Donnerstag, 6. Juli 2017

Zeitgeschichte hautnah berichtet: "Sandizell - Herrenfahrer und Motorsportfunktionär" von Erik Eckermann bei Heel

Carl Max Graf von und zu Sandizell mag den meisten Lesern erst einmal kein Begriff sein, aber dank dem AvD (Automobilclub von Deutschland) und dem Heel Verlag liegt uns jetzt eine interessante Biographie dieses Herrn vor, der vor 1939 Motorsport betrieb und nach den Kriegsjahren eine Karriere als Funktionär startete. Der renommierte Automobilhistoriker Erik Eckermann hat sich der Aufgabe gestellt, aus privaten Fotoalben und diversen Archiven, unter anderem natürlich dem des AvD, eine spannende Lebensgeschichte zu dokumentieren.

Im Jahre 1895 geboren als einziges Kind der damaligen Grafen von Sandizell, einem heute noch existierenden Schlossgut in der Nähe des Bayerischen Ortes Schrobenhausen, erwuchs bereits im Ersten Weltkrieg das Interesse für motorisierte Fortbewegungsmittel. Der junge Graf fand seinen Spass allerdings mehr bei Sternfahrten, Automobilturnieren oder Winterfahrten, gewissermaßen den Vorläufern der Rallyes. Das erste Fotodokument im Buch stammt vom Autoturnier in St. Moritz 1930, zu dem der Graf auf einem Horch mit seiner Gemahlin angereist ist und teilgenommen hat. Das erste Kapitel des Buches weist einige Teilnahmen derer von Sandizell an Veranstaltungen wie dem Eibsee-Eisrennen, aber auch an Concours d'Elegance in Baden-Baden, Bad Homburg oder der Villa d'Este nach, die Fotos dazu sind hoch interessant.

Ab 1933 begann die Gleichschaltung der motorsportlichen Organisation, die Naziherrscher sahen darin eine geeignete Propagandamaschine. Graf von Sandizell hatte zwar Distanz zum Regime, wollte aber auf Motorsport nicht verzichten, weshalb er das Spiel mitmachte. Ab 1933 wurde er dann sogar Auto-Union-Werksfahrer und fuhr die 2000 km durch Deutschland auf einem Wanderer Roadster mit. Ebenfalls begeistert war Carl Max von den aufkommenden Geländefahrten, deren Hintergrund sicherlich auch militärisch zu sehen war. Autos wie der höher gesetzte Horch V8 Roadster waren dafür konstruiert worden und bezwangen auch tieferes Gelände. Die Deutschlandfahrt 1934 bestritt der Graf mit einem Horch V8 Stromliniencoupé, es reichte für einen Klassensieg. Und so ging es munter weiter, Alpenfahrten, Ostpreussenfahrt, Winterprüfungen, Carl Max war ein vielbeschäftigter Mann. Meist auf Produkten der Auto Union, aber auch auf BMW 319/1 und 328 zeigte er sein Können. International beachtlich auch die Teilnahme an der Fernfahrt Lüttich-Rom-Lüttich, wo er einen der verschollenen und inzwischen auf die Initiative von Audi hin nachgebauten Wanderer Stromlinienroadster fuhr. Aus dieser Zeit faszinieren die raren Fotos, oft aus dem Privatbesitz der Sandizell, angenehm zu lesen dazu die Texte von Erik Eckermann, der vor allem diese politisch schwere Zeit pointiert kommentiert.

Nach dem glücklicherweise überstandenen Krieg konnte Sandizell dank seines eng gesponnenen Netzwerks und einflussreicher Freunde maßgeblich beim Wiederaufbau des AvD und der Motorsportorganisation helfen. Diese Hintergrundstory zeigt den Sport aus einer ganz anderen Perspektive, hochinteressant, wie damals Länder-, Hersteller-, und politische Interessen unter einen Hut gebracht werden mussten. Carl Max blieb dem Rennsport nahe, oft erhielten die Sieger von Wettbewerben den Pokal aus seinen Händen, selbst nahm er aber nicht mehr teil. 1962 beendete sein plötzlicher Tod das Leben eines über Jahrzehnte dem Motorsport verbundenen Mannes.

Wie gesagt, einmal ein ganz anderes Thema, das aber in diesem Buch hervorragend bearbeitet wurde. Satz und Druck, aber auch die Bildwiedergabe sind erstklassig, erstaunlich, wie gut manche der Fotos aus den 30er Jahren sind. Selbst der etwas trockenere Teil der Funktionärskarriere liest sich spannend, ein Lob dem Autor. Und sicherlich hat bei diesem Buch auch der AvD kräftig mitgeholfen, der aktuelle Generalsekretär Matthias Braun ist ja Autofans und Modellsammlern durchaus ein Begriff. Immer wieder erfreulich, dass Verlage wie Heel neben dem Mainstream auch solche Titel produzieren. 49,95 Euro ist nicht wenig Geld, aber dieses Werk ist den Preis absolut wert.

„Sandizell - Herrenfahrer und Funktionär“ von Erik Eckermann ist im Heel Verlag erschienen, 224 Seiten, 206 s/w- und 14 Farbabbildungen, ISBN 978-3-95843-516-2, Preis wie gesagt 49,95 €.

Rezension: Rudi Seidel

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