Sonntag, 23. Dezember 2018

Tiroler Gschichten - "Nockenfranz" von Siegfried C. Strasser bei Edition Tirol

Der „Nockenfranz“ war ein Tiroler Original als Rennfahrer, Tuner und Konstrukteur. Franz Albert war ein Selfmademan, dessen Ideen, Projekte und Pläne eigentlich gar nicht in einem Leben untergebracht werden konnten. Siegfried C. Strasser hat sich der Aufgabe gestellt, die Laufbahn und das Leben dieses Tirolers zu dokumentieren.

Schon beim ersten Durchblättern kommt Begeisterung über das umfangreiche, noch nie gesehene Bildmaterial auf. Gerade die Biographien solcher Menschen, die dem Rennsport soviel gaben, ohne ganz vorne im Rampenlicht zu stehen, sind immens wichtig. Der Autor leitet das Buch mit der Kindheit und Jugend von Franz Albert in Wörgl/Tirol ein (wo ja auch 28 Jahre später Gerhard Berger zur Welt kam), die Zeit in der Werkstatt des Großvaters, da der Vater im Krieg fiel, und die ersten Eigenkonstruktionen führten zum Interesse am Motorradsport, für den der junge Mann durchaus talentiert war. Ende der 50er Jahre ging es dann mit vier Rädern weiter, gleich mit einem Porsche 550 Spyder, dem ein 718 RSK folgen sollte. Albert mischte bei lokalen Rennen, aber auch in der Europabergmeisterschaft mit und war nicht erfolglos. 1962 bekam er sogar einen Werksvertrag bei Abarth, aber nach einem Einsatz bei den 24 Stunden von Le Mans 1962 erkannte er, dass sich der Zeitaufwand als Profirennfahrer nicht mit der Leitung seines Unternehmens vereinbaren ließ. Dennoch reizte den Tiroler alles, was sich schnell fortbewegte, deshalb gab es auch einen kurzen Ausflug zu Motorbootrennen. Motortuning und spezielle Auspuffanlagen wurden ein zusätzliches Standbein, 1963 entwickelte Albert sogar einen Rennwagen ähnlich dem Lotus 23, dem er stolz seinen eigenen Namen gab, damit war der Albert RS geboren, der bis 1967 in Österreich und bei Bergrennnen zum Einsatz kam. Dann kamen die größeren Kaliber: Ford GT40, Brabham Repco Formel 1 sowie ein Chevrolet Camaro, der ursprünglich von Roger Penske in der amerikanischen TransAm eingesetzt wurde und über Francis McNamara nach Wörgl kam. Einen Albert Formel 3 gab es auch noch und in den 70er Jahren ging es mit BMW 2002 sowie 320 Turbo und diversen Mazda bei allen möglichen Einsätzen weiter. Zwischendurch hat Albert sich als Konstrukteur einen Namen gemacht, seine leistungssteigernden Nockenwellen brachten ihm den Spitznamen ein, aber auch seine Entwicklungen im Bereich der Aufladung trugen Früchte. Auch als er sich aus der Autobranche zurückzog, ging es nicht ohne Motoren, die aber jetzt in Luxusyachten steckten. Der Erfindungsreichtum machte auch in dieser Sparte nicht halt, Entwicklungen wie hydraulische Gangways für die Schiffe wurden zum Erfolg. Letztlich verlegte der Tiroler seinen Wohnsitz an die spanische Costa Blanca, wo er im November 2017 starb.

Siegfried C. Strasser hat mit Hilfe der Familie und vieler Zeitgenossen eine Fleissaufgabe bewältigt und das Leben Alberts hervorragend recherchiert. Dazu helfen natürlich auch die unzähligen Fotografien aus Privatbesitz. Darüber hinaus nutzt der Autor sein großes Wissen über die damalige Rennszene, auch unbekanntere Zeitgenossen und deren Leben zu dokumentieren. Und da liegt dann leider ein kleines Problem, man wird als Leser oft von den Gedankengängen Strassers fast aus der Bahn geworfen und verliert den Überblick. Eine etwas klarere Gliederung und vielleicht die eine oder andere Tabelle wären hilfreich, so sind einfach zu viele Daten im laufenden Text integriert. Aber das ändert nichts an dem Fazit, dass der Autor sehr sorgfältig gearbeitet haben dürfte und den Zeitzeugen auch die eine oder andere Anekdote aus Alberts Leben entlocken konnte. Auch wenn es etwas anstrengend ist, dieses Buch fortlaufend zu lesen, hatte ich viel Freude, die Lebensgeschichte dieses echten Typen zu verfolgen.

Die Gesamtqualität des Werkes ist sehr gut, Layouter, Bildwiedergabe und Korrektorat haben sauber gearbeitet, lediglich an den Texten hätte man noch etwas feilen können, manchmal wiederholen sich ganze Sätze. Sehr positiv ist das Personenregister, wie gesagt, kommen in der Biographie viele der Kollegen, Konkurrenten oder Zeitgenossen Alberts vor. Manche Fotos hätten wir uns gerne größer wiedergegeben gewünscht, aber insgesamt sind wir sehr erfreut über dieses Buch und finden es toll, dass sich der Verlag Edition Tirol für solch ein Projekt engagiert und es zum günstigen Preis anbietet.

„Nockenfranz“ von Siegfried C. Strasser ist im Verlag Edition Tirol erschienen, 160 Seiten, 358 Bilder, ISBN: 978-3-85361-220-0, Preis: EUR 24.90. Kaufen/bestellen: Direkt beim Verlag oder im einschlägigen Buchhandel.

Rezension: Rudi Seidel, Titelfoto: Zwischengas

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