Montag, 24. Oktober 2022
Automobilgeschichte perfekt dokumentiert - "BMW 1929 bis 1945" von Nyncke/Simons/Zeichner bei GeraMond
Ein wahrlich großes Werk haben die drei mit der weiß-blauen Marke bestens vertrauten Automobilhistoriker Hagen Nyncke, Rainer Simons und Walter Zeichner im GeraMond Verlag veröffentlicht. Die Geschichte von BMW als Autoproduzent in den Jahren vom Beginn 1929 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs dürfte damit lückenlos dokumentiert sein. Dazu kommt noch die Story von Frazer Nash in Großbritannien sowie die Weiterführung der Produktion in Eisenach.
Zum Einstieg betrachten die Autoren die Entwicklung im Autobau zum Beginn der 30er Jahre, um dann die Anfänge der Bayerischen Motorenwerke als Hersteller von Autos zu zeigen. Nach dem Ersten Weltkrieg durfte man ja keine Flugmotoren mehr produzieren, so begann man mit einem Motorpflug und Einbaumotoren für andere Marken, natürlich auch mit Motorrädern. Eigentlich wollte man bereits Mitte der 20er Jahre komplett selbst entwickelte Autos bauen, landete aber doch bei der Lizenzproduktion des Austin Dixi. Wie das geschah, erklären die Autoren präzise, aber auch sehr gut lesbar und mit unzähligen historischen Bildern und Dokumenten. Besonders interessant finde ich, dass man am Ende des Kapitels eine Übersicht aller möglichen Sonderkarosserien zeigt, das wiederholt sich bei allen folgenden Typenreihen. Ab 1932 gab es mit dem 3/20 PS den ersten selbst entwickelten BMW, auf den dann die Baureihen 303 bis 329 sowie die sportlichen 315/1 und 319/1 folgten, als Höhepunkt dieser auf dem von Fritz Fiedler konstruierten Leichtbaurahmen basierenden Typen entstand der 328, mit Sicherheit eine der besten und bedeutendsten Sportwagenkonstruktionen der 30er Jahre. Auf diese Weise entstand auch der Markenkern von BMW, mit dem man gut motorisierte, leichte und kompakte Fahrzeuge mit sportlichen Fahreigenschaften verband. Was ist wohl heute noch davon übrig, wenn man an die Panzer mit dem „X“ denkt? Aber auch damals wollte man größere Autos bauen, um auf dem Markt bestehen zu können. Dafür entstand ein neuer Kastenrahmen, als erstes Modell präsentierte man den 326, dem unter anderem noch das elegante Cabriolet 327 und der größere 335 folgten, dann war kriegsbedingt Schluss.
Im nächsten Kapitel kann der Leser mitverfolgen, wie bei BMW eine eigene Abteilung für die Karosseriegestaltung aufgebaut wurde. Heute würde man wohl von einem Designstudio sprechen. Großen Einfluss hatte zu dieser Zeit natürlich die Erforschung der Aerodynamik, man wollte ja auf den neuen Autobahnen schnell unterwegs sein. Einige Überschneidungen mit den vorhergehenden Kapiteln nehmen die Autoren in Kauf, aber so stehen beide Themen für sich komplett, das macht durchaus Sinn.
Und dann zum Sport: Hagen Nyncke hat akribisch auf über 100 Seiten die Rennbeteiligung aller BMWs und von ihnen abgeleiteten Um- oder Eigenbauten dokumentiert und erstaunliche Fotos dazu aus den ihm zur Verfügung stehenden Archiven heraus gezaubert. Von Großereignissen auf der Avus oder am Nürburgring, internationalen Veranstaltungen wie Le Mans und Mille Miglia, bis zum lokalen Bergrennen reicht die Bandbreite, man kann erahnen, wie viel Detailarbeit dahinter steckt.
Eine ganz tolle Geschichte gibt es auch noch zu erzählen, man stelle sich vor, dass im Jahre 1934 ein damals kleiner, fast unbedeutender Sportwagenhersteller einen Brief nach Eisenach schickt, in dem er eine Lizenzproduktion von BMW-Fahrzeugen vorschlägt. Die Abdrucke der Originalbriefe und die Entwicklung, die zu Frazer Nash-BMW führte, sind ein absolut interessantes Kapitel in der Geschichte der Bayerischen Motorenwerke und ihres britischen Partners. Natürlich gibt es wieder einen Überblick der Sonderkarosserien, diesmal bevorzugt Coachbuilder von der Insel.
Natürlich musste BMW auch an der Kriegsproduktion teilnehmen, selbst der Dixi war dabei, kurios der Umbau zur Panzerattrappe im Manöver. Im Epilog zeigen die Autoren, was nach dem Krieg aus den BMW-Entwicklungen wurde, sei es in der DDR mit EMW oder in England mit Bristol.
Damit ist aber noch nicht Schluss, es kommt noch ein Anhang, der es in sich hat: Neben den technischen Daten aller Typenreihen, einem Baumusterverzeichnis mit Originaldokumenten folgt eine Aufstellung aller bekannten Werbeprospekte mit Abbildung der Titelseite, für Literatursammler hoch interessant! Natürlich darf auch das Register nicht fehlen. Mir persönlich hätte eine Übersicht der produzierten Modellautos ganz gut gefallen, aber das soll keine Kritik an diesem perfekt gelungenen Buch sein.
Druck, Bildwiedergabe, Layout und Textqualität genügen höchsten Ansprüchen, man kann die einzelnen Kapitel wirklich flüssig lesen, wird aber auch schnell fündig, wenn man nur etwas nachschlagen will. Unter den vielen Autobüchern, die jedes Jahr erscheinen, kann man „BMW 1929 bis 1945“ als besonders gelungen und wichtig herausheben, wer sich für diese Zeit und/oder die Marke BMW interessiert, kommt an diesem Titel nicht vorbei.
„BMW 1929 bis 1945“ von Hagen Nyncke, Rainer Simons und Walter Zeichner ist beim GeraMond Verlag erschienen, 416 Seiten, ca. 1090 Abbildungen, ISBN: 9783956131172, Preis in Deutschland 79,- €
Fotos: Rudi Seidel, © GeraMond, Rezension: Rudi Seidel