Sonntag, 24. Januar 2016

Eine Herzenssache - 1000-Kilometer-Rennen Nürburgring 1953-1983 von Jan Hettler und Udo Klinkel bei Delius Klasing

Das Thema Nürburgring hat schon viele Autoren in ihren Bann gezogen, auch zum 1000-Km-Rennen auf dieser berühmten Strecke gab es bereits Publikationen. Trotzdem entstand, wie Jan Hettler und Udo Klinkel schreiben, schon im Jahr 2000 „bei einem Bierchen“ die Idee, das selbst Erlebte und von Freunden Erzählte in einem Buchprojekt aufzuschreiben. Man bekam Zugang zum bisher verschlossenen Archiv des ADAC, der ja immer der Ausrichter des Rennens war, versicherte sich der Mithilfe einiger Fotografen, die ihre Bilder zur Verfügung stellten und konnte von der Idee viele der damaligen Aktiven so begeistern, dass sie sich gerne zu Gesprächen und Interviews mit den Autoren trafen. Über zehn Jahre Arbeit mit Höhen und Tiefen stecken in diesem Buch, wer selbst schon einmal versucht hat, ein Thema zu recherchieren und darüber zu schreiben, kann ermessen, was Jan Hettler und Udo Klinkel geleistet haben. Erfreulich, dass der Verlag Delius Klasing sich an solche Objekte wagt, alleine der Preis wird sicherlich der Verbreitung Grenzen setzen.

Wer sich wundert, dass das vorliegende Werk 1983 endet, sei darauf hingewiesen, dass spätere 1000-Km-Rennen nicht mehr auf der klasischen Nordschleife durchgeführt wurden und deshalb nicht zum Thema gehören, wie der Untertitel „Die Sportwagen-WM-Läufe des ADAC auf der Nürburgring-Nordschleife“ sagt. Eine Ausnahme im Buch macht das Jahr 1955, nach der Katastrophe von Le Mans wurde der Weltmeisterschaftslauf abgesagt und durch ein 500-Km-Rennen für Sportwagen bis 1500 ccm ausgeschrieben, das Jean Behra auf Maserati 150 S überlegen gewann. Der Anfang war überhaupt eher schwierig: Nach einem sportlich durchaus gelungenen Debüt 1953 fiel das Rennen im Folgejahr ganz aus, Mercedes zog seine Teilnahmezusage zurück, der ADAC als Veranstalter sah keine wirtschaftliche Basis, nachdem man bereits 1953 draufgezahlt hatte. Aber ab 1956 bestand Kontinuität und speziell die Rennen in den 50er und 60er Jahren bildeten wahre Höhepunkte mit Helden wie Stirling Moss oder John Surtees, überraschenden Siegern wie Masten Gregory zusammen mit Lucky Casner auf dem Camoradi-Birdcage und tragischen Unfällen, deren prominentestes Opfer 1981 der Schweizer Herbert Müller war. Der Leser wird auf eine faszinierende Zeitreise der Sportwagenrennen mitgenommen, die damals gleichwertig mit der Formel 1 gesehen wurden, waren doch immer große Werksteams am Start, und die Grand-Prix-Piloten nutzten freie Wochenenden, um die großen Boliden zu bewegen. Mitte der Siebziger Jahre endeten diese Zeiten und die Sportwagenrennen verloren an Bedeutung.

Das voluminöse Buch überzeugt sofort mit seinem sauberen Layout ohne Spielereien und der durchgängig klaren Gliederung. Einer Betrachtung der motorsportlichen Situation in Deutschland im Jahre 1953 folgt der Einstieg in die Premiere der 1000 km. Kurz wird dann jede Austragung in den Kontext der Weltmeisterschaftssaison gestellt, das Starterfeld erklärt und der Trainingsablauf geschildert. Den größten Teil nimmt sozusagen eine Reportage des jeweiligen Rennens ein, an deren Ende der Ausgang der WM-Saison beschrieben wird, gefolgt von einer ausführlichen Statistik. Selbstverständlich sind alle Kapitel reichhaltig bebildert, fast ausschließlich handelt es sich um selten oder nie gesehene Fotodokumente. Farbfotos von 1953 sind Raritäten, hier finden wir einige, die der amerikanische Rennfahrer Jack McAfee selbst aufgenommen hat. Dieser Aufbau zieht sich bis 1983 durch, so dass der Käufer ein veritables Nachschlagewerk erwirbt, jedes Rennen für sich ist ausgezeichneter Lesestoff. Das Salz in der Suppe sind die Augenzeugenberichte, die jeweils am Ende eines Kapitels eingefügt sind. Die lange Produktionszeit bedingt leider, dass einige Gesprächspartner die Veröffentlichung des Buchs nicht mehr erleben konnten, aber auf diese Weise wurde so manchem der damaligen Fahrer ein kleines Denkmal gesetzt. Roy Salvadori, Ian Stewart, Jack McAfee, Herbert Linge, David Piper, Paul Ernst Strähle, Paul Frère, Stirling Moss, Dan Gurney, Karl Foitek, Colin Davis, Peter Nöcker, Phil Hill, Jochen Neerpasch, Alan Mann, Hubert Hahne, Tim Schenken, Willi Kauhsen, Manfred Schurti, John Fitzpatrick, Klaus Ludwig, Harald Grohs sind vielleicht mit die bekanntesten Namen, aber auch so mancher Amateur hatte wilde Geschichten zu erzählen.

Die Produktion des Buches ist perfekt, Druck, Bindung, Papier, Bildwiedergabe passen zum Anspruch des Werkes. Sehr erfreut sind wir vom fehlerfreien Text, das Lektorat hat vorbildlich gearbeitet, was heute leider nicht selbstverständlich ist. Ein einziger kleiner Fauxpas ist bei der Tabelle des Rennens 1955 passiert, die Spalte mit den Startnummern wurde nicht bearbeitet und ist dementsprechend falsch. Nobody is perfect, aber Jan Hettler hat die richtige Liste bereits an racingsportscars weitergegeben, dort sollte man sich demnächst die Startnummern holen und ergänzen können.

Über den Preis muss man auch sprechen, 198,- Euro sind schon eine Ansage. Die Arbeit, die hinter einem solchen Buch steckt und die von den Autoren in ihrer Freizeit aufgebracht wurde, ist damit nicht aufgewogen und auch der Verlag verdient sich keine goldene Nase. Vergleichbare Werke wie das umfangreiche Carrera-Buch von Sprenger/Heinrichs wurden sicherlich von Seiten Porsches bezuschusst. Der Betrag ist eine Hürde, wer sich allerdings intensiv mit den Sportwagenrennen dieser Zeit befasst, sollte dieses Referenzwerk besitzen und wird immer wieder Freude daran haben, darin zu lesen oder nachzuschlagen.

1000 Kilometer Rennen 1953 - 1983 - Die Sportwagen-WM-Läufe des ADAC auf der Nürburgring-Nordschleife von Jan Hettler und Udo Klinkel ist bei Delius Klasing erschienen, 310 x 260 mm, gebunden im Schuber, 744 Seiten, 238 Farb- und 284 s/w-Bilder sowie Tabellen und Interviews, ISBN: 978-3-667-10310-9, Preis: EUR 198,-.

Vielen Dank an die Autoren für ein immer „offenes Ohr“ und weitergehende Informationen zum Thema.

Rezension: Rudi Seidel

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