Montag, 16. Mai 2016

Vorübergehende Erscheinung: MOMO Mirage 1972 von Kess Scale Models, 1:43

Auch die Geschichte des MOMO Mirage folgt dem bekannten Strickmuster: Reicher Sportwagenfahrer ist unzufrieden und beschließt, ein Auto nach seinen Wünschen entwickeln zu lassen. In diesem Fall geht es um Peter Kalikow, einen begüterten amerikanischen Autofan und seine angebliche Kritik am Fahrverhalten des 1967 neuen Aston Martin DBS. Zusammen mit dem New Yorker Exklusivfahrzeughändler Alfred Momo, früher bei Cunningham tätig und mit Kontakten zu nahezu allen europäischen Autoleuten machte man sich an die Arbeit. Der geplante GT sollte eine Quintessenz aus der Sportlichkeit eines Ferrari und des Komforts eines Rolls Royce bieten, sicherlich ein ambitioniertes Ziel!

Mit dem Fahrwerk sollte sich der Ex-Maserati-Konstrukteur Giulio Alfieri befassen, Terminprobleme führten dazu, dass letztlich die kleine, vor allem durch Formel-Junior-Rennautos bekannte Firma Stanguellini ein Plattform-Chassis schuf, die Vorderachse des Jaguar Mk II adaptierte, auch für hinten eine Einzelradaufhängung konstruierte, Lenkung, Dämpfer und Bremsen steuerten Zulieferer wie Koni und Girling bei. Das Triebwerk kam wie oft bei solchen Projekten aus den USA, unkomplizierte Technik und genügend Leistung sollten so gewährleistet sein. Im Falle des Mirage war Chevrolet der Lieferant, der 5,7-Liter V8, der auch die Corvette befeuerte, aber auch für den ISO Rivolta, einem dem MOMO ähnlichen Konzept, verwendet wurde, sollte mit rund 300 PS flottes Vorwärtskommen ermöglichen. Eine geplante Kraftstoffeinspritzung blieb wohl unvollendet, aber vier Weber-Doppelvergaser statt des in Amerika üblichen Vierfachvergasers wurden verbaut. Zur Wahl standen als Kraftübertragung ein ZF-5-Gang-Getriebe oder eine GM-Dreigang-Automatik.

Die sehr elegante 2+2-Coupé-Karosserie entstand bei Pietro Frua, nachdem Anfragen bei Ghia, Michelotti und Pininfarina ergebnislos verliefen. Das Design kam aber, wenn man Peter Kalikows Erinnerung glauben darf, nicht vom Maestro persönlich, sondern von Gene Garfinkel, einem früheren Mitarbeiter von Raymond Loewy, der zu dieser Zeit bei Pietro Frua beschäftigt war. Sei es wie es sei, der MOMO Mirage wurde ein höchst attraktives Coupé. Der zierliche Dachaufbau mit kräftiger C-Säule, die gestreckte Seitenlinie mit ausgeprägten Radläufen, in denen die Leichtmetallräder satt sitzen, das passt alles hervorragend, lediglich der Kühlereinlass wirkt vielleicht etwas zu massiv. Sicherlich wurde das Design von Tom Tjaardas Lancia Marica beeinflusst, einem Coupé, das 1969 für Ghia entstand. Andererseits findet man einige Stylingelemente bei Pininfarinas Fiat 130 Coupé wieder, auch die großen Carrozzieri waren sich nicht zu schade, manche Elemente zu kopieren.

Wie so oft, wurde auch der MOMO Mirage keine Erfolgsstory und machte seinem Namen (Mirage = französisch für Wunder, aber auch für Luftspiegelung, Erscheinung, Fata Morgana) alle Ehre. Geplant war eine Jahresproduktion von 25 Stück, dazu kam es nie. Der erste Prototyp entstand 1971, im darauffolgenden Jahr sollten erst einmal 12 Autos produziert werden. Die exorbitant steigenden Kosten und die üblichen italienischen Probleme (Qualität, Streik, Termineinhaltung) sorgten dafür, dass Kalikow schon im Herbst die Notbremse zog. Die Bilanz bis dahin waren 9 gebaute Chassis, 5 fertige Coupés (inklusive der beiden Prototypen) und 500.000 $ Verlust. Die beiden Prototypen (braun metallic und blau metallic) sowie ein silbernes Auto verblieben bei Kalikow, ein Fahrzeug ging an General Motors, der letzte fertige MOMO wurde wohl von Stanguellini in Italien verkauft und soll später ausgebrannt sein. Von den restlichen vier Chassis ist nichts nachweisbar.

Peter Kalikows drei MOMOs befinden sich heute noch bei ihm in New York und werden gelegentlich präsentiert, so konnte man das silberne Auto 2009 beim Concorso in Villa d'Este bewundern.

Mit Kess Scale Models haben wir bisher sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht, sehr ausgefallene Vorbilder, teils tolle, aber auch eher schlechte Modelle und eine gewisse Qualitätsstreuung ergaben etwas Zurückhaltung beim Ordern. Beim MOMO Mirage können wir aber nahezu nur positives berichten. Die Wiedergabe der eleganten Form ist perfekt, die Detaillierung bis ins kleinste gelungen und auch der Qualitätseindruck höchst erfreulich. Die tiefblaue Lackierung und das rote Interieur harmonieren gut, die Innenraumdetails sind fein reproduziert. Chromteile und Fenstereinsätze einschließlich der Rahmen sind sauber verarbeitet, auch die Scheinwerfer und Rücklichter sind fein ausgeführt. Der Rückspiegel nur links ist vorbildgerecht, allerdings entspricht das Kennzeichen nicht dem Original.

Wer sich für italienische Exoten interessiert, sollte den MOMO Mirage unbedingt in die Vitrine stellen, bei diesem Modell stimmen Qualität sowie Vorbildtreue und auch der Preis von rund 80 Euro ist für das Gebotene akzeptabel.

Unser Besprechungsmuster kommt von Supercars in München, vielen Dank für die Unterstützung.

Fotos und Text: Rudi Seidel

Anmerkung: In der gedruckten Literatur gibt es relativ wenig über die MOMO-Story. Einige Fotos und Daten finden sich in dem großen Stanguellini-Buch von Orsini/Zagari, ansonsten hilft das www weiter. Besonders aufschlussreich ist in diesem Fall der Beitrag im deutschen Wikipedia, aus dem ich wichtige Informationen entnehmen konnte.

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