Samstag, 24. August 2013

Grace and Pace: Jaguar XJ6 von Paragon, 1:18

45 Jahre, nachdem der Jaguar XJ6 der ersten Serie der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, liefert Paragon nun den lang angekündigten Nachfolger des Mark 2 (bzw. seines Ablegers S-Type) aus. Das Vorbild unseres Modells war so erfolgreich, dass das Design der XJ-Baureihe letztlich bis zum Vorgänger des aktuellen XJ (also 40 Jahre lang!) immer nur leicht verändert wurde, und im Retro-Design-Trend der Jahrtausendwende sogar der Baby-Jag X-Type die Designvaterschaft der Großkatze erkennen ließ. Erst unter den indischen Besitzern fand eine radikale Abkehr von der vertrauten Form statt, so dass man beim aktuellen XJ von hinten unwillkürlich an einen französischen Hersteller denkt. Dagegen war die Formensprache des ersten XJ typisch britisch traditionell den Vorgängern verpflichtet und die Familienzugehörigkeit blieb so sichtbar, dass man den Schriftzug „Jaguar“ für überflüssig befand. Kein Wunder, denn der Firmengründer selbst hatte beim XJ ein letztes Mal maßgeblichen Anteil am Fahrzeugdesign. Deswegen ist es eine nette Idee von Paragon, das persönliche Fahrzeug von Sir William Lyons als Modell umzusetzen.

Die grünlich-braune Farbe ist sicherlich nicht jedermanns Geschmack, gibt aber dem Modell buchstäblich historisches Kolorit. Der Sable-Brown-Farbton wurde, das kann man anhand von Fotos sehr gut vergleichen, absolut exakt getroffen und der Unilack ist von Paragon (fast) fehlerlos aufgetragen (Ausnahme an der linken Rückleuchte). Die elegant geduckten Linien der Katze wurden sehr gut umgesetzt. Die Spaltmaße bei Türen und Hauben gehen in Ordnung, auch wenn es gerade bei den Fondtüren Verbesserungspotential gibt.

Die chromgefassten Scheinwerfer besitzen eine ausgezeichnete Tiefe und Strukturierung der Verglasung und die Glühlämpchen könnte man auf den ersten Blick fast für tatsächlich durchsichtig halten. Die ebenfalls chromgefassten Blinkergläser und Rücklichter bestehen dagegen leider nur aus gefärbtem Klarglas ohne jede Strukturierung und Tiefenillusion und lassen sogar den Stift erkennen, mit dem die Beleuchtung im Modell verankert ist. Das ist schon schade und war beim Neoscales XJ Coupé besser. Die unter den Rücklichtern angebrachten Reflektoren sind zwar nur bemalt, wirken aber in ihrer Winzigkeit überzeugender. Auch die in völligem Klarglas und mit jeweils gleich zwei Pins auf die horizontale Chromleiste an der Oberkante des Kofferraumdeckels aufgesetzten Rückfahrleuchten hätte man besser strukturiert und nur aufgeklebt.

Schön gelungen sind sämtliche Chromteile: die Stoßfänger, Auspuffrohre, Tankdeckel, Fensterrahmen, Türgriffe, Felgen und Felgenabdeckungen nebst Jaguarkopf, Seitenspiegel und der geflügelte Kofferraumgriff. Die Scheibenwischer sind nicht feiner ausgearbeitet, wirken aber überzeugender als die Fotoätzteile des Neoscale XJ-Coupé. Der Kühlergrill und die daneben liegenden Lufteinlässe sowie der Lüftungseinlass vor der Frontscheibe sind nicht durchbrochen, vermitteln aber durch Struktur- und Farbgebung erfolgreich die Illusion. Namentlich beim großen Kühlergrill, an dem übrigens der Jaguarkopf gut gelungen ist, fällt dem Betrachter nur bei nach vorn geklappter Motorhaube auf, dass der Kühlergrill aus einer massiven Zinkdruckplatte besteht, die vorn eingesetzt wurde. Paragon könnte also stattdessen bei späteren Modellvarianten auch den etwas anderen Kühlergrill des XJ12 dort einsetzen.

Auch im Motorraum selbst wäre noch reichlich Platz für den größeren V12-Motor, der im XJ eigentlich vorgesehen, aber 1968 noch nicht fertig war, so dass wir nun dort einen alten Bekannten, den XK-Reihensechszylinder, finden. Dieser ist schön detailliert dargestellt: Der Aluminiumkopf ist farblich gut vom gusseisernen Block des Motors zu unterscheiden, die 6 Zündkabel richtig verteilt, etc.. Nur einen der Luftschläuche vermisse ich. Besonders hübsch finde ich das rote Lüftungsrad. Dass dies der bewährte 4.2 Liter-Motor ist, der die Standardmotorisierung war, mit dem ¾ aller XJ ausgeliefert wurden, erkennen wir natürlich nur am Schriftzug auf dem Kofferraum. Damit beschleunigte der XJ in unter 9 Sekunden auf Hundert und erreichte 200 km/h. Die 2.8 Liter-Version wurde mit Rücksicht auf die teure Kfz-Steuer auf größeren Hubraum auf dem europäischen Festland angeboten, erwies sich aber als recht durchzugsschwach (0-100 km/h in 11 Sekunden, 188 km/h Spitze) und vor allem schadensanfällig und wurde bei der Serie 2 des XJ durch etwas mehr Hubraum (3.4 Liter) ersetzt. Diese wesentlich seltenere Motorisierungsvariante stellt Paragon mit dem roten XJ6 dar.

Mit einem Blick in den Innenraum erkennen wir, dass Paragon hier in beiden Motorisierungs- und Farbvarianten ein Fahrzeug mit dem seltener gewählten 4-Gang-Schaltgetriebe darstellt, während die meisten XJ mit Borg-Warner-Automatik bestellt wurden. Das Armaturenbrett verdient diesen Namen dank der superb gelungenen Holzimitation zu Recht und die bewusst von Jaguar gegen ergonomische Erwägungen angeordneten Armaturen beeindrucken auch im Modell wie beabsichtigt. Besonders die Darstellung der Kippschalter und das springende Kätzchen links in der Mittelkonsole vor der Schaltung neben Radio und den Lüftungsreglern ist gelungen. Was eine senkrechte Anzeigetafel zwischen chromumrandetem Drehzahlmesser und Tacho sein sollte, erscheint aber leider nur als Erhebung im Holzimitat. Die Rundinstrumente sind um des Effekts willen oft weiß unterlegt, obwohl im Original alles schwarz ist, was ich aber akzeptabel finde. Etwas seltsam stehen dagegen im beflockten Fußraum die Pedale absolut senkrecht an der Wand zum Motorraum. Wie beim Vorbild gibt es nur vorne Sicherheitsgurte, aber reichlich Armlehnen und Austrittsdüsen für die Lüftung und Heizung.

Alles in allem vermag der Modell-XJ6 also wie damals schon das Original zu begeistern, vor allem weil es sein Vorbild auch im Preis-Leistungsverhältnis ausgezeichnet nachahmt. Während der echte XJ6 durch die gelungene Mischung aus Fahrkomfort und –leistung überzeugen und gleichzeitig Konkurrenten weit unterbieten konnte, bietet diese Miniatur zu Preisen zwischen 80 und 90 Euro Qualitäten, die einen Vergleich mit Modellen zu über 100 Euro nicht scheuen müssen. Gleichzeitig ist aber auch die Miniatur jaguartypisch nicht perfekt.
Vor allem entspricht gerade diese Ausführung des XJ6 dem Anspruch des Herstellers, „accurate“ zu sein in einem wichtigen Punkt nicht ganz: Trotz des hervorragend getroffenen Farbtons, des korrekten Kennzeichens, der richtigen Motorisierung und der Rechtslenkung ist dies nicht der leicht übers Internet zu vergleichende persönliche XJ6 von Sir William Lyons, denn dieser hatte vorn zusätzlich Nebelscheinwerfer und vor allem das Automatikgetriebe. Trotzdem: Ein schöner XJ6, dem gern noch Varianten (Polizei, XJ12) und die anderen Serien des XJ folgen dürfen.

Text&Fotos: Karsten Weiß

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