
Sonntag, 17. Oktober 2010
Jo Siffert und Gerhard Mitter - Zwei hochinteressante Biographien sind soeben erschienen!
In den 60er Jahren gehörten Joseph Siffert und Gerhard Mitter zweifellos zu den ganz Großen auf der Rennstrecke, wenn auch beiden die Krone des Formel 1-Weltmeisters oder des Le Mans-Siegers verwehrt blieb. Zwischen den beiden Fahrern gibt es einige Parallelen: Beide kamen aus relativ bescheidenen Verhältnissen und mussten sich ihre Karriere erkämpfen, beide entwickelten ihr Talent nach einer kurzen Motorradzeit sowohl im Sportwagen als auch auf Monoposti, beide hatten zeitweise ihr eigenes Team, bevor sie Werksverträge bekamen, und leider starben sie beide im Rennauto: Mitter am 1. August 1969 beim Training zum GP Deutschland, an dem er mit einem BMW Formel 2 teilnehmen wollte, Siffert am 24. Oktober 1971 bei einem nicht zur WM zählenden Formel 1-Rennen in seinem BRM, mit dem er vorher schon den GP von Österreich gewinnen konnte. Und beide hinterließen Frau und zwei kleine Kinder, damals war der Motorsport viel gefährlicher und grausamer als heute!
Gerhard Mitter war nicht nur Rennfahrer, sondern auch exzellenter Techniker und Motortuner. Sein Einstieg auf vier Rädern 1958 war eine Eigenkonstruktion für die damals populäre Formel Junior, ausgerüstet mit einem getunten DKW-Zweitakter. 1960 wurde das DKW-Triebwerk in ein Lotus-Fahrgestell verpflanzt, und Mitter wurde Deutscher Meister der Formel Junior. der er bis 1963 treu blieb. Erste Gehversuche in der Formel 1 mit unterlegenem Material ab 1962 erbrachten immerhin einen 4. Platz beim GP Deutschland 63 mit einem alten Vierzylinder-Porsche 718. Dies blieben auch die einzigen F1-WM-Punkte seiner Karriere. Aus seiner beruflichen Existenz, einer Vertretung für Simca und Porsche in Böblingen, ergaben sich Kontakte nach Zuffenhausen, die 1964 zu einem Werksvertrag führten. Und bei Porsche feierte Mitter seine größten Erfolge: Dreimaliger Europabergmeister 1966-1968 mit Siegen bei den bedeutendsten Bergrennen, Targa-Florio-Gesamtsieger 1969 und Teammitglied der Porsche-Mannschaft, die den Markenweltmeistertitel holte. Die Liebe zum Monoposto aber blieb, und nachdem Porsche ihm nichts bieten konnte, versuchte er sich 1969 mit dem neuen BMW Formel 2, der ihm dann zum Verhängnis wurde.
Joseph Siffert begann ebenfalls in der Formel Junior, 1960 mit einem Stanguellini-Fiat, sparte eisern und kaufte sich für 1961 einen Lotus, mit dem sich erste Erfolge einstellten. Die Verbindung mit dem bekannten Rennstallbesitzer und Mäzen Georges Filipinetti, der von einem Schweizer Nationalteam in der Formel 1 träumte, brachte Siffert auf schnellem Weg in die Königsklasse. Die Zusammenarbeit erwies sich als sehr schwierig, Erfolge blieben aus, so dass Jo Siffert 1963 sein eigenes Team gründete. Zuerst auf Lotus 24-BRM, dann auf einem Brabham BT11-BRM gelangen Achtungserfolge wie ein Sieg in Enna-Pergusa, einem nicht zur WM zählenden Rennen. Geld war immer knapp, und so erwies sich der Whisky-Erbe und Rennfan Rob Walker als einmalige Chance für Siffert, konkurrenzfähiges Material zu bekommen. 1965 ging es mit dem Brabham weiter, 66/67 kam einer der monströsen Cooper-Maserati ins Team, aber für 1968 kaufte Rob Walker einen Lotus 49 Cosworth, mit dem Jo Siffert den British GP in Brands Hatch gewinnen konnte, bis dato der letzte Sieg eines Privatteams in der Formel 1-WM. 1969 folgten noch einige gute Platzierungen, 1970 ein schlechtes Jahr als Werksfahrer bei March und 1971 der Sprung in ein Spitzenteam, das BRM damals war, der Sieg beim GP von Österreich und das traurige Ende. . .
Wie die meisten anderen Fahrer hatte auch Jo Siffert zusätzlich immer Sportwagenrennen auf dem Kalender. Zuerst sporadische Einsätze auf Ferrari GTO, Porsche 904 oder Shelby Cobra, ab 1966 dann Marken-WM für Porsche. Dort gehörte Siffert zu den ganz Großen: Zusammen mit Hans Herrmann, Vic Elford und Brian Redman gab es Siege in Daytona, Sebring, Spa, Brands Hatch, am Nürburgring, und zusammen mit Kurt Ahrens den ersten Sieg des Porsche 917 überhaupt in Zeltweg 1969. Für 1970 ging Siffert zu John Wyer, mit den Gulf-Porsche und Fahrern wie Redman, Bell und Rodriguez ging die Erfolgsgeschichte weiter, wenn auch der Le Mans-Sieg nicht kommen wollte.
Nicht zu vergessen ist, dass der Schweizer auch der Formel 2 treu blieb, 1967 bis 1970 meist auf BMW, 1971 dann auf einem eigenen Chevron-Cosworth. Und dann gab es noch die Can Am, wo Siffert 1969 und 1971 der Wegbereiter für die späteren Porsche-Erfolge sein sollte.
Wenn man sieht, was Rennfahrer früher geleistet haben, kann man schon ins Grübeln kommen. Oder können Sie sich vorstellen, dass Fernando Alonso nächstes Jahr vielleicht am Norisring auftaucht oder Lewis Hamilton die 24h am Nürburgring mitfährt? Aus den kurzen Karrierebeschreibungen kann der Leser schon sehen, wie interessant die beiden Biographien sein könnten, und soviel sei gesagt, beide Bücher erfüllen die Erwartungen, allerdings jedes auf eine andere Art.
Der österreichische Autor Siegfried C. Strasser hat sich intensiv mit Gerhard Mitter auseinandergesetzt. Durch den engen Kontakt zur Familie hat er Zugriff auf ungeahnte Mengen von Fotos, Dokumenten und auch Erzählungen über den Rennfahrer, aber auch den Menschen Mitter. Die Befragung vieler Zeitgenossen, Kollegen und Freunde ergibt weitere Aspekte, und die in das Werk integrierten Exkurse über Weggenossen wie Roman Dirschl alias Franz Müller oder Günther Klass usw. sind hochinteressant. Das Buch ist um eine klare Gliederung bemüht, durch die Berichte der Zeitzeugen (u. a. Paul Ernst Strähle, Herbert Linge, Eberhard Mahle, Toni Fischhaber, Udo Schütz, Klaus Steinmetz) und die Erinnerungen der Familie im Anschluss an die Beschreibung der Karriere wiederholt sich manches natürlich. Das verwendete Bildmaterial ist, wie schon gesagt, einzigartig, vor allem die vielen persönlichen Fotos sind hervorragend.
Das Layout ist einfach und zweckgebunden, diese Textmenge und über 600 Bilder wollen auf 272 Seiten untergebracht sein, eine Tabelle mit allen Rennen Gerhard Mitters findet man im Anhang, auffällig ist die saubere Korrektur der Texte und die hervorragende Bildwiedergabe und Druckqualität. Der Schreibstil von Siegfried Strasser ist als sehr lebhaft sowie ab und zu weit ausholend zu bezeichnen, und manchmal geht ihm das Temperament durch, wenn er zum Beispiel den Ausfall Mitters bei der Targa Florio 66 mit dem Tag der deutschen Kapitulation im Zweiten Weltkrieg in Verbindung bringt. . .
Allein aufgrund der umfassenden Chronik der Formel Junior-Einsätze und der Erfolge bei der Europa-Bergmeisterschaft ist diese Biographie ein Muss für den Rennsportbegeisterten, und wer sich für den Menschen Gerhard Mitter und seine Zeitgenossen interessiert, kommt an Strassers Werk nicht vorbei.
Rennsportlegende Gerhard Mitter von Siegfried C. Strasser ist erschienen bei Schneider Media, ISBN 3931824438, hat 272 Seiten und über 600 Abbildungen, die Ausgabe ist auf 2650 numerierte Exemplare begrenzt, der Preis beträgt 39,90 Euro.
Gerhard Mitter und Jo Siffert waren gemeinsam Porsche-Werksfahrer, allerdings immer mit anderen Copiloten, man spricht aber durchaus von einer Freundschaft, die beide verband. Den letzten Dienst für seinen deutschen Freund leistete der Schweizer, als er ihn 1969 zu Grabe trug. Leider ereilte ihn zwei Jahre später das gleiche Schicksal. . .
Die vorliegende Biographie über Jo Siffert ist als Bildband konzipiert, Reinhard Klein hat sein berühmtes Archiv geöffnet, und mit der Unterstützung anderer Enthusiasten und Sifferts Sohnes Philippe kam eine wunderbare Sammlung von Fotos über den beliebten Schweizer heraus. Die Erläuterung und damit die Erzählung der Karriere wurde an Ed Heuvink übertragen, der ja schon durch sein Buch über die Scuderia Filipinetti sein Können gezeigt hat. In großem Format auf hochwertigem Papier zeigt sich dieses exklusive Werk. Das Layout ist großzügig, durch die dreisprachige Auslegung erfordert natürlich der Text seinen Raum, so dass der Umfang auf 334 Seiten ansteigt. Mir ging es so, das ich das Buch in die Hand nahm und dann für die nächsten Stunden in die Welt des Jo Siffert abtauchte. Die Bildauswahl ist von großer Dichte, die Texte dazu prägnant und auf das Wesentliche beschränkt. Privates wird angerissen, aber nicht ausgewalzt. Beeindruckend vor allem die Porträts, von denen man die ganze Anspannung des Rennfahrers ablesen kann, aber auch den Spass, mit dem die Piloten sich oft begegneten. Natürlich sind fast alle Renneinsätze im Bild dokumentiert, selbst vom Bergrennen auf Shelby Cobra oder vom ersten Le Mans-Einsatz 1965 mit dem Mittelmotor-Maserati Tipo 65 findet man Fotos. Und auch die sporadischen Ferrari-Einsätze zusammen mit seinem Freund David Piper auf dessen Autos finden sich im Bild. Nebenbei war auch Jo Siffert Porsche-Händler, in Fribourg gab es allerlei exklusive Fahrzeuge zu kaufen und auch zu mieten. Für ein kleines Vermögen stattete Jo den Le Mans-Film von Steve McQueen mit diversen Rennsportwagen aus, und auch die Gebrüder Schlumpf aus Mülhausen zählten zu seiner Klientel. Die Bilder des Betriebes und andere private Aufnahmen sind natürlich das Salz in der Suppe.
Ed Heuvink und Reinhard Klein ist ein wirklich hervorragendes Buch gelungen, das mit einem ausführlichen Tabellenteil alle Einsätze Sifferts dokumentiert. Wir geben für dieses Buch eine 100%ige Empfehlung!
Jo Siffert - Die Schweizer Rennfahrer-Legende von Ed Heuvink ist im Verlag McKlein erschienen, ISBN 978-3-927458-47-5, hat 334 Seiten, 97 Farb- und 263 Schwarzweißfotos und kostet 49,90 Euro
Wir danken den Verlagen für die Unterstützung.
Besprechung: Rudi Seidel