Mittwoch, 1. April 2020
Exzellente Biographie: The Swiss Wiz - Edi Wyss - Ein Leben mit Renn- und Sportwagen bei McKlein
Es sind nicht immer die Menschen, die im Rampenlicht stehen, deren Biographien aber umso interessanter und fesselnder sein können. Der Schweizer Edi Wyss ist dafür ein Paradebeispiel, von kleinsten Anfängen als Rennfahrer und -mechaniker diente er sich über internationale Teams von Spitzenleuten wie z. B. Bruce McLaren, Jo Siffert, Joakim Bonnier bis zum Konstrukteur bei Sauber und Restaurator hochwertiger Fahrzeuge vor allem aus Maranello hoch, seine Firma Edi Wyss Engineering gehört heute noch zu den führenden Betrieben dieses Genres. Und der Gründer schaut natürlich noch gerne in seiner 2015 übergebenen Firma vorbei.
Die Geschichte begann 1959, als Edi Wyss eine Feinmechanikerlehre antrat und erste Kontakte zur Rennszene in der Schweiz bekam. Bald erstand und restaurierte er seinen ersten Abarth, einen Monomille, mit dem er sich im Wettbewerb versuchte. 1968 schloss er das Studium als Ingenieur-Techniker HTL in Biel ab und dann ging es nach England zu Joakim Bonnier und von dort aus zu McLaren. Edi erlebte die Sportwagenrennen, die CanAm und war Rennmechaniker von Denny Hulme, später betreute er das wenig erfolgreiche McLaren-Alfa Romeo-Projekt. Ab 1971 arbeitete er als Freelancer für verschiedene Teams, unter anderem für Alain de Cadenet und David Weir. Dann ging es mit Jo Siffert und dem Porsche 917/10 zur CanAm und 1972 nochmals mit McLaren nach Indianapolis.
Erste Konstruktionsarbeiten waren der Tecno PA 123 für die Formel 1 und Herbert Müllers Ferrari 512 CanAm Spider, darauf folgte der Sauber C4 und eine harte Trennung von Peter Sauber, die Edi Wyss in die Sebständigkeit führte. Das „Moschthüsli“ wurde ein Mekka für Leute, die ihre Rennwagen perfekt vorbereitet oder nach Crashes neu aufgebaut haben wollten, zwischendurch gab es einzelne Einsätze als Rennmechaniker, deren Höhepunkt sicherlich der Le Mans-Sieg von Sauber Mercedes 1989 darstellte. Mit einem Ferrari-Stirnband machte Edi sich allerdings dort zunächst nicht gerade beliebt, da kam einmal mehr der Revoluzzer in ihm durch.
Dann begann die Konzentration auf eine Marke, Edi Wyss suchte sich eine der exklusivsten aus und wurde eine absolute Koryphäe, wenn es um die Autos mit dem springenden Pferd ging. Seine Abarth-Liebe aus der Anfangszeit blieb aber erhalten. 2005 kam der Umzug vom Moschthüsli in einen modernen Betrieb, den er 2015 an seinen Nachfolger Thomas Schnitzler übergab.
Ehrlicherweise waren mir Edi Wyss und seine Biographie nicht weiter bekannt, aber als ich das Buch in die Hand nahm, war ich sofort so fasziniert, dass es mir schwerfiel, es zwischendurch zur Seite zu legen. Wie detailverliebt, aber auch oft humorvoll die Geschichte geschrieben ist, welche Fachkenntnis der Autor vermittelt und was er vor allem als Mechaniker erlebt hat, das ist wirklich außergewöhnlich. Die vielen völlig unbekannten Fotos und die zeitgenössischen Dokumente tun ein übriges. Vor allem die Bilder vom Rand der Rennstrecke oder dem sogenannten Fahrerlager, wo auf der grünen Wiese selbst ganze Getriebe zerlegt und wieder montiert wurden, sind schier unglaublich. Nette Stories sind enthalten, wie die des Bonnier-Lola T70, der in Schweden noch ganz gelb antrat, bis Pedro Rodriguez die Schnauze deformiert hatte. Eine Woche später war dann nur eine rote Schnauze verfügbar, mit der der Lola in Oulton Park an den Start ging, die aber das Rennen nicht überstand. Für Zeltweg fand man dann nur noch eine dunkelblaue Haube mit dem weißen Pfeil vom Werksteam . . . Aber das ist nur ein kleines Beispiel für die zu entdeckenden Geschichten.
Viele Gefährten, Kollegen und Rennfahrer bekamen die Gelegenheit, über ihre Erfahrungen mit Edi Wyss zu berichten, der Autor selbst trägt eine Aufstellung aller Rennen, bei denen er als Mechaniker tätig war und eine Liste mit Fahrgestellnummern aller von ihm restaurierten oder betreuten klassischen Ferraris bei.
Wie von McKlein gewohnt, ist das Buch hervorragend produziert, klar layoutet und von höchster Druck- und Bildwiedergabequalität. Bis auf einige in der Sprache der Autoren (englisch oder italienisch) verfassten Anmerkungen ist das Buch nur in deutsch verfasst, für ein so spezielles Thema eher ungewöhnlich, aber natürlich angenehm. Rund 80 Euro sind kein Schnäppchen, aber dieser Band ist jeden Cent wert!
„The Swiss Wiz - Edi Wyss - Ein Leben mit Renn- und Sportwagen“ von Edi Wyss und Christoph Ditzler ist bei McKlein Publishing erschienen, 304 Seiten, 340 Farb- und 185 S/W-Bilder, ISBN <span class="entry--content">9783947156221</span>, 79,90 Euro
Fotos: McKlein, Rezension: Rudi Seidel