Freitag, 14. Februar 2020
Detaillierte Liebeserklärung: "312P - Ferraris vielleicht schönster Rennwagen" von Gianni Agnesa bei McKlein
Der Verlag McKlein Media verwöhnt den Freund hochwertiger Bücher, kaum hatten wir das Sharknose-Buch zur Besprechung vorliegen, das aktuell von der britischen Fachzeitung Octane zum Buch des Monats auserkoren wurde, geht es auf dem gleichen Niveau weiter. Ferraris 3-Liter-Prototyp von 1969 gehörte schon immer zu meinen Favoriten, die damaligen Diecastminiaturen von Dinky Toys und Solido zählten zu meinen Lieblingsmodellen. Beim Buchtitel möchte ich das "vielleicht" akzeptieren, für mich sind P3 und P4 die schönsten Ferraris der Mittelmotorära, aber der 312 P kommt, vor allem als Coupé, gleich danach. Das kann allerdings jeder sehen, wie er will.
Nun haben wir also ein prächtiges Buch vor uns, 264 Seiten im fast quadratischen Format mit solidem Schuber, wie von McKlein gewohnt, hochwertig verarbeitet und von optimaler Druckqualität. Mit 114 Farb- und 123 s/w-Fotos reichhaltig illustriert, die Dreisprachigkeit (Deutsch/Italienisch/Englisch) ist sicherlich notwendig, um eine ausreichende Auflage zu erreichen, da im Layout immer deutsch die letzte Spalte einnimmt, rutscht man beim Lesen oft in die linke italienische Spalte, das ist logischerweise der Originaltext, stammt doch Gianni Agnesa, der Autor von dort. Wer der Sprache mächtig ist, hat Freude daran, die deutsche Übersetzung von Michael Berndt ist aber durchaus in Ordnung. Den englischen Text kann ich nicht beurteilen, da ich ihn nicht gelesen habe.
Im Vorwort beschreibt der Autor, wie seine Liebe zum 312 P erwacht ist, als er am Zeitungskiosk in Cagliari die aktuelle Autosprint mit dem Ferrari auf dem Titel kaufen musste. Das daraus letztlich ein Buch über dieses Auto entstand, ist nstürlich eine lange, lesenswerte Geschichte. Sehr interessant sind die Gespräche mit Giacomo Caliri, dem verantwortlichen Ingenieur und Peter Schetty, einem der damaligen Werkspiloten.
Agnesa geht kurz auf die Vorgeschichte und die Gründe für die Entwicklung des 312 P ein, um sich dann intensiv mit dem Projekt und seinen Fort- aber auch Rückschritten auseinanderzusetzen. Hochinteressant die Fotos und Berichte von diversen Testfahrten, aber auch jeder Renneinsatz ist genau dokumentiert. Dazwischen werden Kurzporträts von involvierten Fahrern und anderen Personen eingefügt. Nett ist die Geschichte über die vielen zusätzlichen Spoiler, die auf Befehl Enzos wieder entfernt werden mussten, weil das Auto so seinem ästhetischen Empfinden widersprach. Aufschlussreich die Fotos, auf welche Weise aus dem Spider das schöne Coupé entstand, begeisternd überhaupt die Bilder aus den Boxen, auf denen man viele technischen Details erkennt, aber auch manchmal sieht, dass das Finish der Rennautos nicht immer Concours-like ausgeführt wurde.
Ein kurzer Sidekick zeigt, dass eines der lediglich drei gebauten Chassis die Grundlage für die Berlinetta 512 Special von Pininfarina bildete. Weiter geht es mit der Saison 1970, wo die beiden verbliebenen, inzwischen an Luigi Chinetti verkauften 312 P Coupés von seinem North American Racing Team (= NART) eingesetzt wurden und in Steve McQueens Film "Le Mans" mitspielen durften. 1971 wurde aus einem der 312 P wieder ein Spider, der eine gewisse Ähnlichkeit mit Ferraris eigener Neukonstruktion hatte. Damit bestritt das NART die Rennen von Daytona und Sebring mit den Plätzen 5 und 8 durchaus mit gewissem Erfolg. Danach verschwand der Ferrari erst einmal in der Versenkung. Für Le Mans 1974 grub man den alten Spider nochmals aus und modifizierte ihn etwas. Jean-Claude Andruet und Teodoro Zeccoli erreichten nach vielen Problemen einen neunten Platz. Damit endete die Rennkarriere des 312 P immerhin nicht völlig erfolglos.
Vervollständigt wird das Buch durch einen detaillierten Bericht über die Wiederentdeckung und Restaurierung des verbliebenen Chassis 0872 zu seinem heutigen, perfekten Zustand, wieder mit hervorragenden Detailfotos. Des weiteren findet der Leser technische Daten und Rennbeteiligungen in kurzen Tabellen sowie eine nicht vollständige Präsentation von Modellautos des 312 P.
"312 P - Ferraris vielleicht schönster Rennwagen" ist bei McKlein erschienen und kann auch dort für 89,90 Euro erstanden werden, das ist kein Schnäppchen, aber für ein so spezielles und hervorragendes Buch absolut gerechtfertigt.
Bilder: McKlein, Rezension: Rudi Seidel