Sonntag, 13. August 2017

Geschichte und Geschichten rund um ein Traumauto: Mercedes Benz 300 SL - Das Jahrhundertauto von Kleissl/Niemann bei Motorbuch

Ein neues Buch über den Mercedes 300 SL wirft sicherlich Fragen auf, ob über diesen legendären Autotyp nicht schon alles erzählt ist. Das war den Autoren ebenfalls bewusst, wie sie in ihrem Vorwort schreiben. Dr. Harry Niemann, dem langjährigen Leiter des Archivs bei Mercedes bzw. Daimler Benz und Hans Kleissl, dem Besitzer von HK-Engineering und ausgewiesenem 300-SL-Spezialisten ist aber doch ein neuer Ansatz gelungen. Sehr hilfreich war dafür das Archiv, dass Kleissl auf seinem Klostergut Polling zusammengetragen hat und sicherlich die vielen Geschichten, die er für die Reataurierung vieler SL recherchieren musste. Immerhin sollen mindestens ein Drittel aller existierenden Autos bereits durch seine Hände gegangen sein.

Das Buch startet mit einer Betrachtung der Situation von Daimler-Benz kurz nach Kriegsende, kommt dannn schnell zur Vorstellung der 300 Limousine und zum Weg, der zum ersten SL führte. Dessen durchwegs erfolgreiche Renngeschichte bis hin zum Sieg bei der Carrera Panamericana wird bis zum Prototyp W194/11 von 1953 weitergeführt. Dieser sogenannte "Hobel" blieb ja ein Einzelstück, da man die Werkseinsätze 1953 nicht fortsetzte, um sich auf die Formel 1 zu konzentrieren. Porträts der Entwickler des 300 SL folgen, die Herren Uhlenhaut, Scherenberg und Geiger hatten großen Anteil an der Entwicklung der Straßenversion, wie sie dem amerikanischen Importeur und Exklusivautohändler Max Hoffmann vorschwebte. Die Präsentation, Produktion und allerlei Details zum Flügeltürer füllen die nächsten Seiten. Die folgenden Geschichten über einzelne Fahrgestellnummern und ihre Besitzer, Renneinsätze und auch den Verbleib und heutigen Zustand gehören sicherlich zu den interessantesten Kapiteln dieses Buches. Das beginnt mit Werner Engel, einem wohlhabenden und engagiertem Privatfahrer, der immerhin 1955 Tourenwagen-Europameister wurde über viele Rennfotos, z. B. vom GT-Rennen 1957 am Nürburgring mit 5 300 SL unter den schnellsten sechs Autos am Start, den amerikanischen SLS-Umbau des Rennfahrers Chuck Porter, Karl Klings Einsätze bis hin zum italienischen Dottore Alberico Cacciari, der 1955 die Mille Miglia mit seinem Flügeltürer in Angriff nahm oder zu Max Egon Becker, dem Besitzer der gleichnamigen Autoradiofirma und der Historie seines SL, der später Rekordfahretn auf der Salzpiste von Bonneville unternahm. Natürlich darf auch die Prominenz nicht fehlen, die Playboys ihrer Zeit wie Porfirio Rubirosa oder Gunter Sachs besaßen alle einmal mindestens einen Gullwing. Gekrönte Häupter wie der Aga Khan fanden ebenfalls Gefallen an dem Sportwagen, die Geschichte seines 300 SL ist bis heute dokumentiert.

In gleicher Weise nähern sich die Autoren dem 300 SL Roadster, Entwicklung, Präsentation, Details auch hier. Und die tollen Geschichten manches Autos, der Roadster von Horst Buchholz, die Sporteinsätze von Eugen Böhringer und Ebs Mahle, eine Fotostrecke mit Sophia Loren sowie viele weitere Besitzer fesseln den Leser.

Zur Abrundung dienen einige Berichte von Funden und Restaurierungen, hier hätte man sich vielleicht noch etwas ausführlichere Behandlung gewünscht. Im Anhang findet man noch die Rennerfolge, garniert mit interessanten Fotos, sowie kurze Kapitel über den 300 SL im historischen Motorsport und den 300-SL-Club. Der Datenteil umfasst eine Seite pro Typ mit den wichtigsten Angaben, die Modifikationen während der Bauzeit und vor allem ausführliche Farblisten für Exterieur und Interieur.

Die Gestaltung des Buches ist recht aufwändig, die Wiedergabe der teils unveröffentlichten und wirklich hoch interessanten Fotos sehr gut, wobei man manchmal die schlechte Qualität der Originale berücksichtigen muss. Etwas irritierend finde ich, dass Bilder und zugehöriger Text nicht immer parallel laufen, das ist aber wohl dem Layout mit meist sehr großformatigen Fotos geschuldet. Aus der Kapiteleinteilung ergeben sich manchmal Wiederholungen von Fakten, damit kann man aber leben. Nicht verständlich bei einem Werk dieses Niveaus und dieser Preisklasse ist hingegen die sehr oberflächliche Arbeit des Lektorats. Im Text sind viele Fehler übersehen worden, Höhepunkte der falsch geschriebenen Namen sind "Kurt Jürgens" oder der "Lancia Aralia". Gibt es beim Verlag keine fachlich sattelfesten Leute zum Korrektur lesen mehr?

Mercedes Benz 300 SL - Das Jahrhundertauto von Hans Kleissl und Harry Niemann ist bei Motorbuch erschienen, ISBN 978-3-613-03960-5, 368 Seiten, 298 s/w- und 111 Farbfotos, Preis 99,-€.

Rezension: Rudi Seidel

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