Sonntag, 25. Januar 2015

Panoptikum der Automobilgeschichte: "Vergessene Autos - 300 untergegangene Marken" von Roger Gloor bei Motorbuch

Roger Gloor gehört sicherlich zu den bekanntesten und kompetentesten Automobilhistorikern aller Zeiten. Bekannt wurde er durch seine langjährige Redakteurstätigkeit für die Schweizer Automobilrevue, einem der angesehensten Fachblätter weltweit, und natürlich durch seine Serie von Büchern über Autos der 50er bis 80er Jahre. Diese Werke dienen sicherlich vielen Autointeressierten als erste Quelle, durch ihre kurzen, prägnanten Texte bekommt man sofort eine Vielzahl von Informationen kompakt geboten.

Mit dem neuesten, gerade vorliegenden Titel hat sich Gloor mit den vergessenen Marken der Automobilgeschichte auseinandergesetzt und aus rund 10.000 die 300 wichtigsten und oft auch richtungsweisenden herausgesucht, um sie in seinem Buch vorzustellen. Das Ganze ist in ein Schema gepackt, meist eine halbe Seite Text und ein Foto eines besonders wichtigen oder interessanten Produkts des jeweiligen Herstellers sowie die Existenzdauer der Marke als PKW-Produzent. Dass man damit größeren oder länger existierenden Firmen nicht leicht gerecht werden kann, wurde bewusst in Kauf genommen, erstaunlich ist, wie Roger Gloor auf weniger als 40 Zeilen so viele Fakten lesenswert verpackt. Und für kleinere Marken ist der Platz ausreichend.

Die Auswahl folgte sicherlich auch einer gewissen Subjektivität, dementsprechend sind einige Schweizer Marken enthalten, die im Rest von Europa keine große Rolle spielten, aber sei's drum, findet man doch alle Hersteller, die man erwartet, und einiges mehr. Das beginnt bei manchen fragwürdigen Kleinwagenherstellern aus allen Epochen und Erdteilen, natürlich dürfen die Luxuswagenmarken, die meist in Krisen oder nach Kriegen das zeitliche segneten, nicht fehlen. Viele Markennamen sind aus Marketinggründen verschwunden, Goliath, Mercury, Pontiac oder Oldsmobile sind hierfür Beispiele, osteuropäische Marken verloren ihren Schutz durch den Fall des Eisernen Vorhangs, Kleinserienhersteller fielen der immer größeren Produktpalette der großen Marken zum Opfer und toll klingende Projekte erwiesen sich als Windbeutel, siehe De Lorean oder Bricklin, die beide den Sportwagenmarkt überrollen wollten und grandios scheiterten. Interessant, dass Gloor auch die neuesten Pleiten bzw. verschwundenen Namen mit aufgenommen hat, wie Wiesmann, Maybach, Artega oder TVR. Wie bei gedruckten Werken üblich, kann man natürlich nur den Stand zur Zeit des Erscheinens geben, es steht ja zu befürchten, dass bald die nächsten Kapitel dazukommen, man denke nur an Lancia, um einen der prominenten Markennamen mit unsicherer Zukunft zu nennen.

Zur Entstehung des Buches sollte auch gesagt sein, dass die Basis eine Serie in der Automobil Revue bildete, für das vorliegende Werk wurden die Texte aber nochmals überarbeitet und, soweit nötig, aktualisiert. Dabei wurde im Großen und Ganzen sorgfältig vorgegangen, einige kleine Satzfehler fallen dem fachkundigen Leser schon auf. Und die Sache mit der Bildauswahl ist nicht ganz einfach. Eine Beschränkung auf zeitgenössische Fotos hätte mir besser gefallen, vielleicht auch vier kleinere statt eines großen Bildes, um mehrere Baureihen des jeweiligen Herstellers zeigen zu können.

Wo Roger Gloor deutlich punktet, sind der Statistikteil und das Namensregister, dadurch kann man in dem Buch auch sozusagen „quer“ lesen und recherchieren.

Auch als bekennender Fan von Roger Gloors Büchern kann ich schlecht sagen, dass man dieses Buch unbedingt haben muss. Für den automobilhistorisch interessierten Leser ist es sicherlich unterhaltsam und bringt viele interessante Fakten, aufgrund der Kompaktheit der Texte und der sehr knappen Fotoauswahl muss man doch weitersuchen, wenn man mehr lesen und sehen will. und ob der heutige Google- und Wikipedia-Nutzer dann noch den Umweg über ein Buch geht, kann ich nicht endgültig beurteilen. Der durchaus ambitionierte Preis von 69,- Euro wird die Verbreitung des neuesten Werkes des Schweizer Autors sicherlich nicht beschleunigen. Mein Fazit lautet also: Man kann dieses Buch durchaus kaufen, es gehört aber nicht zu den Standardwerken, die in keiner Bibliothek fehlen dürfen.

"Vergessene Autos - 300 untergegangene Marken" von Roger Gloor ist im Motorbuch Verlag erschienen,
ISBN 978-3-613-03688-8, Seitenzahl: 336, Abbildungen: 400, Preis: 69.00 €

Rezension: Rudi Seidel

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