
Donnerstag, 26. November 2020
Etwas Feines zum Vierzigsten: "Audi quattro" von Dirk-Michael Conradt bei Delius Klasing
Als ich 1980 bei den Pressetagen des Genfer Salons erstmals dem Audi quattro gegenüberstand, war mir ehrlicherweise die Tragweite dieses Konzepts nicht im entferntesten klar, aber damit stand ich nicht alleine. Es gab ja auch einen neuen Ferrari, den Mondial 8, bei Renault das Fuego Coupé und den witzigen Fiat Panda, der noch dazu von netten jungen Damen präsentiert wurde, sowie den für den Schweizer Salon üblichen Schwung von Exoten und Studien. Gut, 40 Jahre später wissen wir alle mehr, der quattro wurde in 11.452 Exemplaren hergestellt, schrieb Rallyesportgeschichte und war der Wegweiser für den Allradantrieb bei leistungsfähigen Straßenautos.
Nun hat der renommierte Automobiljournalist Dirk-Michael Conradt in Zusammenarbeit mit der Audi Tradition und dem Delius Klasing Verlag einen richtigen Prachtband produziert. Auf 400 Seiten im modernen, großzügigen Layout findet man alles, was man über den Audi quattro wissen will. Besonderes Augenmerk gilt auch der Entwicklung der Spezialitäten dieses Fahrzeugs, also des Fünfzylinder-Triebwerks, der Abgasaufladung sowie eben dem Allradantrieb. All das wird jeweils im historischen Kontext beschrieben, ein hoch interessanter Lesestoff. Der damalige Audi-Designchef Hartmut Warkuß erklärt, warum der quattro so und nicht anders aussah, und so geht es Schritt für Schritt weiter: Der Beginn der Rallyekarriere, der Start der Serienfertigung, der erste WM-Titel, die Weiterentwicklung zum kurzen quattro Sport sowie die ständige Modellpflege. All das wird ausführlich und akribisch dokumentiert und mit vielen erstmals veröffentlichten Fotos illustriert. Auch Pininfarinas Studie Quartz, die 1981 in Genf gezeigt wurde, fehlt ebenso wenig wie die letztlich nicht eingesetzten Mittelmotor-Rallye-Prototypen. Pressestimmen von damals, aber auch von aktuellen Klassikerjournalen sowie präzise Daten- und Ausstattungstabellen vervollständigen diesen Prachtband, schön, dass man auch an Muster der lieferbaren Lackierungen gedacht hat. Die Teilnahmen an Rallyes sind ebenfalls tabellarisch dokumentiert, wer allerdings eine ausführliche Einsatzgeschichte sucht, ist mit diesem Werk nicht richtig bedient, das sollte aber auch nicht das Ziel sein. Ein gutes Stichwortverzeichnis sorgt dafür, dass dieses Buch nicht nur als Lesestoff, sondern durchaus als Nachschlagewerk zum Thema dienen kann. Mir gefällt vor allem die Beschreibung der technischen Entwicklungen, die fundiert, aber auch für den interessierten Laien verständlich formuliert ist. Die Gesamtqualität ist, wie bei Delius Klasing üblich, hervorragend, Druck und Bildverarbeitung von hoher Qualität, übersichtliches, sehr großzügiges Layout und gut lektorierter Text. Einziger minimaler Kritikpunkt sind die Fußnoten, die sind sehr klein gesetzt und vor allem, wenn sie vor einem Hintergrund stehen, manchmal schlecht lesbar. Und dass die Mitarbeiter beim Abschied vom letzten produzierten quattro auf der Seite 346 mit lächelnden und traurigen Minen (statt Mienen) abgelichtet wurden, ist keinem mehr aufgefallen, wie das halt immer mal wieder durchrutscht . . .
Sicherlich ist dieser Band nicht das erste Buch über den Audi quattro, aber eines, dass es auf jeden Fall wert ist, in die Bibliothek aufgenommen zu werden.
„Audi quattro“ von Dirk Michael Conradt ist bei Delius Klasing erschienen, 400 Seiten mit 630 Abbildungen im Großformat 27,5 x 29,5 cm, ISBN 978-3-667-11946-9, Preis 49,90 Euro
Rezension: Rudi Seidel