Konkurrenz wie Huschke von Hanstein und Richard von Frankenberg auf Porsche Spyder. Dazwischen lagen Siege auch bei Bergrennen wie Zirler Berg, Gaisberg, Wurzenpass oder Coppa delle Dolomiti. In den 80er Jahren tauchte Otto Mathé zuweilen bei Oldtimerveranstaltungen auf, nach seinem Tod kaufte Johann Kofler den Fetzenflieger und bewegte ihn weiterhin bei historischen Rennen, derzeit ist er der Mittelpunkt der Otto-Mathé-Sammlung im Hamburger Prototyp Museum.

Interessantes Detail am Rande ist sicherlich, wie Mathé sein Rennauto transportiert hat. Dazu diente einer der Gmünd-356 Coupés. Mit Dachgepäckträger, Hängerkupplung und Einachsanhänger ging man auf Reisen, oft waren auf dem Dach des Porsche die Spikereifen für die Eisrennen verzurrt oder auch die langen Kotflügelelemente für den Umbau auf Sportwagenregeln. Davon gibt es dankenswerterweise noch einige Fotos, für einen fähigen Modellbauer wäre das eine tolle Herausforderung!

Die Miniatur von Autocult hinterlässt sofort einen sehr guten Eindruck. Da die rudimentäre Karosserie (in vielleicht etwas zu glänzendem, aber perfekt aufgetragenen silber) die Technik des Fetzenfliegers kaum bedeckt, bleibt viel Raum für Details. Die Radaufhängungen sowie der Innenraum mit dem Sitz, der an einen alten Gartenstuhl erinnert, das Porsche-Triebwerk mit Vergaserbatterie und Luftfiltern, alles ist sehr fein reproduziert. Der Drehzahlmesser wurde nicht vergessen und die unterschiedlichen Scheibenräder mit gut profilierten, nur ein wenig zu breiten Reifen entsprechen dem Vorbild. Bei Eisrennen war das Auto mit noch wesentlich schmäleren Reifen mit Spikes ausgerüstet. Die Startnummer 1 könnte dem Sandbahnrennen von Bad Homburg am 18. September 1955 entsprechen, dort trug die Blechbüchse allerdings die Stoffabdeckungen über den Vergasern. Uns ist die Reproduktion so lieber, erstens gibt es mehr Details zu sehen und zweitens ist die Nachbildung von Stoff in 1:43 meist nicht optimal. Die Lüftungsschlitze am Heck wirken sehr plastisch, die Windschutzscheibe passt genau. Sicherlich wird es Detailfanatiker geben, die meinen, dass man manche Einzelheit an Motor und Aufhängungen noch filigraner hätte gestalten können, wir sind aber der Meinung, dass ein optimaler Kompromiss zwischen Aufwand und optischer Wirkung gefunden wurde. Wir haben den Fetzenflieger in unser Herz geschlossen und freuen uns über ein weiteres Modell, das den Rennsport in der nicht einfachen Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg dokumentiert.

Unser Fotomuster kommt von Autocult, herzlichen Dank für die Unterstützung.

Fotos und Text: Rudi Seidel. Für die Recherche zu diesem Artikel dienten in erster Linie Karl Ludvigsens „Porsche - Ursprung einer Marke“ sowie Gabriele Geutebrücks Mathé-Biographie „Sein Herz schlug für Porsche“. Beide Bücher sind sehr empfehlenswert und problemlos zu bekommen. Darin findet man wesentlich ausführlichere und diesen Artikel sprengende Informationen über den Menschen Otto Mathé, seine Entwicklungen und seine Autos.

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