Montag, 18. November 2024
Liebeserklärung an die Diecast-Modelle der 60er Jahre - "Kleine Autos, große Welt" von Veit Golinski und Barbara Eismann bei Delius Fine Books
Dieses Buch von Veit Golinski und Barbara Eismann ist der neueste Versuch, die Faszination von Modellautos auf Fotos und Papier zu übertragen, diesmal ist er perfekt gelungen, soviel sei gleich gesagt.
Da der Autor dieser Zeilen seit seiner Kindheit ebenfalls vom Sammlervirus befallen ist, kann er sich sehr gut in die Gedankenwelt von Veit Golinski versetzen. Und die Fotos seiner Vitrinen kommen ihm durchaus vertraut vor...
Die Idee, zusammen mit der Fotografin Barbara Eismann kleine Dioramen zu produzieren, indem Golinski seine Lieblingsmodelle zusammen mit zeitgenössischen Ansichtspostkarten ins Bild rückt, wird hier auf charmante und professionelle Art realisiert. Ich bin wirklich begeistert von der Auswahl der Motive und der passenden Modellautos, aber auch von der handwerklichen Leistung. Wer schon einmal ähnliches versucht hat, wird wissen, wie viel Know How notwendig ist, um Ausleuchtung, Perspektive und Schärfentiefe so optimal hinzukriegen.
Schon die Einleitung, in der der Autor erklärt, wie er zum Hobby und zur Idee für dieses Buch gekommen ist, liest sich sehr angenehm und man findet als Sammler natürlich viele Gemeinsamkeiten. Dass die 60er Jahre den Höhepunkt der klassischen Diecast-Modellautoproduktion darstellen, ist unbestritten. Es gab Innenausstattungen, Fenstereinsätze und gefederte Achsen, dazu kamen immer mehr Gimmicks wie zu öffnende Türen und Hauben, gelenkte Vorderräder und vieles mehr. Vor allem Corgi Toys überraschte Sammler und damals auch noch Kinder mit Miniaturen wie zum Beispiel James Bonds Aston Martin DB5 mit Schleudersitz und anderen Funktionen. In den 70er Jahren war der Wechsel zu schnell laufenden Plastikrädern ein starker Bruch, dazu kam ein Sterben vieler Traditionsmarken, die Entscheidung von Corgi Toys, den Maßstab seiner Modelle auf 1:36 zu ändern, aber sicherlich auch der Kostendruck. Dass die Produktion in China dafür verantwortlich war, wie Golinski schreibt, ist nicht ganz richtig. Diesen Schritt ging Minichamps als einer der ersten Hersteller anfangs der 90er Jahre. Aber, dass der Boom der richtig schönen Diecast-Modelle schon anfangs der 70er fast zu Ende ging, ist unstrittig.
Der Hauptteil dieses Titels umfasst natürlich die Dioramen. Rechts steht immer das Foto, links der begleitende, sehr unterhaltsame, aber auch informative Text, der das Umfeld und die Situation beschreibt und auch auf den Zeitgeist eingeht. Die ausgewählten Modelle bieten einige Überraschungen, vor allem die japanischen Fahrzeuge aus den 60er Jahren sind sicherlich vielen Sammlern eher unbekannt, um so reizvoller ist es, sie hier in der passenden Umgebung zu bewundern. Dass es vom japanischen Hersteller Cherryca Phenix ein Modell des VW Karmann Ghia Cabrio gab, war mir bisher unbekannt, jetzt darf ich es zumindest im Bild bewundern. Ich finde es auch charmant, dass der Autor nicht unbedingt Wert auf den absolut neuwertigen Zustand der Modelle legt, etwas Patina darf schon sein. Zu meinen Lieblingsmotiven gehören sicherlich der Fiat 1800 Familiare und das Healey Motorboot am Achensee sowie der Saab 96 und der Käfer von Tekno am Strand der dänischen Nordseeinsel Rømø, da bin ich 1975 mit meiner Lancia Fulvia auch unterwegs gewesen. Aber auch die anderen Dioramen sind so reizvoll, dass ich das Buch immer wieder in die Hand nehme, um die Bilder zu bewundern. Einen zusätzlichen Effekt lösen die Fotos aus, so vorhanden, betrachtet man die eigene Sammlung wieder unter einem neuen Aspekt. Auf den letzten 16 Seiten werden alle enthaltenen Modelle auf kleinen Fotos mit ihren Originalschachteln (soweit verfügbar) gezeigt und einige Informationen dazu geschrieben.
Aber nicht nur Autor und Fotografin haben viel Herzblut investiert, sondern sie haben mit Delius Fine Books einen Verlag gefunden, der mit der gleichen Liebe in diesen Titel investiert hat. Die Verarbeitung mit Fadenbindung ist extrem hochwertig, ein schön gestalteter Leineneinband mit Grafik und eingesetztem Foto, der Umkarton im Stil alter Corgi Toys-Boxen, hochwertiges Papier und glanzlackierte Bilder werden dem Verlagsnamen „Delius Fine Books“ mehr als gerecht. Die Texte sind fehlerfrei und gut redigiert, in unserer Zeit leider nicht mehr selbstverständlich.
Wenn man Teile der Vitrinen von Veit Golinski sieht, kann man sich gut vorstellen, dass es den einen oder anderen Folgeband geben könnte, für die größeren Modelle wie Busse oder Nutzfahrzeuge müssten es wohl eher Kalenderbilder als Postkarten als Hintergrund sein, ich bin gespannt, ob es eine Fortsetzung gibt und würde mich sehr darüber freuen!
„Kleine Autos, große Welt“ von Veit Golinski und Barbara Eismann ist bei Delius Fine Books erschienen, 192 Seiten, über 170 Abbildungen, ISBN 978-3-949827-01-3, Preis in Deutschland 49,95 Euro, erhältlich beim guten Buchhandel.
Fotos: © Delius Fine Books, Rezension: Rudi Seidel