
Donnerstag, 2. November 2017
Was ein Auto alles erleben kann - Porsche 911 ST 2.5 von Thomas Imhof bei Delius Klasing
Monografien über ein einzelnes Auto werden immer beliebter, siehe Ford GT 40 1075, Ferrari Breadvan usw., aber den 911er, den sich Thomas Imhof mit der Unterstützung von Jürgen Barth und Michael Keyser vorgenommen hat, ist schon ein ganz besonderes Exemplar. Chassis Nr. 230 0538 ist einer von lediglich 24 im Werk aufgebauten 911 ST 2.5. Diese Fahrzeuge wurden an Privatteams verkauft, wie eben Michael Keysers Toad Hall Racing Team. Der Amerikaner wollte damit die WM-Läufe 1972 bestreiten, was ihm auch mit recht guten Erfolgen gelang. Gleichzeitig nutzte Keyser den 11er auch als Kamerawagen, mit speziellem Equipment filmte er beim Training, manchmal auch beim Rennen die Szenen, die später zu dem berühmten Racemovie „The Speed Merchants“ führte, das dankenswerterweise dem vorliegenden Buch als DVD beiliegt.
Thomas Imhof verbindet geschickt Texte aus den Notizen von Jürgen Barth, der Keyser mehrfach als Copilot begleitete, mit den Erinnerungen des Amerikaners und seinen eigenen Recherchen. Dabei entsteht eine ganz spezielle, absolut lesenswerte Geschichte über die WM-Saison 1972, die ja eigentlich durch die drückende Überlegenheit Ferraris und den freiwilligen Verzicht auf Le Mans zugunsten Matra eher unspannend war. Vor allem der Einsatz auf Sizilien bei der Targa Florio liest sich faszinierend und wird durch tolle Fotos und Originaldokumente bereichert. Vorher trat der 911er natürlich in Sebring und danach am Nürburgring an. In Florida gab es einen Ausfall, bei der Targa nach einem Ausritt einen zweiten Platz in der Klasse, in der Eifel erreichte man Platz 4 der GT, legte aber das Augenmerk vor allem darauf, das Auto unversehrt nach Le Mans zu bringen. In der Sarthe hatte man auch nicht gerade einen problemlosen Einsatz, dennoch gewann man die Klasse und wurde gesamt 13. Auch in Watkins Glen im letzten Rennen gelang ein Klassensieg, da war Jürgen Barth allerdings nicht mehr dabei. Das Kapitel über die Saison 1972 gehört für mich zu den größten Stücken der Motorsportliteratur.
Die nächsten Kapitel handeln von der Entstehung und Namensgebung des Teams Toad Hall Racing, dem Film Speed Merchants und seiner Realisierung sowie Portraits der beiden Co-Autoren Jürgen Barth und Michael Keyser. Dann gibt es noch einen kurzen Blick auf das Saisonfinale der IMSA GT, die Keyser mit dem Porsche bestritt. 1973 gab es dann nochmals einen Klassensieg in Daytona, als ein Brumos-Carrera RS gewann. So ein Auto musste Keyser auch haben, deshalb verkaufte er den 911 ST an Don Lindley, der damit die USA unsicher machte und den Porsche bis 1975 ziemlich erfolglos einsetzte. Diese Geschichte und die Wiederentdeckung des inzwischen zum Wrack gewordenen Autos im Jahr 2013 sind bis ins Kleinste recherchiert.
Im letzten Kapitel kann man die unglaubliche Restaurierung von 911 250 0538 in seinen heutigen, perfekten Zustand verfolgen. Schön, dass der Autor auch noch die Renneinsätze als Tabelle wiedergibt und sogar ein kleines Kapitel über Modellautos dieses Porsche nicht vergisst.
Den Autoren ist ein perfektes Stück Rennsporthistorie gelungen, wieder einmal ist dem Verlag Delius Klasing zu danken, dass er solche Bücher möglich macht! Die Qualität des Drucks, der Texte und der Fotowiedergabe ist gewohnt hochwertig.
"Porsche 911 ST 2.5 - Kamerawagen - Le-Mans-Sieger - Porsche-Legende" ist wie gesagt bei Delius Klasing erschienen, 200 Seiten, 202 Fotos und Illustrationen, ISBN 978-3-667-11062-6, Preis 49,90 Euro inklusive der DVD "The Speed Merchants".
Rezension: Rudi Seidel