Freitag, 1. April 2022
Unglaubliche Vielfalt vom Massenprodukt bis zum Exoten - "Amerikanische Autos 1945-1990" von Roger Gloor bei Motorbuch
Auch im Rentenalter wird der 1937 geborene Schweizer Autor und langjährige Journalist Roger Gloor nicht müde, an neuen Projekten zu arbeiten. Sein jüngstes Werk behandelt die amerikanischen Autos von 1945 bis 1990. Natürlich findet der Leser ausführliche Kapitel über die großen Vier General Motors, Ford, Chrysler und American Motors sowie ihre verschiedenen Marken, aber auch die anderen Hersteller sowie Kleinstserien und Exoten werden nicht vergessen.
Wie der Autor selbst schreibt, bilden seine früheren Werke über die Autos der 50er bis zu den 80er Jahren die Basis für das neue Buch, allerdings wurden alle Texte überarbeitet, mit später hinzugekommenen Informationen ergänzt und sprachlich modernisiert. Statt der ursprünglich verwendeten Schwarz/Weiß-Aufnahmen wurde Wert auf Farbe gelegt, wobei ausschließlich zeitgenössische Fotos von Autos im Originalzustand oder Faksimile antiker Prospekte oder Anzeigen ausgewählt wurden, keine aktuellen Bilder restaurierter Fahrzeuge. Das Layout wurde ebenfalls aktualisiert, nur noch zwei Spalten und größerer Zeilenabstand erleichtern die Lesbarkeit, ebenso die Kursivschrift für Texte, die von Entwicklungen in den Unternehmen handeln. Auch die enthaltenen Tabellen mit technischen Grunddaten wurden klarer und moderner gestaltet.
Was bleibt, ist der gewohnt nüchterne und fundierte Text. Gloor schafft es, Zusammenhänge und Entwicklungen so zu schildern, dass man als Leser folgen kann, andererseits ist es absolut kein Problem, konkrete Informationen zu einzelnen Fahrzeugtypen zu finden. Auch wirtschaftliche und politische Aspekte werden geschickt eingeflochten, es gab ja sehr viel Auf und Ab in der US-amerikanischen Automobilindustrie. Einziger kleiner Kritikpunkt aus meiner Sicht ist, dass bei der Kombination der Texte aus den vier Büchern manchmal Überschneidungen stehengeblieben sind, da hätte man noch achtsamer sein können. Als Beispiel sei der Text über den Buick Riviera auf den Seiten 67 und 75 genannt. Aber das ist schon Jammern auf hohem Niveau. Die Auswahl der Fotos und anderen Illustrationen ist gelungen, obwohl man sich vielleicht noch das eine oder andere Bild als Ergänzung zu im Text beschriebenen Autos wünschen würde. Bei jetzt schon fast 600 Seiten Umfang ist dieser Wunsch eher unrealistisch...
Sehr gut ist schon das Eingangskapitel, das die Entwicklung der Automobilindustrie in den USA analysiert. Es liest sich hoch interessant, welchen Vorsprung man gegenüber Europa hatte und dass natürlich ganz andere Prioritäten gesetzt wurden, sei es bei der Sicherheit, dem Komfort oder dem Energieverbrauch. Vor allem Ausstattungsmerkmale, die die Bedienung erleichtern sollten, waren viel früher lieferbar oder sogar serienmäßig, ob elektrische Fensterheber, Sitzverstellung, Türverriegelung, ob Automatikgetriebe, Servolenkung oder Klimaautomatik. Gloor liefert dazu eine Aufstellung, wann welches Feature in welchem Fahrzeugtyp erstmals angeboten wurde. Aber auch die Krisen und die späteren Einflüsse aus Europa und vor allem Japan sind dokumentiert.
Es folgt der Katalogteil, der bei AMC (American Motors Corporation) beginnt und beim Neoclassic Zimmer aufhört, neben den großen, bekannten Marken findet man Exoten wie z. B. Avanti, Cunningham, Muntz, Playboy, Tucker und Vector. Kleine Hersteller, die irgendwie einen Bezug zu den USA hatten, sowie „Sonderfälle“ und Studien sind gesondert aufgeführt, man findet Arnolt, Cizeta, DeLorean, Intermeccanica oder Shelby und viele mehr. Wer dann noch nicht genug hat, kann sich mit dem Kapitel „Kleinfabrikate und Spezialkarossiers“ befassen, da wird es richtig exotisch. Erstaunlich, was der Autor alles an Buggies, Neoclassics, Kleinwagen, Replicas und Prototypen zusammengetragen hat. Wer hat schon einmal etwas von Hoppenstand oder Omohundro gehört?
Natürlich kennt der glückliche Besitzer der genannten Gloor-Titel viele der Inhalte bereits, aber die neue Zusammenstellung, die schönen Bilder dazu und die Konzentration auf die USA lassen dieses neue Buch zum Standard über dieses Thema werden, man kann darin gut lesen, aber auch als Nachschlagewerk ist es perfekt geeignet.
„Amerikanische Autos 1945 – 1990“ von Roger Gloor ist im Motorbuch Verlag erschienen, ISBN 978-3-613-04365-7, 584 Seiten, 1000 Abbildungen, 79,90 €
Rezension: Rudi Seidel