Montag, 2. Dezember 2019
Packende Geschichte - Sharknose//V6 von Födisch/Rossbach bei McKlein
Ferraris Formel-1-Teilnahme in den Jahren 1961/62 beinhaltet alle Themen eines dramatischen Spielfilms, von Intrigen über Heldentod, Triumph, Scheitern und Palastrevolution wird nichts ausgelassen. Die Autoren Jörg-Thomas Födisch und Rainer Rossbach haben sich mit der großzügigen Unterstützung von Paul-Henri Cahier, der viele teils unveröffentlichten Fotos aus dem Archiv seines Vaters Bernard auswählte, tief in diese faszinierende Zeit versetzt. Dabei entstand ein wahrhaft großes Werk im quadratischen Format mit über 430 Seiten. Auch die Vorgeschichte der 1,5-Liter-Formel 1 sowie die parallel entwickelten und eingesetzten V6-Mittelmotor-Sportprototypen sind Thema dieses Bandes. Für die Vorworte konnten der Ingegniere Mauro Forghieri und der Journalist Helmut Zwickl gewonnen werden.
Die Geschichte beginnt 1960 mit ersten Einsätzen eines Mittelmotorrennwagens in Monaco (noch mit dem 2,5-Liter-Triebwerk) und auf der Solitude als Formel 2. Für 1961, dem ersten Jahr der sowohl von den Engländern als auch Ferrari (!) abgelehnten 1,5-Liter-Formel war man optimal vorbereitet, der Dino 156 fuhr Kreise um die meist noch mit alten Climax-Vierzylindern bestückten englischen Monoposti und den zu schweren und zu plumpen Porsche. Ausnahme waren Monaco und der Nürburgring, wo sich ein in Weltmeisterform befindlicher Stirling Moss auf dem eigentlich chancenlosen Lotus durchsetzte. Dem Drama in Monza mit dem Todessturz des in der WM führenden Grafen Trips, der auch noch 15 Zuschauer mit in den Tod riss, folgte der WM-Sieg seines Teamkollegen Phil Hill und die Palastrevolution. als Ferrari unter anderem mit Carlo Chiti seinen Chefingenieur und mit Romolo Tavoni seinen Teammanager verlor, die Herren hatten wohl ernsthafte Probleme mit Laura, der Ehefrau des Commendatore. Für 1962 musste dann der mit 26 Jahren blutjunge Mauro Forghieri die Verantwortung übernehmen, was ihm aus dem Stand nicht ganz gelang, so blieb die Saison erfolglos, weil vor allem die Briten mit neuen V8-Triebwerken den Standard setzten, während die Ferrari mit dem alten V6 weitermachen mussten. Erst 1963 ging es wieder aufwärts, was der WM-Titel von John Surtees im Folgejahr bestätigte, aber das ist nicht mehr Thema dieses Buchs.
Schön, dass die Autoren auch die Geschichte der parallel entwickelten Mittelmotorsportwagen 196, 246 und 268 SP erzählen. Diese waren als Ergänzung zu den dicken V12-TRs für Strecken wie die Targa Florio oder den Nürburgring wie geschaffen, was sich in einigen Erfolgen wiederspiegelte. Auch in der Europa-Bergmeisterschaft konnte man mit Ludovico Scarfiotti 1962 Meisterehren feiern.
Das Buch ist chronologisch aufgebaut, jedes Rennen der Ferrari ist ausführlich beschrieben und mit grandiosen, großformatigen Bildern illustriert. Toll, dass nicht nur Rennfotos, sondern auch viele Aufnahmen aus den Boxen, vom Training und vom Umfeld enthalten sind, die Autoren haben neben den wunderbaren Fotos von Bernard Cahier auch viele andere Motive aus namhaften Archiven verwendet.
Das gleiche gilt für die Sportwagenrennen, da wird auch noch der letzte Werkseinsatz eines 246 SP bei der Targa Florio 1963 beleuchtet, eigentlich hatten zu dieser Zeit bereits die 250 P mit ihren V12 das Sagen.
Hartmut Lehbrink ergänzt das Buch mit lesenswerten Kurzbiographien der beteiligten Piloten von Phil Hill über von Trips, Ginther, Gendebien, Mairesse, Bandini, Baghetti, der Brüder Rodriguez, Ireland, Parkes und Scarfiotti, auch wichtige Personen wie Vittorio Jano, Carlo Chiti, der Carrozziere Medardo Fantuzzi oder Mauro Forghieri werden gewürdigt. Es folgen technische Daten der Fahrzeuge und Berichte über die Reinkarnation des 156 F1, da ja leider alle Originalfahrzeuge auf Weisung Enzo Ferraris zerstört wurden.
Ein wirklich komplettes Buch, das sowohl Lesespass bietet, aber auch als Nachschlagewerk dienen kann. Die Qualität von Text, Druck und Bildwiedergabe ist hervorragend, erwähnenswert die vielen Farbfotos, das war Anfang der 60er noch nicht üblich, da ja die meisten Zeitschriften usw. kaum in Farbe gedruckt wurden.
Die meisten Fotos kommen im gewählt großen Format hervorragend raus, bei manchem Bild wäre ehrlicherweise weniger Vergrößerung optimaler gewesen, da wird es dann etwas grobkörnig. Und wenn ich schon ganz leise kritisiere, könnte man noch anmerken, dass die Autoren, die jeweils einzelne Kapitel und Rennberichte geschrieben haben, sich etwas besser hätten abstimmen können, manche Aussagen wiederholen sich dann doch und dadurch, dass vor allem 1962 nur über die Rennen mit Ferrari-Beteiligung berichtet wird, wird der WM-Verlauf etwas unübersichtlich. Aber insgesamt ist Sharknose // V6 ein hervorragendes Kapitel Renngeschichte, das richtig Spass bereitet, auch wenn 124,90 Euro sicherlich eine gewisse Hürde darstellen. Aus meiner Sicht ist dieses Buch sein Geld mehr als wert.
"Sharknose//V6" von Jörg-Thomas Födisch und Rainer Rossbach ist bei McKlein Publishing erschienen, 432 Seiten, ca. 428 Fotos, Format 29 x 29 cm, zweisprachig deutsch und englisch, ISBN <span class="entry--content">9783947156245</span>, Preis 124,90.
Fotos: McKlein, Text: Rudi Seidel