Donnerstag, 31. März 2022

Aus amerikanischer Sicht - „Ferrari – Leidenschaft und Emotionen seit 1947“ von Dennis Adler bei Motorbuch

Jubiläen sind immer ein guter Grund für die Veröffentlichung eines Buchs, so natürlich auch der 75. Geburtstag der berühmtesten Sportwagenmarke der Welt. Der amerikanische Autor Dennis Adler hat sein bereits zum 60. und 70. Jahrestag erschienenes Werk über Ferrari aktualisiert und Motorbuch liefert dem Fan jetzt eine deutsche Ausgabe.

Über den Werdegang dieser legendären Firma und ihrer Hauptpersonen wurde sicherlich alles schon geschrieben und veröffentlicht, ob es um Sporterfolge und Tragödien oder um Renn- oder Straßenautos ging, was soll man dann von einem neuen bzw. erweiterten Buch noch erwarten? Ich hätte mich gefreut, wenn der Autor einen aktuellen Überblick vor allem über die Entwicklung der Serienfahrzeuge und ihrer teils sehr speziellen Sonderversionen gegeben hätte.

Dennis Adler sieht die Geschichte aufgrund seiner Herkunft sehr amerikanisch, wozu sicherlich die Bekanntschaft mit Luigi Chinetti Jr., dem Sohn des dreifachen Le Mans-Siegers (darunter der erste für Ferrari) und langjährigen US-Importeurs der Marke beiträgt. Diese Aspekte sind durchaus interesssant, Nordamerika war und ist ja ein wichtiger Markt für europäische Supersportwagen. Im Vorwort schildert eben dieser Chinetti, wie er von Kindesbeinen an die Beziehung Enzo Ferraris zu seinem Vater miterleben durfte.

Das Buch beginnt mit einem Exkurs über Cisitalia, dessen 202 mit Pininfarina-Aufbau als die Inkarnation des modernen Sportwagens nach dem 2. Weltkrieg gesehen wurde. Dann folgt Adlers wilder Ritt durch die Ferrari-Geschichte. Beim Lesen fühlt man sich manchmal etwas verwirrt, es fehlt ein klarer chronologischer Faden und es entsteht der Eindruck, dass der Autor einfach das geschrieben hat, was ihm gerade in die Hände gefallen ist. Ebenso sieht es bei der Auswahl der präsentierten Fahrzeuge aus: Obwohl die Betonung auf den Straßenautos liegt, findet man ein ausführliches Kapitel über den 250 TR Testa Rossa, als Beispiel wird aber John von Neumanns TRC 625 präsentiert, diesem Einzelstück wurde erst nachträglich der Zwölfzylinder eingepflanzt. Überhaupt arbeitet der Autor inkonsequent, mancher Rennerfolg wird ausführlich besprochen, andere, mindestens genauso wichtige, fallen komplett unter den Tisch. Auch bei den Fahrzeugtypen ist nicht alles klar, selbst die Zuordnung zu den Kapiteln „50er Jahre“ sowie „60er und 70er Jahre“ passt nicht immer, das 250 GT Cabriolet von 1957 ist zum Beispiel bei den 60ern einsortiert, ein Foto mit 328-Typen wird als 308 beschrieben usw. Dazu kommt manchmal ein eher flapsiger Text, wenn der F 512M als „Colaflasche auf Aluminiumfelgen“ bezeichnet wird, was soll das? Liegt es am Originaltext oder der Übertragung ins Deutsche? Beim letzten Kapitel „Ferrari im 21. Jahrhundert“ wird man das Gefühl nicht los, dass Dennis Adler schnell noch etwas dazugeschrieben hat, damit man das Buch neu vermarkten kann. Das Fotomaterial dazu ist ebenfalls nicht gerade sorgfältig gewählt, von den meisten Typen der Neuzeit lediglich ein Bild, keine Details, das ist eher enttäuschend. Dass es keine Tabellen, Statistiken, Register usw. gibt, passt zur gesamten Machart dieses sehr oberflächlich verfassten Werkes.

Das Buch an sich ist schön produziert, für das verwendete Querformat habe ich sowieso eine Vorliebe, man spart sich, zu viele Aufnahmen über den Bund zu ziehen. Der Druck und die Bildwiedergabe sind perfekt, das Layout ist manchmal etwas unübersichtlich, vor allem die Zuordnung der Bildtexte. Die Farbbilder der restaurierten Fahrzeuge sind sicherlich das Beste an diesem Buch, hier gibt es schöne Details und beim Blättern und Fotos Anschauen kommt Freude auf. Die historischen Schwarz/Weiß-Aufnahmen sind natürlich teils bekannt, aber einige nette Motive findet man schon, wie zum Beispiel Keith Moon, damals Schlagzeuger von „The Who“, mit seinem Fuhrpark, im Vordergrund ein wohl kräftig verunfallter Dino 246 GTS oder ein paar schöne Eindrücke von Autosalons der 50er und 60er Jahre.

Irgendwie wurde meiner Meinung nach eine Chance verpasst, wahrscheinlich hätte Dennis Adler sein Buch komplett überarbeiten und mehr Zeit in die Erweiterung investieren sollen, damit man richtig Freude daran haben kann. So bleibt als Fazit, dass schöne Fotos alleine nicht reichen, um einer Marke wie Ferrari gerecht zu werden.

„Ferrari – Leidenschaft und Emotionen seit 1947“ von Dennis Adler ist beim Motorbuch Verlag erschienen, ISBN: 978-3-613-04438-8, 336 Seiten, 300 Bilder, 49,90 €

Rezension: Rudi Seidel

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