Mittwoch, 22. Juni 2022
Eindrucksvolle Biographie - „Eberhard Mahle – 150 Siege bei 210 Rennen“ von Tobias Aichele bei Motorbuch
Eberhard „Ebs“ Mahle gehörte in den 50er und 60er Jahren zu den bekanntesten deutschen Rallye- und Rennfahrern. Sowohl als Werksfahrer für Porsche, Mercedes, Abarth und andere, aber auch mit eigenen Fahrzeugen trat er bei Bergrennen, Rallyes und auf der Rundstrecke an. Ein zweiter Platz bei der Targa Florio 1959 und der Gewinn der GT-Europabergmeisterschaft 1966 waren seine international größten Erfolge. Kurz nach seinem Tod im Dezember 2021 hat Tobias Aichele, der ihn lange Jahre begleiten durfte, nun eine Biographie dieser herausragenden Persönlichkeit veröffentlicht.
Um ein umfassendes Bild von Eberhard Mahle zu bekommen, muss man erst einmal seinen familiären Hintergrund und seinen Werdegang betrachten. Dazu gehört natürlich die Entstehungsgeschichte der Firma Mahle und ihre Entwicklung zu einem der Weltmarktführer in der Produktion von Kolben für Benzin- und Dieseltriebwerke. Während Eberhards Onkel Hermann sich nach 1945 darum kümmerte, das Unternehmen in Deutschland wieder aufzubauen, versuchte sein Vater Ernst, in Brasilien ein zweites Standbein zu errichten, womit er sehr erfolgreich war. Eberhard selbst sah in Südamerika keine Zukunft und kehrte nach Stuttgart zurück, wo er sein Abitur ablegte und nach einigen Semestern Studium als kaufmännischer Angestellter im Familienbetrieb startete. Mit 21 und erreichter Volljährigkeit kaufte Ebs 1954 trotz ablehnender Haltung des Vaters für 2.500,- DM einen DKW 3=6, um an Rallyes teilzunehmen. Das war der Startschuss in eine lange, erfolgreiche Karriere.
Sein wachsendes Einkommen erlaubte ihm, mehr Geld in den Sport zu investieren und konkurrenzfähigere Autos wie Porsche 356 oder Alfa Romeo Giulietta Sprint Veloce zu kaufen. Gleichzeitig führten seine Erfolge dazu, dass er Sponsoren und Werksunterstützung bekam. Ab 1958 wurde Eberhard Mahle Werksfahrer für Glas, Borgward und NSU, später auch noch Porsche, Abarth und Mercedes Benz, parallel dazu gab es weiterhin private Einsätze, wofür er unter anderem einen Buckel-Volvo PV 544 kaufte. Dann bremsten zwei Unfälle ihn für längere Zeit aus. Im Juli 1963 brach er sich beim Wasserskifahren ein Bein, und als er sich davon erholt hatte, rammte er bei einer Demonstrationsfahrt mit einem Go-Kart wegen eines Defekts einen am Rand des Kurses geparkten Schützenpanzer. Die Verletzungen waren so umfassend, dass man ihm das Bein amputieren wollte, aber ein Schweizer Professor rettete ihn, so dass er nach eineinhalb Jahren wieder hergestellt war. So konnte er 1966 sein Ziel verfolgen, Berg-Europameister zu werden, was ihm ja auch gelang. Danach gewann seine andere Leidenschaft die Oberhand, das Fliegen. Er absolvierte den Pilotenschein und gründete eine Firma für Charter und Verkauf von Flugzeugen. Daneben war er für die Stiftung, in die das Unternehmen Mahle inzwischen überführt worden war, tätig und ab 1995 ein gern gesehener Gast und Fahrer bei historischen Motorsportveranstaltungen sowie Gründungsmitglied des Fördervereins Solitude Revival, dem er bis zu seinem Tod oft zur Verfügung stand.
Tobias Aichele hatte den Vorteil, mit Eberhard Mahle noch viel Zeit verbringen zu können, dazu kam das ausführliche Archiv der Familie. So entstand eine lebendige, mit hochinteressanten Fotos und Dokumenten ausgestattete Biographie. Im ersten Kapitel geht es um die Firmengeschichte sowie die Jugend von Eberhard, dann folgt ein chronologischer Abriss der Rennkarriere von 1954 bis 1964 mit beeindruckenden Bilddokumenten. Eine Tabelle der Teilnahmen und Erfolge stellt eine erfreuliche Ergänzung dar. Einige Themen greift der Autor nochmals intensiver auf: Die Einsätze auf der Solitude und bei der zugehörigen Rallye, die Karriere als Werksfahrer bei Mercedes Benz mit Erfolgen bei Rallyes und Bergrennen (mit dem roten 300 SL Roadster) und natürlich in Ausführlichkeit die Bergrenn-Saison 1966 mit Mahles größtem Erfolg. Zum Abschluss der Biographie findet der Leser noch einiges über den historischen Motorsport der letzten Jahre und von Treffen der „Eisernen“, wie Herbert Linge, Hans Herrmann usw.
Zwei schöne, neu produzierte Fotostrecken zeigen Eberhard Mahle mit dem roten 300 SL sowie mit seinem Porsche 911 von der Europabergmeisterschaft, einerseits toll, dass die Autos noch bzw. wieder so existieren, andererseits, dass der alte Meister ihnen nochmals begegnen konnte.
Aufgrund der Gliederung des Werkes entstehen einzelne Wiederholungen, was nicht weiter schlimm ist, da sie die Erklärung der Abläufe verbessern. Warum aber der Text von Seite 164 sinngemäß auf den Folgeseiten reproduziert wurde, ist etwas unerklärlich. Ein grober Schnitzer ist mir auf Seite 67 aufgefallen: Die Fotos passen nicht zum Text, der abgebildete Ford 12M P4 kann schlecht 1958 bei einer Rallye angetreten sein, er wurde erst 1962 vorgestellt. Auf der Startnummerntafel sieht man eindeutig die Jahreszahl 1964. So ein Fauxpas sollte eigentlich nicht passieren, noch dazu taucht der Fehler auch in der Ergebnistabelle auf. Ein paar Punkte bleiben bei dieser Biographie eher im Dunkeln, vor allem die Zeit nach 1966 und dem Ende der Rennkarriere. Außer dem kurzen Bericht über die Fliegerei findet man nichts, es wäre sicherlich interessant zu wissen, was Eberhard Mahle in dieser Zeit sonst getan hat, auch familiäre Dinge bleiben ausgespart.
Ansonsten kann man mit dem Buch sehr zufrieden sein, Layout sowie Text- und Bildqualität lassen nichts zu wünschen übrig, Druck und Bindung sind hochwertig. Vor allem natürlich die Geschichten aus erster Hand und so manche Anekdote bereiten große Lesefreude.
„Eberhard Mahle – 150 Siege bei 210 Rennen“ von Tobias Aichele ist beim Motorbuch Verlag in der Edition Porsche Museum erschienen, 256 Seiten, ca. 350 Bilder, ISBN 978-3-613-32073-4, Preis in Deutschland 49,90 €
Fotos und Rezension: Rudi Seidel