Dienstag, 21. November 2023

Ursprung des Erfolgsmodells - "Destination 901" von Peter Weidenhammer bei Motorbuch

Bücher über den Porsche 911 gibt es inzwischen sicher mehr als genug, aber bisher hat noch niemand den Weg, der zur Entstehung dieser automobilen Ikone führte, so präzise geschildert, wie Peter Weidenhammer im vorliegenden Titel. Selbst eingefleischte Porsche-Fans dürften überraschende Erkenntnisse gewinnen.

Bereits in den frühen Fünfzigerjahren begann man in Zuffenhausen damit, über eine Erweiterung des Verkaufsprogramms nachzudenken. So entstand 1952 mit dem Typ 530 ein Viersitzer, der eigentlich ein verlängerter 356 war, aber Ferry Porsche entschied sich gegen eine Serienproduktion. Wie im Buch ausführlich dokumentiert, befasste sich die Modellabteilung weiterhin intensiv mit Studien für ein größeres Fahrzeug, die dazu reproduzierten Dokumente, Zeichnungen und Fotos von Modellen zeigen die verschiedenen Tendenzen und Ideen, die allerdings für die Serie nicht zum Tragen kamen. Erst 1957 ging man wieder ernsthaft an das Projekt eines neuen Typs, nachdem der Vertrieb Alarm geschlagen hatte. Er befürchtete große Umsatzeinbrüche und einen Rückgang der Verkaufszahlen, wenn man dem Kunden nicht ein moderneres und komfortableres Auto bieten könnte. Neben Studien aus dem eigenen Hause, die Ferry Porsche nicht begeistern konnten, erteilte man Albrecht Graf von Goertz den Auftrag, einen Entwurf zu präsentieren. Dessen Modell wurde zwar als attraktiv, aber zu wenig Porsche-like abgelehnt. Der Durchbruch kam erst mit einem Entwurf des jungen Ferdinand Alexander „Butzi“ Porsche, dem ältesten Sohn des Firmenchefs. Dessen Interpretation des Typs 695 fand den Beifall des Vaters und begründete die Linie des späteren 901/911. Natürlich führte die familiäre Bindung einerseits und die Jugend Butzis andererseits zu einigen internen Querelen, vor allem der Chef des Karosseriebaus und Schöpfer des 356, Erwin Komenda, war nicht gerade kooperativ. Auch das ist im Buch sehr genau dokumentiert und mit Sitzungsprotokollen belegt.

Natürlich werden alle Protagonisten in kurzen Lebensläufen vorgestellt, besonders interessant sind die Schilderungen, wie damals entwickelt, getestet und kalkuliert wurde, Porsche war nicht auf Rosen gebettet und konnte sich keinen Misserfolg leisten. Auch die Zusammenarbeit mit den Karosseriebauern Karmann und Reutter war nicht immer einfach, vor allem, wenn es um Ablieferungstermine ging. Da hatte Porsche selbst aber seinen Anteil, indem man Zeichnungen von Baugruppen verspätet lieferte oder mehrfach änderte. Der ganz normale Wahnsinn eben...

Der entscheidende Schritt zum 901 kam im Mai 1962, zugunsten des kleineren Projekts T8 ließ man den großen Viersitzer T9 sterben und legte alle Energie in die Fertigstellung des neuen Sportwagens, der unbedingt auf der IAA 1963 in Frankfurt präsentiert werden sollte. Wenn man sich vorstellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung weder die Karosserie, noch das neue Fahrgestell und der Sechszylinder-Boxermotor fertig waren, war es ein Wunder, dass der erste 901 tatsächlich ausgestellt werden konnte. Bis zur Serienproduktion dauerte es dann aber noch über ein Jahr.

Peter Weidenhammer hat sein Buch in drei Hauptkapitel unterteilt, zuerst der verschlungene Weg, der über viele Stationen letztlich zum Endprodukt geführt hat, dann die Motorenentwicklung sowie die Fahrwerksentwicklung. Dadurch ergeben sich ein paar Überschneidungen, das stört aber nicht im geringsten, sondern hilft im jeweiligen Kapitel zum besseren Verständnis der Abläufe.

Der 901 war ja wirklich ein komplett neues Auto. Umso erstaunlicher ist zu sehen, dass ein kleines Unternehmen wie Porsche diese Aufgabe in der extrem kurzen Zeit bewältigen konnte, nebenbei war man auch noch mit Fremdaufträgen beschäftigt. Vor allem das erste Kapitel liest sich sehr spannend, wenn man sich für Design und die Abläufe in einem Unternehmen wie Porsche interessiert. Die weiteren Kapitel sind naturgemäß ziemlich technisch und mit vielen Grafiken und Konstruktionszeichnungen ergänzt, aber nicht minder lesenswert.

Hervorzuheben ist die Qualität des Textes, in letzter Zeit hatten wir leider viele Bücher, die sehr oberflächlich Korrektur gelesen wurden, hier wurde perfekt gearbeitet. Druck, Verarbeitung und Bildwiedergabe sind ebenso hochwertig wie der geprägte Leineneinband. Layout und Format erinnern an andere Titel aus der Edition des Porsche Museums wie das 917-Buch von Walter Näher oder die große Carrera-Enzyklopädie. Das ist kein Nachteil, vor allem das großzügige Querformat erlaubt eine hervorragende Anordnung von Fotos oder anderen Objekten. Wem das Lesen der reproduzierten Aktennotizen und Protokolle zu mühsam scheint, der findet die wichtigsten Aussagen im Text wiederholt. Ein interessantes Vorwort kommt von Prof. Dr. Othmar Wickenheiser, seines Zeichens hauptamtlicher Professor für Design an der Hochschule München.

Am Ende der 448 Seiten steht das Plakat der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt 1963 sowie eine Reproduktion des ersten Verkaufsprospekts, natürlich noch mit der Typenbezeichnung 901. Dieses Werk endet sozusagen dort, wo manch anderer Titel über den Porsche 911 erst anfängt. Wer sich für die Historie der Sportwagen aus Stuttgart interessiert, sollte sich nicht scheuen, dieses Buch zu kaufen, er wird es nicht bereuen!

„Destination 901 – Die Vorgeschichte des Porsche 911 – Von der Idee zur Weltpremiere“ von Peter Weidenhammer ist in der Edition Porsche Museum beim Motorbuch Verlag erschienen, 448 Seiten, 600 Abbildungen, ISBN 978-3-613-32149-6, Preis in Deutschland 79,- Euro.

Foto: Motorbuch Verlag, Rezension: Rudi Seidel

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