Mittwoch, 11. Dezember 2024
Spezielles Buch über ein spezielles Auto - "Alfa Romeo Sprint Speciale" von Patrick Dasse bei Dingwort
Patrick Dasse hat sich einen Namen als Autor hervorragender Bücher über verschiedene Alfa Romeos gemacht, „Alleggerita“ über die Giulia GTA und einige Bände über Giulia, Spider, TZ, Montreal usw. gelten inzwischen als absolute Referenz, um die Originalität von Fahrzeugen festzustellen oder bei Restaurierungen Klarheit zu verschaffen. Dazu erhielt Dasse Zugang zum unerschöpflichen Werksarchiv, musste allerdings Detektivarbeit erbringen, um die Bilder zu beurteilen und zuzuordnen. Wie der Autor selbst schreibt, fand er großartige Unterstützung in der Person von Dr. Marco Fazio, dem ehemaligen Leiter des Centro Documentazione von Alfa Romeo in Arese, aber auch von anderen wichtigen Personen im Museum. Für den zweiten Band über den Sprint Speciale konnte er über Fotos des Archivs von Actualfoto in Bologna verfügen, einer nahezu unendlichen Quelle von Bildern damaliger rennsportlicher Veranstaltungen.
Patrick Dasse beschreibt die Entstehung der Giulietta Sprint Speciale als sportlichere Version mit einem sensationellen Karosseriedesign des damaligen Bertone-Chefdesigners Franco Scaglione. Es fanden sich durchaus Elemente der berühmten Studien BAT5, BAT7 und BAT9, die aus der gleichen Feder stammten. Allerdings stellte sich bald heraus, dass die Giulietta SS gegen die von Zagato modifizierten Fahrzeuge nicht völlig konkurrenzfähig war, was letztlich zur Berlinetta SZ führte, die als Sportgerät besser geeignet war. Dennoch konnte der Sprint Speciale vor allem bei kleineren nationalen Events mithalten und wurde häufig bei Rallyes oder Bergrennen, aber auch bei internationalen Rennen wie der Targa Florio eingesetzt. Der kommerzielle Erfolg war naturgemäß bei einer aufwendigen Kleinserie nicht zu groß, aber immerhin wurden insgesamt 1.260 Giulietta SS sowie 1.400 Giulia SS produziert. Anhand der im Firmenarchiv vorhandenen Fotos zeigt der Autor die Entwicklung des Sprint Speciale vom ersten Prototypen bis hin zur Serienfertigung sowie natürlich die Änderungen während der Produktion. Sehr interessant finde ich die Bilder von den Salonauftritten in Genf, Turin, Frankfurt usw., sogar einige Farbaufnahmen sind dabei. Besonders für Besitzer oder Restaurierer dieser Autos dürften die Detailfotos von Interieur, Armaturentafel oder Motorraum von großem Wert sein. Dieser Teil des Buches schließt mit dem Produktionsende der Giulia SS im Jahr 1966. Auf knapp 50 Seiten findet der Leser Fotos und Fakten zu Motorsporteinsätzen in Italien, beginnend 1959 in Monza. Aber auch eine ganz besondere SS Berlinetta wird beschrieben, die auf einem SZ-Chassis basierte und unter anderem aerodynamisch verkleidete Frontscheinwerfer besaß. Der erste Band enthält noch den Abdruck von Prospektblättern sowie Homologationsunterlagen und einer Aufstellung der Produktionszahlen.
Im zweiten Band wollte sich Patrick Dasse eigentlich nur das Fahrzeugregister der früheren Giulietta SS Tipo 101.20/750 SS beschränken, das waren die frühen Exemplare mit der flacheren Schnauze (auf Italienisch „Muso Basso“). Aber die gefundenen Informationen über spätere Fahrzeugnummern sowie Teilnahmen an Wettbewerben schienen ihm so interessant, dass er sie mit aufgenommen hat. Das spricht natürlich in erster Linie Spezialisten der Marke und dieses Typs an, aber durch die zahlreichen Fotos von Rennen und Rallyes unterhält es auch Sportfans. Die Giulietta SS mit ihrer charakteristischen Linie im Renneinsatz im damaligen Ambiente besitzt schon ihre ganz eigenen Reize. Man sieht Modifikationen, Schäden von zu hartem Einsatz und zeittypisches Umfeld. Da der zweite Band neben den Daten der einzelnen Autos und ihrer Rennbeteiligung keine längeren Texte enthält, ist es völlig in Ordnung, dass man auf die deutsche Übersetzung verzichtet hat.
Bildwiedergabe, Druck und Verarbeitung sind tadellos, wie auf einem Bild zu sehen, werden die beiden Bände in einem Umkarton geliefert, der der Aufbewahrung dienen kann. Der Text ist im ersten Band zweisprachig angelegt, immer in der linken Spalte Englisch, in der rechten Deutsch, damit kommt man gut zurecht. Bei den kursiv gesetzten Bildtexten fehlt mir leider wieder die klare Trennung, ein Absatz zwischen den Sprachen würde die Übersichtlichkeit erhöhen. Der Text ist fehlerfrei, das ist inzwischen schon erwähnenswert. Etwas irritierend finde ich, dass in den Bildunterschriften oft das gleiche steht wie im Lauftext. Gut hingegen, wie genau der Autor die Fotos analysiert und auf jede noch so kleine Veränderung an den Fahrzeugen eingeht.
Natürlich richtet sich ein solches Buch an ein sehr spezielles und eher kleines Publikum, das aber mit der Machart des Werks und der Akribie des Autors höchst zufrieden sein kann. Und wo bekommt man sonst einen solchen Schatz alter Originalaufnahmen? Dafür und für die geleistete Sisyphusarbeit ist der Preis bei der sicherlich nicht besonders hohen Auflage absolut gerechtfertigt.
„Alfa Romeo Sprint Speciale“ von Patrick Dasse ist beim Dingwort Verlag erschienen, zwei Bände mit insgesamt 600 Seiten, 526 Abbildungen, ISBN 978-3-87166-055-9, Preis in Deutschland 169,- Euro, erhältlich portofrei direkt beim Dingwort Verlag oder z.B. im Racing Web Shop.
Fotos: © Dingwort Verlag, Rezension: Rudi Seidel