Samstag, 30. September 2023

Automobilgeschichte aus Sicht des Saarlands - "Auto unser - Kult und Krise" von Hans-Christian Herrmann bei Motorbuch

Vom 30. September 2023 bis zum 24. März 2024 gibt es im Historischen Museum Saar in Saarbrücken eine große Ausstellung zu sehen, die unter der Überschrift „Auto unser – Kult und Krise“ die Geschichte unseres zumindest zeitweise beliebtesten Fortbewegungsmittels präsentiert. Hans-Christian Herrmann, der Leiter des Stadtarchivs Saarbrücken, hat dazu einen Katalog verfasst, der allerdings über den üblichen Umfang solcher Publikationen weit herausgeht. Deshalb hat der Motorbuch Verlag wohl beschlossen, diese ganz spezielle Automobilgeschichte auch mit festem Einband zu produzieren und ins Verlagsprogramm aufzunehmen. Dadurch sollte dieses spannende und hochinteressante Werk sicherlich eine breitere Leserschaft finden.

Hans-Christian Herrmann wollte natürlich keine komplette Geschichte des Automobils schreiben, sondern hat sich bestimmte Themenkreise ausgesucht, durch die Gliederung des Buches ist es für den Leser durchaus möglich, immer wieder einzelne Kapitel herauszugreifen. Ein ganz besonderes Augenmerk gilt natürlich dem Saarland, das sowohl durch seine geographische und politische Lage über die Jahre als auch als echtes Autoland besonders interessant ist. Peugeot, Ford, ZF, Comotor oder Michelin sind Beispiele, wie wichtig solche Industrieansiedlungen für den Wohlstand einer Region waren, die lange Zeit von Kohle und Stahl gelebt hat. Ein Lieblingsthema des Autors ist der kulturelle Aspekt, der ja schon in der Titelzeile vorkommt. Gerade in der Nachkriegszeit war das Auto ein Statussymbol und die Werbung nutzte das weidlich aus. Der Bezug Auto und Frauen änderte sich über die Jahre entscheidend, auch dazu zeigt das Buch Beispiele, beginnend vom Betteln um den Autoschlüssel über das Sexsymbol in der Reklame bis hin zur vollwertigen Kundin geht die Reise.

Das Saarland wurde ja nach dem Zweiten Weltkrieg von Frankreich beansprucht, da spielten aber die anderen Alliierten nicht mit. Deshalb entstand ein eigentlich unabhängiger Staat, der allerdings mehr oder weniger an Frankreich hing. Erst 1957 wurde das Saarland zum zehnten Bundesland der BRD, aber die wirtschaftliche Sonderstellung blieb noch länger erhalten. Zum Beispiel gab es große Steuervorteile beim Kauf französischer Waren, was die Zulassungszahlen von Peugeot, Renault und Citroen sehr positiv beeinflusste. Für den Autofan sind die zahlreichen im Bild eingefangenen Alltagsszenen aus den 50er und 60er Jahren eine Fundgrube, das Fahrzeugaufkommen sieht ganz anders aus als in anderen deutschen Städten. Dazu kommen die Beispiele aus überregionaler und örtlicher Werbung, die in einer VW-Anzeige gipfeln mit der Überschrift „Bevor Sie sich schon wieder ein französisches Auto kaufen, sollten Sie sich unsere wenigstens einmal ansehen.“ Die Replik von Renault kam postwendend: „Bevor Sie sich schon wieder ein französisches Auto kaufen, sollten Sie sich wenigstens einen VW einmal ansehen. Sagt VW“ Im Text wird dann auf die antiquierte Technik der VW-Typen und die Modernität der eigenen Produkte hingewiesen.

Die letzten drei Kapitel befassen sich mit der Aktualität und der Zukunft des Automobils. Auch hier wird Saarbrücken als Beispiel herangezogen, wo vor allem in den 70er Jahren eine wahre Autostadt entstand mit Autobahnen direkt am Ufer der Saar, riesigen Verkehrsknotenpunkten und Parkraum im öffentlichen Bereich. Heute wird das natürlich kritischer gesehen, dazu kommen die Probleme der Automobilindustrie beim Übergang auf neue Techniken usw. Das Saarland ist davon stark betroffen, so hat Ford bekannt gegeben, 2025 das Werk Saarlouis zu schließen. Die Getriebefabrik von ZF soll allerdings in einen „Leitstandort für Elektromobilität“ umgewandelt werden.

Alle Aspekte dieses wirklich interessanten und gelungenen Werks kann ich in dieser Rezension gar nicht würdigen, wer sich für diese Art der automobilen Kulturgeschichte begeistern kann, sollte das Buch kaufen! Layout, Lektorat, Druck und Bildwiedergabe sind sehr gut, wie auch die Bindung und Verarbeitung, lediglich das Lesezeichen löste sich bei unserem Exemplar bereits sehr schnell. Die Texte sind, wie schon angemerkt, sehr fundiert und gleichzeitig unterhaltsam. Ein paar kleine Ungenauigkeiten seien entschuldigt, so liegt die Stadt Selb in Oberfranken und nicht in der Oberpfalz (S. 66/67) und Autobianchi wurde nicht erst in den 60er Jahren von Fiat übernommen, sondern gehörte von Anfang an zumindest zu 50% zum Konzern (S. 305), um zwei Beispiele zu nennen. Lobenswert sind die Fußnoten mit einem Quellenverzeichnis am Ende jeden Kapitels, wer will, kann selbst weiter recherchieren.

„Auto unser – Kult und Krise“ von Hans-Christian Herrmann mit einem Beitrag von Ruth Bauer ist im Motorbuch Verlag erschienen, 380 Seiten, 500 Abbildungen, ISBN 978-3-613-04616-0, Preis in Deutschland 39,90 €.

Foto: Motorbuch Verlag, Rezension: Rudi Seidel

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