Donnerstag, 26. September 2024
Als der Ferrari-Teamchef noch auf einem Camping-Klappstuhl saß - „Paddock – Hinter den Kulissen der Formel 1 1972 – 1980“ von Frans van de Camp bei Motorbuch
Natürlich könnte man denken, dass über die große Zeit der Formel 1 in den 70er Jahren bereits alles gezeigt und geschrieben wurde, aber dann gibt es immer wieder Überraschungen. Zu denen gehört auf jeden Fall dieser Bildband des niederländischen Fotografen Frans van de Camp, der in diesen Jahren einige Rennen besucht, aber sein Augenmerk hauptsächlich auf Motive in der Boxengasse oder im Fahrerlager gelegt hatte. So entstanden spannende Zeitdokumente, die eben nicht nur Rennautos, sondern auch Zuschauer, Fotografen, Mechaniker und Teamchefs zeigen.
In erster Linie staunt der Betrachter über die Umstände, unter denen an den Formel 1-Boliden gearbeitet wurde. Einfache Garagen, ölige Böden und ziemliches Chaos waren die Regel, wenn man die klinisch reinen Boxen im heutigen Rennbetrieb damit vergleicht, wundert man sich, wie damals eine Getriebereparatur oder ein Motorwechsel machbar waren.
Das Umfeld spiegelt natürlich die damalige Mode und den Fahrzeugbestand wieder, was in den Texten von Georg Otto gewürdigt wird. Zu meinen Lieblingsmotiven gehört das Foto des Shadow beim GP Belgien 1973 mit Niki Lauda, der am rechten Bildrand auf dem Schweller eines Citroen SM hockt, sein Besitzer Mike Hailwood sitzt verdeckt am Steuer. Aber auch der Ferrari-Bereich beim GP Deutschland 1974 wirkt unglaublich: Neben dem OM Rolfo Renntransporter stehen einige unterschiedlich gemusterte Campingstühle billigster Machart, auf einem von ihnen lümmelt ein langhaariger Luca de Montezemolo, während der Konstrukteur Mauro Forghieri einen eher unruhigen Eindruck hinterlässt. Aber mehr soll hier gar nicht verraten werden...
Van de Camp zeigt in diesem Band Motive von lediglich 15 Rennen, ob er nur die besucht hat, geht aus dem Text nicht hervor. Seine Schwerpunkte waren natürlich Belgien, die Niederlande und Deutschland, aber 1976 reiste er auch nach Monaco. So entsteht natürlich kein umfassendes Bild der Rennen der 70er Jahre, aber dafür gibt es ja genügend andere Titel. Hier geht es mehr um Details, Stimmungsbilder aus dem Fahrerlager und das Umfeld. Die Aufnahmen wurden alle mit professionellen Kameras auf Schwarzweißfilm erstellt und vom Fotografen selbst entwickelt. Inzwischen nahm sich van de Camp die Zeit, das Material zu digitalisieren, das Ergebnis liegt nun zumindest teilweise in Buchform vor.
Der Motorbuch Verlag hat die Chance ergriffen, diese Bilder zu veröffentlichen, was sehr erfreulich ist. Das Querformat kommt den Fotos entgegen, schön ist, dass man sie meistens ganzseitig abbildet. Die Qualität der Aufnahmen ist sehr gut, ich denke allerdings, dass mit der Wahl eines feineren, glänzenden Papiers die Details noch besser herausgekommen wären. Ansonsten ist das Buch hochwertig produziert, vor allem der Titel mit den lackierten, mit Fotomotiven gefüllten Versalien sieht edel aus. Die Texte von Georg Otto sind kurz, knackig und kompetent verfasst, vor allem hat er sich auch mit dem Drumherum beschäftigt, um dem Leser auch die damaligen Fahrzeuge näher zu bringen. Für das Vorwort konnte man Hans-Joachim Stuck gewinnen, dass man aber dann im Text seinen Spitznamen "Stritzel" ohne "ie" schreibt, ist ein kleiner Fauxpas.
Für Fans der Formel 1 der 70er Jahre ist dieser Bildband absolut lohnenswert, aber überhaupt jeder Freund der Rennsportfotografie hat sicherlich Freude an diesen Motiven.
„Paddock – Hinter den Kulissen der Formel 1 1972 -1980“ von Frans van de Camp mit Texten von Georg Otto ist im Motorbuch Verlag erschienen, 144 Seiten, 90 Abbildungen, ISBN 978-3-613-04684-9, Preis in Deutschland 39,90 €.
Fotos: © Motorbuch Verlag, Rezension: Rudi Seidel