Sonntag, 29. Mai 2022
Die Geschichte des "Glaserati" - Glas V8 und BMW Glas V8 von Uwe Gusen und Stefan Dierkes
Der Höhepunkt des Produktionsprogramms, aber gleichzeitig die letzte Neuentwicklung der kleinen niederbayerischen Automobilfabrik Glas, war das von Pietro Frua gezeichnete V8 Coupé. Der Vorsitzende des Glas Automobilclub International e.V. und absolute Markenexperte Uwe Gusen hat nun zusammen mit dem Frua-Spezialisten Stefan Dierkes eine umfassende Typenmonographie herausgegeben, die keine Wünsche offenlässt.
Dem Leser wird zuerst in Kurzform die Geschichte der Firma Glas und ihr Ende, das mit der Übernahme durch BMW besiegelt wurde, dargestellt. Dann werden die Entwicklung des Glas 2600 V8, der Prototypenbau bei Frua, die IAA-Präsentation 1965, die Konstruktionsdetails des V8-Triebwerks, die Produktion, die Werbung, der Vertrieb, sowie die damaligen Veröffentlichungen in der Presse beschrieben. Wie auch in den weiteren Kapiteln überzeugt die Auswahl der Fotos und die Wiedergabe von Originaldokumenten. In einem kleinen Exkurs zeigt Stefan Dierkes eine Auswahl anderer großer Coupé-Entwürfe aus der Hand von Pietro Frua, hier kann man gut die Formensprache und die Besonderheiten der Designs des Meisters aus Turin erkennen.
Ein entscheidender Einschnitt war natürlich die Übernahme von Glas durch BMW. Die Autoren dokumentieren die verschiedenen Alternativen, über die damals diskutiert wurde. Eine der Konsequenzen war die Weiterentwicklung des Glas 2600 V8 zum BMW Glas 3000 V8. Natürlich zeigt das Buch alle Details des späteren Modells bis zum Ende der Produktion auf. Unterhaltsam ist das Kapitel über Prominente, von den Spielern des TSV 1860 München, angeführt von ihrem legendären damaligen Trainer Max Merkel über den „Kaiser“ Franz Beckenbauer bis hin zu Steve McQueen, der den V8 des Journalisten Michael Graeter (späterer Gesellschaftskolumnist und Vorbild des Baby Schimmerlos in Helmut Dietls TV-Serie Kir Royal) zu Schande fuhr. Stefan Dierkes widmet sich ausführlich dem BMW Glas 3000 Fastback Coupé von Pietro Frua, einem Einzelstück, das noch existiert und seit März dieses Jahres in Franken zu Hause ist, und dem Opel Admiral B Coupé, sozusagen einem Recycling der Glas V8-Karosserie, das ebenfalls nicht in Serie ging.
Auch eine Kaufberatung darf nicht fehlen, vor allem mit dem Hinweis, dass bei der eventuellen Anschaffung eines V8 unbedingt ein Fachmann dabei sein sollte. In erster Linie zeigt das Buch an Detailfotos auf, was den Interessenten bei einem Glas V8 im Zustand 2 oder 4 erwartet. Der bekannte Fachjournalist Wolfgang Blaube konnte 2012 eine ausgiebige Probefahrt mit einem BMW Glas 3000 V8 durchführen, die Autoren durften Ausschnitte aus seinem in der Zeitschrift „Oldtimer Markt“ erschienenen Artikel in das Werk aufnehmen, dazu kommen noch sehr schöne aktuelle Aufnahmen restaurierter Fahrzeuge, die natürlich nicht immer dem Originalzustand entsprechen.
Der Wunsch nach einem Artikel über Modellautos des V8 Coupés wurde an mich herangetragen. Dem bin ich gerne nachgekommen, war er doch mit einer „Dienstreise“ in den sehr interessanten Automobil-Park Auwärter im niederbayerischen Pilsting verbunden, um ein im Maßstab 1:3 hergestelltes Einzelstück zu fotografieren. Das Buch schließt mit allen Details zu Farben und Ausstattungen, Statistiken über Produktion, Auslieferung und aktuellen Bestand, technischen Daten, Bibliographie und einem detaillierten Stichwortverzeichnis, allein daran merkt man, mit welcher Akribie die Autoren ans Werk gegangen sind.
Wer den 2015 erschienenen Titel über den Glas GT des gleichen Autorenteams kennt, weiß, was ihn erwartet, in der Gestaltung und im Layout hat man sich an diesem Werk orientiert. Auch das V8-Buch ist sehr übersichtlich gestaltet, die Wiedergabe der Bilder ist optimal, wie auch die Druckqualität. Über die Korrektheit der Texte mag ich nicht selbst urteilen, da ich dafür mitverantwortlich bin. Ganz fehlerfrei geht es offenbar nicht, etwas peinlich ist mir ein fehlendes „s“ auf Seite 135, das aus dem Glas-Chef eine Andrea macht. Herausgeber ist der Glas Automobilclub International, es steht also keiner der großen Verlage hinter diesem Buch, umso erstaunlicher ist der günstige Preis von 39,90 € zzgl. Versand.
„Glas V8 und BMW Glas V8 – Luxuscoupés aus Dingolfing“ ist ein höchst gelungenes Typenbuch, das die faszinierende Geschichte des Traumautos von Anderl Glas bis ins Detail schildert, und gleichzeitig ein Zeitdokument einer spannenden Entwicklung in der deutschen Automobilindustrie der 60er Jahre.
Autoren: Uwe Gusen und Stefan Dierkes, Herausgeber: GLAS Automobilclub International e.V., 288 Seiten, ca. 400 Fotos, 39,90 € zzgl. Versand, Bestellung über den Glas-Club.
Fotos und Rezension: Rudi Seidel