Montag, 11. Oktober 2021

auto & modell unterwegs: Freilichtmuseum Glentleiten in Großweil/Oberbayern

Eigentlich ist das Freilichtmuseum Glentleiten in erster Linie eine Art Dorf bestehend aus dort wiederaufgebauten, alten Bauernhäusern und allem, was zum ländlichen Leben früherer Zeiten gehörte. Als solches ist es ein toller Ausflugstipp für die ganze Familie. Die aus unterschiedlichen Orten stammenden und bei Großweil wunderbar in die Landschaft integrierten Gebäude lassen sich bei einem ausgedehnten Rundgang entdecken. Schön, dass viele der Gebäude betreten werden können und mit originalem Interieur zeigen, unter welch schwierigen Verhältnissen die Landbevölkerung leben musste. Natürlich gibt es auch regelmäßige Vorführungen, Sonderausstellungen und einiges an Gastronomie, wobei wir vor allem den Kramerladen schätzen, wo es sowohl Brotzeiten, Mehlspeisen, aber auch die Süßigkeiten von früher stückweise zu kaufen gibt. Von Weingummischnullern über weiße Mäuse, Lakritzschnecken bis zu Colaflaschen reicht das garantiert nicht gesunde Angebot. Alles Weitere wie Öffnungszeiten, Eintrittspreise oder Sonderaktionen kann man unter www.glentleiten.de erfahren.

Der Grund unseres Besuchs war allerdings in erster Linie das modernste historische Gebäude auf der Glentleiten, ein wahres Kleinod für den Autofan. Ein Wunder, dass diese Tankstelle aus den 50er Jahren in Oberwössen/Brem bei Traunstein die ganzen Jahre ohne größere Veränderungen überlebt und nun ihren Weg ins Freilichtmuseum gefunden hat. Der Wiederaufbau der in Brem ebenfalls noch existierenden Pflegehalle neben der Tankstelle ist geplant, das Fundament ist schon gesetzt. Die Geschichte der Tankstelle beschreibt das Museum selbst so:

„Die Tankstelle ist ein Beispiel für den Wandel im ländlichen Handwerk nach dem Zweiten Weltkrieg: Zuvor war an dem ehemaligen Standort in Brem seit knapp 200 Jahren eine Hufschmiede betrieben worden. Als der Traktor die Pferdegespanne und -fuhrwerke ablöste, nahm der Bedarf an Karren und Wägen rapide ab. Auch Reparaturaufträge sorgten mit der fortschreitenden Technisierung der Landwirtschaft nicht mehr für volle Auftragsbücher. Stattdessen stieg der Bedarf an Treibstoff sowie Wartung und Pflege von Automobilen und Traktoren stetig an. Auch in der Bremer „Walchschmiede“, die seit dem 19. Jahrhundert im Besitz der Familie Meier war, musste man sich neu orientieren. Deshalb entschied sich zu Beginn der 1950er Jahre die Inhaberin Maria Meier, eine Tankstelle zu bauen. Dabei spielte den Meiers die Lage des Grundstücks in die Hände: Die Deutsche Alpenstraße führte als die erste Ferienroute Deutschlands direkt am Betrieb der Familie vorbei.

Ab Sommer 1953 konnte man – zunächst noch unter freiem Himmel – an den Zapfsäulen der Gasolin AG tanken. 1955/56 kam dann die bis heute modern anmutende Überdachung hinzu. Die Gasolin AG wollte, wie auch die anderen großen Mineralölkonzerne, dass ihre Tankstellen leicht wiederzuerkennen waren. Daher entwickelte das Unternehmen eine begrenzte Anzahl an Tankstellentypen mit einheitlichem Design. Bei der Tankstelle aus Brem handelt es sich um den Typ G T6/II.

1971 übernahm ARAL die Gasolin AG – alles, was bisher im charakteristischen Firmen-Rot erstrahlt war, wurde nun blau. Der Wechsel zu ARAL zahlte sich zunächst aus – es folgten die umsatzstärksten Jahre in der kleinen Bremer Tankstelle. Dann jedoch setzten sich Selbstbedienungstankstellen durch und die Familie Meier hätte umbauen müssen. Da auch der Umsatz zurückgegangen war, stellte man 1981, als der Vertrag mit dem Mineralölkonzern auslief, den Betrieb ein.

Seither stand das Gebäude unverändert an der heutigen B 305 und wartete auf eine neue Bestimmung. Erst im Herbst 2019 kam Bewegung in die Sache, denn die Tankstelle sollte einer neuen Ortsgestaltung weichen. Das Freilichtmuseum Glentleiten rettete das Gebäude kurz vor dem Abriss und kann nun mit einer neuen, in Bayerns Freilichtmuseen bislang einzigartigen Attraktion aufwarten“.

Die ausführliche Geschichte des Umzugs und Aufbaus der Tankstelle kann man unter diesem Link verfolgen. Wir sind gespannt, ob und wie das Museumsteam die wirklich bis ins kleinste Detail eingerichtete Zapfstation mit etwas mehr Leben füllen wird, vielleicht kann man zumindest im Sommer das eine oder andere zeitgenössische Fahrzeug dort parken. Im Moment sieht das Umfeld noch ziemlich kahl aus. Wie die Fotos zeigen, wurde aber bei der Innenausstattung auf jede Kleinigkeit geachtet. Von den Wandregalen für Glühbirnen und Zündkerzen über den Zigarettenautomaten bis hin zur Luftdrucktabelle ist alles original vorhanden. Ob die Kippen im Aschenbecher aus den 60er Jahren stammen, haben wir allerdings nicht recherchiert. Der Gasolin-Werbespruch von damals „Nimm Dir Zeit und nicht das Leben“ ist jedenfalls zeitlos.

Den Wiederaufbau der Tankstelle nahm das Freilichtmuseum Glentleiten zum Anlass für eine Publikation: In diesen Tagen erschien „Die Deutsche Alpenstraße. Deutschlands älteste Ferienroute“ im Volk Verlag. Das Buch mit Beiträgen von Glentleitner Wissenschaftlern und weiteren renommierten Fachleuten kostet 24,90 Euro und ist im Museumsladen sowie im Buchhandel erhältlich.

Zum Saisonstart 2022 im März ist eine Sonderausstellung unter dem gleichen Titel im Museum geplant.

Fotos: Rudi Seidel Text: Rudi Seidel, Freilichtmuseum Glentleiten

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