Dienstag, 7. Mai 2024
Unglaubliche Vielfalt - Französische Autos - 1945 - 2000 von Andreas Gaubatz und Stefan Müller bei Motorbuch
Die französische Automobilindustrie entwickelte sich nach 1945 in verschiedene Richtungen: Einerseits gab es die großen Produzenten Renault, Citroen, Peugeot und Simca, die lange Zeit erfolgreich waren, andererseits die Nobelmarken aus früheren Zeiten, wie Delahaye, Talbot-Lago, Bugatti usw., die auf dem Markt keine Zukunft hatten, für Luxusautos gab es wenig Nachfrage. Mit DB, Ligier, Matra oder Alpine entstanden kleine Firmen, deren Ursprung der Rennsport war und dann waren da noch ungezählte Erfinder, Abenteurer und sonstige Spezialisten, die vom Microcar über Replicas bis hin zu Geländewagen oder Luxusmobilen ihr Glück versuchten. Viel Stoff also für eine Publikation zu diesem Thema.
Mit Stefan Müller und dem leider während der Entstehung dieses Buches plötzlich verstorbenen Andreas Gaubatz haben erstmals zwei deutsche Autoren sich dieser Geschichte angenommen. 55 Jahre Automobilgeschichte in ein Buch zu packen, ist keine leichte Aufgabe, vor allem, wenn man auch die kleinen und ganz kleinen Marken würdigen will. Man hat sich für eine alphabetische Ordnung entschieden, wobei dann bei großen Herstellern jeweils nach einem allgemeinen Kapitel die einzelnen Typenreihen besprochen werden. Naturgemäß weiß der frankophile Leser darüber bereits einiges, aber dennoch findet man interessante Aspekte über die Entwicklung und den Lebenszyklus der Fahrzeuge, auch spätere Lizenzproduktionen werden erwähnt.
Ganz spannend wird es bei den kleinen Marken, es ist unglaublich, welche Blüten vor allem die Kleinwagen und Microcars in unserem Nachbarland getrieben haben. Wenn man nicht gerade die Publikationen des französischen Automobilhistorikers René Bellu gut kennt, findet man in diesem neuen Buch tolle Überraschungen. Selbstverständlich werden auch (Fast-)-Totgeburten wie die Monica, der Arbel Symetric oder die Nachkriegs-Bugattis abgehandelt. Rennsportliche Beteiligungen werden teils erwähnt oder mit Fotos dokumentiert, allerdings sind die Autoren da nicht konsequent vorgegangen.
Von der Idee ist das schon ein gutes Buchprojekt, leider ist die Ausführung in meinen Augen nicht ganz gelungen. Das Bildmaterial ist teils interessant, aber aktuelle Fotos mehr oder weniger gut restaurierter Fahrzeuge mag ich in einem solchen Buch nicht gerne sehen, dann lieber historische Prospekte, von denen einige enthalten sind. Ein paar sachliche Fehler sind mir aufgefallen, obwohl ich mich keinesfalls als Experte für französische Autos bezeichnen will. Die Bildtexte sind teils oberflächlich und überhaupt hat entweder das Lektorat versagt, oder der Umbruch vieler Kapitel wurde nachträglich geändert, ohne auf Silbentrennungen zu achten. In der Verlagsankündigung spricht man von informativen Tabellen, die ich im Buch nicht finde, die aber hilfreich gewesen wären, manchen Text besser lesbar zu gestalten und interessante Fakten wie technische Daten, Produktionszahlen usw. leichter zu finden. Ein Register wäre ebenfalls eine tolle Sache.
Ansonsten ist das Buch gut produziert, Bildqualität, Druck und Bindung sind hochwertig, das Layout im Großen und Ganzen übersichtlich. Dass der durch den erwähnten plötzlichen Tod eines der Autoren entstehende Zeitdruck Auslöser für die Mängel ist, wäre eine Erklärung, das Buch war ja ursprünglich für einen früheren Erscheinungstermin geplant.
„Französische Autos - 1945 - 2000 “ von Andreas Gaubatz und Stefan Müller ist im Motorbuch Verlag erschienen, 352 Seiten, 1000 Bilder, ISBN 978-3-613-04486-9, Preis in Deutschland 69,- €.
Rezension: Rudi Seidel